Vom Herausforderer Nr. 1 zum Mitfahrer

Evenepoel erfährt beim Giro d’Italia seine Grenzen

Von Tom Mustroph vom Monte Zoncolan

Foto zu dem Text "Evenepoel erfährt beim Giro d’Italia seine Grenzen"
Remco Evenepoel (Deceuninck - Quick-Step) im Ziel der 14. Giro-Etappe auf dem Monte Zoncolan. | Foto: Cor Vos

23.05.2021  |  (rsn) - Hoch waren die Erwartungen an Remco Evenepoel (Deceuninck – Quick-Step) zu Beginn des 104. Giro d'Italia. Er wurde zum Top-Herausforderer für Toursieger Egan Bernal (Ineos Grenadiers) hochgejazzt. Früh allerdings zog er in diesem Duell den kürzeren. Und zum Ende der zweiten Woche ist bereits klar: als Duellant für Bernal ist er ausgefallen. Dieses Fazit zog der Belgier selbst nach seinem Zeitverlust zuletzt am Monte Zoncolan.

"Es war ziemlich kalt dort oben. Vielleicht ist mein Körper nicht zu 100% bereit für solche Temperaturunterschiede", meinte er nach der Etappe. "Auf dem härtesten Abschnitt habe ich auch gemerkt, dass meine Beine nicht richtig reagierten", erklärte er. Allerdings geriet Evenepoel schon früh, auf den leichteren Abschnitten des finalen Anstiegs in Schwierigkeiten, kämpfte am Ende der Favoritengruppe darum, den Anschluss nicht zu verlieren. Er blieb dann dran. Weiter oben war aber endgültig Schluss.

"Wenn keine Kraft mehr da ist, ist keine Kraft mehr da", lautete sein resigniertes Fazit. Vor einer kleinen Gruppe von Medienvertretern am Fuße des Berges hisste er dann auch die weiße Flagge. "Wenn meine Teamkollegen wie Joao Almeida in eine Fluchtgruppe gehen wollen, können sie das gerne", meinte er. Das bedeutet die Aufgabe aller Siegambitionen.

Das ist auch realistisch. Evenepoel liegt jetzt knapp vier Minuten auf Bernal zurück. Bis auf das Auftaktzeitfahren, in dem er 20 Sekunden schneller war als der Kolumbianer, verlor er immer wieder Zeit. An kurzen Rampen handelte es sich um wenige Sekunden wie auf der 4. Etappe nach Sestola. Das bereits war aber eine Überraschung, Evenepoel gilt schließlich als ziemlich explosiv.

Defizite in der Radbeherrschung

Schlimmer erwischte es ihn auf der Schotteretappe nach Montalcino. Im Staub der Toskana sah er keinen Stich und verlor mehr als zwei Minuten auf Bernal. Am Zoncolan kamen noch einmal 90 Sekunden hinzu. Da konnte er im Finale nicht einmal das Hinterrad seines frustrierten Helfers Almeida halten, der auf Etappe 4 einen schlechten Tag hatte, seitdem aber stets stärker wirkte als der Belgier.

Für Leute, die Evenepoel näher kennen, war zumindest der Einbruch auf der Schotterpiste keine Überraschung. "Wir wussten vorher, dass ihm das nicht liegt. Vor einem Jahr hat er in Italien auf drei kurzen Schotterabschnitten sechs Minuten verloren", erzählte Teamchef Patrick Lefevere radsport-news.com. Um welches Rennen es sich handelte oder ob es sich nur um einen Trainingsritt handelte, wollte Lefevere nicht verraten. Er gab aber unumwunden Defizite in der Radbeherrschung bei seinem Schützling zu.

"Als die anderen Jungs hier ihre technischen Fähigkeiten auf dem Rad bei unzähligen Kriterien im Jugendbereich schulten oder wie Bernal mit dem Mountainbike unterwegs waren, spielte er noch Fußball. Die anderen sind ihm viele Stunden auf dem Rad voraus", meinte Lefevere. Er kündigte an: "Natürlich werden wir daran arbeiten."

Kam der Giro zu früh?

Defizite waren bei Evenepoel auch in den Abfahrten zu sehen. Da rutschte er in der Gruppe oft nach hinten, musste sich dann am nächsten Anstieg wieder mühsam vorarbeiten. Auch dieser eigentlich unnötige Energieaufwand könnte zu der durchgehend schlechteren Performance als erwartet geführt haben.

War es vielleicht auch zu optimistisch, als erstes Rennen nach der Rekonvaleszenz nach dem schweren Sturz bei der Lombardeirundfahrt gleich eine Grand Tour wie den Giro ins Programm zu nehmen? "Nachher ist man immer schlauer", sagte gelassen Lefevere. "Wenn er ohne Renntage in den Giro geht und gut fährt, bewundern ihn alle. Wenn er schlecht fährt, wissen alle gleich, woran es liegt."

Frustriert wirkte der erfahrene Teamchef bei dieser Bilanz nicht. Er nahm es einfach hin, dass nicht alle Pläne gleich aufgehen. Müssen jetzt gleich ganz die Erwartungen an den Ex-Fußballer heruntergeschraubt werden? "Wissen Sie, die Erwartungen kommen von den Fans und den Medien, ich habe darauf keinen Einfluss. Es stört mich auch nicht, dass die Erwartungen hoch sind. Remco bleibt so im Gespräch, und das freut die Sponsoren", sagte der Rennstallboss, und ein Lächeln war selbst durch die Maske zu erkennen.

Lefevere: "Es steht 5:0 für Ralph Denk"

Reden übers "Wolfsrudel" von Deceuninck – Quick-Step zu hören, ist also die Hauptsache. Ob dies über Siege geschieht oder über eine medial aufgebaute Figur, hat zumindest für den Mann, der fürs Geldeintreiben für den Rennstall zuständig ist, eine nachrangige Priorität.

Neuigkeiten im Manager-Fernduell mit Bora - hansgrohe-Teamchef Ralph Denk gibt es derzeit nicht zu vermelden. Auf Nachfrage von radsport-news.com nach dem Stand der Dinge meinte Lefevere nur: "Es steht 5:0 für Ralph Denk." Bei den Neuverpflichtungen zum Ende der Saison wird man wissen, was dieser Satz bedeutet. Über die Rückkehr von Sam Bennett zu Bora wurde bereits vor einiger Zeit spekuliert. Mal sehen, wofür die anderen vier Treffer stehen.

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