Duell der Superstars bei der Ronde

Armitstead vs. Johansson: Nur ein Traum konnte in Erfüllung gehen

Von Felix Mattis aus Oudenaarde

Foto zu dem Text "Armitstead vs. Johansson: Nur ein Traum konnte in Erfüllung gehen"
Armitstead und Johansson am Paterberg. | Foto: Cor Vos

04.04.2016  |  (rsn) - Die Flandern-Rundfahrt zu gewinnen, das war für Weltmeisterin Lizzie Armitstead (Boels-Dolmans) und die Schwedin Emma Johansson (Wiggle-High5) das große Saisonziel abseits der Olympischen Spiele von Rio. Beide bezeichneten einen möglichen Erfolg bei der "Ronde" in der Vergangenheit bereits als ihren großen Traum - kein Wunder: Der Klassiker über zehn Hellingen und fünf weitere Kopfsteinpflasterpassagen ist, abgesehen von der WM und Olympia, das prestigeträchtigste Event im Rennkalender der Frauen.

Ein besseres Drehbuch als das Duell der Superstars hätte man sich für den Sonntag daher kaum ausdenken können - und am Ende behielt, ganz Drama, die erfolgsverwöhnte Seriensiegerin der vergangenen beiden Jahre die Oberhand gegen die Frau, die seit 2008 nie schlechter als auf Rang 13 abgeschnitten hat und mit Platz zwei in Oudenaarde ihren vierten Podestplatz bei der Ronde einfuhr, nie aber gewinnen konnte: Armitstead schlug Johansson auf der Zielgeraden am Ende eines langen Sprints um Reifenbreite.

"Mit dem großen Sieg sollte es wohl einfach nicht sein", stellte Johansson, die längst angekündigt hatte, dieses Jahr ihren letzten Anlauf auf den Ronde-Sieg nehmen zu wollen, enttäuscht fest. Ein Grund, es 2017 doch noch einmal zu versuchen? "Nein, das war's. Ich fahre hier wirklich gut, aber man braucht einfach etwas mehr Glück. So nah dran wie heute war ich noch nie, und das tut vielleicht sogar noch mehr weh", so die 32-Jährige, um dann aber lächelnd hinzuzufügen: "Ich werde den restlichen Tag trotzdem genießen!"

Das tat Johansson, die nur fünf Kilometer von Oudenaarde entfernt in Zingem direkt an der Strecke wohnt. Sie stand noch Stunden nach Rennende im Trikot bei strahlendem Sonnenschein in einem der Cafés am Markt von Oudenaarde und plauderte mit Freunden.

Armitstead hingegen kam in der Mixed Zone aus dem Strahlen nicht mehr heraus. "Ich bin wirklich erleichtert, denn es war der eine Sieg, den ich immer wollte", sagte sie. "Und es ist vielleicht sogar schwerer, etwas zu gewinnen, wo man so viel Angst hat, es zu verlieren." Angst vor der Niederlage, das hat schon Jürgen Klopp werbeträchtig zum Besten gegeben, hilft selten. Doch davon war bei Armitstead in Flandern auch kaum etwas zu spüren. Wieso auch? Die Weltmeisterin war bis dahin und ist weiterhin die Überfliegerin der Saison. Sie bekam bis zum Sonntag höchstens im eigenen Team Konkurrenzdruck.

Chantal Blaak nämlich nahm Armitstead in der Vorwoche bei Gent-Wevelgem die Women's WorldTour-Führung ab. Die Niederländerin fährt die Saison ihres Lebens, galt auch in Oudenaarde unter den Experten als Favoritin Nummer zwei und wurde dieser Rolle gerecht, in dem sie hinter dem Spitzenreiterduo Platz drei einfuhr - nicht genug, um die WorldTour-Führung zu behalten, aber um auf Tuchfühlung zur Teamkollegin zu bleiben.

"Es war etwas Besonderes im Führungstrikot zu fahren, aber ich habe nicht erwartet es zu behalten - und umso besser ist es, dass es im Team bleibt", zeigte sich Blaak zufrieden. Ihre eigene Teamkollegin zu verfolgen kam im Finale des Rennens nicht in Frage, und so rollte Blaak lediglich in der Verfolgergruppe mit, um dann im Sprint zuschlagen zu können. Schon in Wevelgem hatte sie versichert, dass es einen Kampf ums Trikot innerhalb des Boels-Dolmans-Teams ohnehin nicht geben werde, weil sowohl Armitstead als auch sie die einzelnen Rennen wichtiger als die Serie sei.

Ein Duell mit der Teamkollegin konnte es nicht geben, doch in Flandern rückte Johansson bis auf Augenhöhe zu Armitstead auf. Die Schwedin war es letztlich sogar, die nach dem Oude Kwaremont, dem vorletzten Anstieg des Tages, aus einer dort entstandenen elfköpfigen Spitzengruppe heraus, die entscheidende Attacke setzte, der nur Armitstead folgen konnte. Zuvor hatte es bereits am Kruisberg eine Selektion gegeben, der sämtliche reinen Sprinterinnen zum Opfer fielen und nach der nur noch 30 Frauen beisammen waren.

Durch hohes Tempo leerten sich die Kraftreserven auf den folgenden Kilometern auch bei den Favoritinnen, bis zwischen Kwaremont und Paterberg schließlich Johansson antrat. "Ich hatte mir überlegt, dass es ein guter Moment sein würde, weil jeder auf den Kwaremont oder den Paterberg und das Kopfsteinpflaster konzentriert ist", erklärte sie ihren Vorstoß, nach dem sie zunächst hoffte, bald noch Verstärkung von hinten zu bekommen - in Person ihrer Teamkollegin, der Titelverteidigerin Elisa Longo Borghini.

Doch die Italienerin schaffte es nicht, sich am Paterberg, dem letzten Hellingen, aus der Verfolgergruppe zu lösen, und so gingen Armitstead und Johansson zu zweit auf die letzten zehn flachen Kilometer - mit 15 Sekunden Vorsprung, die zwischenzeitlich auf 25 Sekunden anwuchsen, am Ende aber nochmal gefährlich zusammenschrumpften, weil von den acht Verfolgerinnen wenigstens vier an einem Strang zogen: Claudia Lichtenberg (Lotto-Soudal), die letztlich Neunte wurde, sowie Annemiek Van Vleuten (Orica-AIS) und das Rabo-Liv-Duo Pauline Ferrand-Prevot und Kasia Niewiadoma.

Letztere gab sich später höchst selbstkritisch. "Als Emma ging, war sie auf der anderen Straßenseite. Es war schwer, hinzuspringen, aber ich habe vielleicht auch etwas zu sehr gezögert", gab sie zu und fügte hinzu: "Natürlich muss man mitgehen, wenn das Regenbogentrikot davonfährt! Da sollte man gar nicht mehr nachdenken - das war etwas dumm von mir!"

Bis auf fünf Sekunden rückten die Verfolgerinnen an der 1.000-Meter-Marke an die Spitzenreiterinnen aber immerhin noch heran, so dass denen nicht viel Zeit zum Poker blieb und Johansson den Sprint vorne sehr früh lancierte. Über 200 Meter spurteten sie und Armitstead am Ende des 141 Kilometer langen Rennens Seite an Seite, bis Britin schließlich das Vorderrad einen Tick früher über die Linie schob.

"Es war sehr knapp und ich musste bis zur Linie durchsprinten. Vom Bauchgefühl her wusste ich zwar, dass ich gewonnen hatte, aber es war mir zu riskant sofort zu jubeln", sagte Armitstead, die nach der Zieldurchfahrt erst einmal zu Johansson rüberschaute, um sich zu vergewissern. Und die wusste es sofort: "Ja, da brauchte ich kein Zielfoto zu sehen", so Johansson. "Es war knapp, aber es hat nicht gereicht - so ist das manchmal."

Leider war es für sie das letzte "Manchmal" in Oudenaarde. Der Traum vom Ronde-Sieg konnte nur für eine in Erfüllung gehen.

Das Rennen im Highlight-Video:

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

18.11.2025Almeida bleibt bei UAE - Gaviria vor Wechsel zu Caja Rural?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

16.11.2025An Brand kommt auch bei der X2O in Hamme niemand vorbei

(rsn) – Mit ihrem Sieg bei der X20 Badkamers Trofee in Hamme gelang Lucinda Brand (Baloise - Glowi Lions) Historisches im Cross-Sport der Frauen. Die 36-Jährige fuhr zum 50. Mal in Folge auf das P

15.11.2025Brand gewinnt auch zweites Superprestige-Rennen der Woche

(rsn) – Vier Tage nach ihrem Sieg bei der Superprestige in Niel hat Lucinda Brand (Baloise – Glowi Lions) in der Crossserie erneut zugeschlagen. In Merksplas reichte ihr eine Attacke zur Rennmitte

15.11.2025Brand peilt am Wochenende denkwürdiges Cross-Jubiläum an

(rsn) – Lucinda Brand (Baloise Glowi Lions) geht an diesem Wochenende auf Rekordjagd. Die 36-jährige Niederländerin will ihre imponierende Serie von 48 Podiumsplätzen in Serie ausbauen. Sollte si

15.11.2025Schreiber gibt beim X2O-Cross in Hamme ihr Saisondebüt

(rsn) – Aufgrund mehrere Erkrankungen geriet Marie Schreibers Vorbereitung auf die Cross-Saison 2025/26 durcheinander. Die U23-Vizeweltmeisterin zog sich bei der Tour de l´Avenir Femmes eine Corona

14.11.2025Afrikanisches Team Amani: Ziel ist die Tour de France Femmes

(rsn) – Nachdem das ruandische Amani-Männerteam bereits seit Anfang 2025 mit einer Kontinental-Lizenz im Feld vertreten ist, wird ab der kommenden Saison auch ein Frauenteam in der dritten Division

14.11.2025Auch Sevilla mit 50 noch auf dem Rad unterwegs

(rsn – Wie sein Landsmann Francisco Mancebo macht auch Óscar Sevilla im kommenden Jahr die “50“ voll. Während bei Mancebo alle Zeichen auf Fortsetzung der Karriere hindeuten, steht im Fall von

12.11.2025Wiebes will mehr sein als die beste Sprinterin der Welt

(rsn) – Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) blickt auf eine erneut überragende Saison zurück, in der ihr nicht weniger als 25 Siege gelangen, so viele wie noch nie in ihrer Karriere, die 2018 bei

11.11.2025Brand dreht in Niel den Spieß gegen van der Heijden um

(rsn) – Nur drei Tage nach dem verpassten Europameistertitel hat Lucinda Brand (Baloise - Glowi Lions) bei der Superprestige in Niel Revanche genommen. Ähnlich wie die Europameisterin Inge van der

11.11.2025Rembe - rad-net ab 2026 auch mit Frauenteam

(rsn) – Rembe - rad-net wird in der kommenden Saison auch ein Frauenteam an den Start schicken. Wie der Rennstall aus dem Sauerland mitteilte, habe man beim Radsportweltverband UCI ein weibliches Ko

09.11.2025“Cube liefert 2026 die Räder für TotalEnergies“

(rsn) – Der französische Zweitdivisionär TotalEnergies soll in Deutschland einen neuen Radsponsor gefunden haben. Der Tour-Zehnte Jordan Jegat und Co. werden ihre Kilometer 2026 auf Rädern von Cu

09.11.2025Bentveld sichert sich bei der EM ersten großen Titel

(rsn) – Die neue U23-Europameisterin im Cross heißt Leonie Bentveld, Die Niederländerin gewann bislang drei Medaillen bei Welttitelkämpfen; zwei fügte sie ihrer Sammlung bei kontinentalen Meiste

Weitere Radsportnachrichten

18.11.2025Aussie-Duo für Decathlon: Haussler und Renshaw neue Sportdirektoren

(rsn) – Nach seinem Abschied bei Red Bull – Bora – hansgrohe hat Heinrich Haussler eine neue Aufgabe auf WorldTour-Niveau gefunden. Der 41–jährige Australier wird künftig als Sportdirektor b

18.11.2025Widar gibt 2026 Debüt bei zwei Monumenten und der Vuelta

(rsn) – Jarno Widar wird gleich in seinem ersten Profijahr ein anspruchsvolles Programm absolvieren. Wie der 20-jährige Belgier in einem Interview mit der Zeitung Het Laatste Nieuws ankündigte, ge

18.11.2025Almeida bleibt bei UAE - Gaviria vor Wechsel zu Caja Rural?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

18.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

18.11.2025Zwischen Abitur, DM-Medaillen und WorldTour-Einsätzen

(rsn) - In der Juniorenklasse gehörte Paul Fietzke zu den weltweit besten Fahrern. Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften, der Deutsche Meistertitel auf der Straße sowie Siege bei internati

17.11.2025Lipowitz will nicht zum Giro und hofft auf Tour-Doppelspitze

(rsn) – Mit Blick auf ihre Meriten bei der Tour de France befinden sich Florian Lipowitz und Remco Evenepoel in ähnlichen Sphären. Doch was ihren Charakter angeht, könnte das Duo, das im Sommer n

17.11.2025Nach Platz 1 und 3 im Prolog gibt´s schon den ersten Ruhetag

(rsn) - Robert Müller ist wieder auf Achse. Wer seine Berichte aus den unterschiedlichsten Ecken der Radsport-Welt – von Südamerika bis Asien – kennt, weiß: Wenn "Radbert" unterwegs ist, wird e

17.11.2025ASO spricht sich gegen Ticket-Einnahmen aus

(rsn) – In der Debatte um die zukünftige Finanzierung des Radsports hat die Großmacht ASO, die neben der Tour de France weitere entscheidende Rennen im WorldTour-Kalender und den ebenen darunter o

17.11.2025Road Captain will auch “persönliche Freiheiten“

(rsn) – Von den noch aktiven Profis ist Kim Heiduk der letzte Deutsche, der aus einem einheimischen KT-Team, nämlich Lotto – Kern Haus, den Wechsel ins Lager der Berufsradfahrer geschafft hat. Ei

17.11.2025Ferrand-Prévot plant zwei Saisonhöhepunkte

(rsn) – Mit dem Tour-de-France-Sieg in der Tasche und einer Knöchel-OP, die noch ein paar Wochen Pause mit sich bringen wird, geht Pauline Ferrand-Prévot in den Winter und ins neue Jahr. Und damit

17.11.2025Chancen genutzt, doch für den Sieg hat es nicht gereicht

(rsn) – Vor seinem letzten U23-Jahr entschied sich der junge Österreicher Sebastian Putz für einen Wechsel. Er schloss sich dem Team Red Bull - Bora – hansgrohe Rookies an, um sich dort für zuk

17.11.2025Prag buhlt um den Grand Depart

(rsn) – Die Liste an kommenden potenziellen Tour-Starts in den kommenden Jahren wird immer länger. Auch Tschechien hat sich jetzt mit Prag in Stellung gebracht und ASO-Chef Christian Prudhomme bei

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)