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Lipowitz: “Meine Werte waren bei Dauphiné besser als in der Tour“

Von Felix Mattis

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RSN-Chefredakteur Felix Mattis übergibt die Strassacker-Trophäe 2025 auf Mallorca an Florian Lipowitz. | Foto: Sebastian Lindner

31.12.2025  |  (rsn) – Erleichtert wirkt Florian Lipowitz, als er am späten Nachmittag des 10. Dezember die Halle der Central Studios in Binissalem auf Mallorca verlässt. In den letzten drei Stunden musste der 25-Jährige viel sprechen – ein wahrer Interview-Marathon liegt am Medientag des Winter-Trainingslagers von Red Bull – Bora – hansgrohe hinter ihm. Jetzt hat er es geschafft. Im Van im Hof sitzen bereits einige Teamkollegen und warten darauf, dass der deutsche Shootingstar auch endlich einsteigt, damit das Shuttle zurück ins Teamhotel losfahren kann.

Einen letzten Programmpunkt aber hat Lipowitz noch: Die Übergabe der Strassacker-Trophäe für den Fahrer des Jahres in der RSN-Rangliste. Man könnte meinen, das sei nach einem solchen Tag lästig – gerade für jemanden, der nicht gern im Mittelpunkt steht. Und was ist schon ein solcher Redaktionspreis für einen Tour-de-France-Dritten?

Doch Lipowitz lächelt. Er nimmt sich Zeit, schaut sich die Trophäe an, scheint sich ehrlich geehrt zu fühlen und bedankt sich freundlich. "Das freut mich wirklich", sagt er, bevor er noch für einige Fotos posiert. In einem Moment, in dem mancher Kollege ein "Aber mach' schnell" über die Lippen bringen würde, bleibt Lipowitz höflich. Man merkt ihm an, dass er den Bodenkontakt trotz des Hypes um seine Person im vergangenen Sommer nicht verloren hat. ___STEADY_PAYWALL___

Ein Sommer, in dem 'Lipo' zum neuen deutschen Radsporthelden emporgestiegen ist. Als erster Deutscher seit Andreas Klöden 2006 und überhaupt erst vierter Vertreter seines Landes stand Lipowitz am 27. Juli in Paris auf dem Podium der Tour de France.

Neuer deutscher Radsportheld?"Ich bin ich und mache mein Ding"

Bei der Lidl Deutschland Tour gut drei Wochen danach war der kleine Hype, den das auslöste, in Form von Fanaufkommen bereits zu spüren. Und auch wenn Lipowitz zunächst noch einen italienischen Herbst mit Rennen bis Il Lombardia geplant hatte, so beendete er seine Saison schließlich schon Mitte September in Kanada, wo er den GP Québec und den GP Montréal bestritt, aber jeweils nicht zu Ende fuhr.

"Nach der Tour hätte ich wahrscheinlich mehr Pause gebraucht. Durch Medien und sonstige Termine war mein Körper am Ende doch ziemlich ausgelaugt. Man muss damit zurechtkommen und ich werde da sicherlich auch reinfinden, aber zuerst war es eine Umstellung", erklärte Lipowitz nun auf Mallorca.

Im Weißen Trikot des besten Nachwuchsfahrers auf dem Podium der Tour de France 2025 in Paris: Florian Lipowitz (Red Bull – Bora – hansgrohe). | Foto: Cor Vos

Für den Shootingstar war das öffentliche Interesse, das in diesem Jahr auf ihn einprasselte, natürlich neu und fordernd. Doch auch wenn Lipowitz als ruhig und zurückhaltend gilt, so schlug er sich schon im Verlauf der Frankreich-Rundfahrt von Tag zu Tag besser an den Mikrofonen. Ja, er ist ein ruhiger Charakter, doch Lipowitz lernt den Umgang mit den Medien schnell und scheint zu wissen, was er will und was er sagt. "Ich bin ich. Die Leute können gern Vergleiche ziehen. Ich schaue aber lieber auf mich und mache mein Ding", erklärte er in einer Interviewrunde mit deutschen Medienvertretern in Binissalem beispielsweise zu den unweigerlich aufkommenden Jan-Ullrich-Vergleichen.

Lipowitz 2025, das war weit mehr als nur die Tour

Seit dem Ende der Tour de France wurde Lipowitz' dortiger Auftritt in den deutschen Sportmedien immer und immer wieder thematisiert. Auch in der 25-minütigen deutschen Medienrunde auf Mallorca ging es nochmal viel um die drei Wochen im Juli – und natürlich um das kommende Jahr, wenn Lipowitz und Remco Evenepoel bei der Tour eine Doppelspitze bilden sollen. Dabei wurde auch wieder deutlich: Radsport in Deutschland, das ist die Tour. Kein Wort wurde über Lipowitz' Rest des Jahres 2025 verloren und auch die geplanten Auftritte in der kommenden Saison nur mit Blick auf die nächste Tour betrachtet. Katalonien-Rundfahrt? Ah, ja, um sich mit Evenepoel für die Tour einzuspielen.

Doch Lipowitz war 2025 nicht nur Tour-Dritter. Schon auf Mallorca beim Saisonauftakt präsentierte sich der gebürtige Laichinger stark. Nur wenige Kilometer Luftlinie von den Central Studios entfernt rauschte er am 2. Februar als Solist über die leicht welligen Straßen in der Mitte der Balearen-Insel auf Palma zu. An einem weitgehend flachen Renntag, der letztlich auch wie erwartet im Sprint endete, testete Lipowitz seine Beine bereits mit einem mehr als 110 Kilometer langen Ausreißversuch.

Florian Lipowitz bei der Trofeo Palma am 2. Februar auf Mallorca als Solist. | Foto: Cor Vos

Schon da war klar: Lipowitz hat keine wertvollen Trainingstage zu verschenken, in dem er entspannt im Peloton mitrollt. Wie gut der Red-Bull-Profi im Winter gearbeitet hatte, nachdem er im Vorjahr bereits einige Ausrufezeichen gesetzt hatte und als Roglic-Helfer Achter der Vuelta a Espana geworden war, wurde so richtig deutlich aber erst im März bei Paris-Nizza (2.UWT).

Es war die erste WorldTour-Rundfahrt seiner Karriere, die Lipowitz als Kapitän seiner Mannschaft in Angriff nahm – und er glänzte prompt: Schon bei der ersten Bergankunft in La Loge des Gardes wurde er nach einer Unterbrechung aufgrund von Hagel und glatten Straßen Etappenfünfter mit nur sechs Sekunden Rückstand auf Tagessieger Joao Almeida (UAE – Emirates – XRG).

Zweiter bei Paris-Nizza, Vierter im Baskenland

Tagsdrauf in La Cote-Saint-André wiederholte er die Platzierung und rückte hinter Matteo Jorgenson und Jonas Vingegaard (beide Visma – Lease a Bike) auf Gesamtrang drei vor. Und als Vingegaard tagsdrauf aufgrund von Sturzverletzungen vom Vortag aufgab, war 'Lipo' plötzlich Zweiter beim "Rennen zur Sonne" – und blieb das auch bis zum Schluss. "Ich habe mit einem Top-Ten-Ergebnis gerechnet und niemals erwartet, hier Zweiter zu werden", sagte er in Nizza und betonte: "Für mich war es etwas ganz Besonderes, als Leader zu fahren."

Lipowitz (links) auf dem Podium von Paris-Nizza neben Matteo Jorgenson (Mitte, Visma – Lease a Bike) und Thymen Arensman (rechts / Ineos Grenadiers). | Foto: Cor Vos

Drei Wochen später stand Lipowitz bei der Baskenland-Rundfahrt (2.UWT) am Start und verpasste im 16,5 Kilometer langen Auftaktzeitfahren den Sieg und das Gelbe Trikot nur um 0,76 Sekunden gegen Max Schachmann (Soudal – Quick-Step) – und das, obwohl Lipowitz in den Tagen vor dem Rennen noch erkältet gewesen war. Anschließend lag er die ganze Woche erneut auf Podiumskurs, doch auf der Schlussetappe rund um Eibar verdrängte ihn Enric Mas (Movistar) noch vom dritten Gesamtrang.

"Die Beine waren gut, aber leider bin ich kurz vor dem letzten steilen Anstieg gestürzt und musste das Rad wechseln", erzählte Lipowitz dort im Ziel von den entscheidenden Szenen. "Das erste Ersatzrad war zu klein, dann bekam ich Finns Rad (Teamkollege Finn Fisher-Black, Anm. d. Red.), und schließlich konnte ich auf mein eigenes Ersatzrad wechseln." Da aber waren Mas und auch Gesamtsieger Almeida bereits zu weit weg.

Nur Pogacar und Vingegaard beim Dauphiné stärker

Nach der "Itzulia" ging es für den deutschen Hoffnungsträger in eine fast zweimonatige Wettkampfpause. Lipowitz absolvierte eine gezielte Vorbereitung auf seinen ausgemachten und auch öffentlich kommunizierten Saisonhöhepunkt: Beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) im Juni sollte er sich mit den Top-Stars Tadej Pogacar (Visma – Lease a Bike), Vingegaard und Evenepoel messen und als Kapitän auf Klassement fahren. Das, so stellte man bei Red Bull klar, sei sein Saisonhöhepunkt. Vom Start bei der Tour de France drei Wochen später sprach man da öffentlich noch nicht – auch um nicht zu viel Druck aufzubauen.

Remco Evenepoel (Bildmitte) konnte Florian Lipowitz (links) bei der Tour-Generalprobe Critérium du Dauphiné nicht folgen. | Foto: Cor Vos

Doch nachdem Lipowitz bei der einwöchigen Rundfahrt in den französischen Alpen hinter Pogacar und Vingegaard Gesamtdritter wurde, war schnell klar: Jetzt musste man den Youngster auch mit zur Tour de France nehmen – zum Lernen an der Seite von Kapitän Primoz Roglic und mit Freiheiten, aber weder als Co-Leader noch als expliziter Helfer, so die Rollenbeschreibung. 'The rest is history':

Lipowitz verlor zwar in der ersten Tour-Woche an den kurzen Anstiegen im Nordwesten Frankreichs einige Sekunden, absolvierte aber in Caen ein sehr starkes Zeitfahren und kam als Gesamtachter in die Pyrenäen. Dort begann dann in Hautacam der 'Lipo-Hype', weil er sich bei der ersten schweren Bergankunft nur Pogacar und Vingegaard geschlagen geben musste. An diesen Kräfteverhältnissen änderte sich bis zum Tour-Ende nichts mehr und so stand Lipowitz in Paris hochverdient auf dem Podium – auch wenn er und seine Fans in Courchevel auf Etappe 18 nochmal etwas zittern mussten.

"Ich hoffe, das kann ich mir ein bisschen bewahren"

"Als es in die letzte Woche ging, habe ich angefangen mir Gedanken übers Podium zu machen. Ich wollte eigentlich nicht zu weit nach vorne schauen, aber die letzten drei, vier Tage wurde es deutlich, dass es klappen kann", blickte Lipowitz nun auf Mallorca nochmal in den Juli zurück und gestand: "Klar war der eine oder andere Fehler dabei – und sicher ist die Etappe zum Col de La Loze diskutabel. Aber am Ende macht es mich als Fahrer vielleicht auch aus, dass ich Dinge probiere, die andere vielleicht nicht sehen. Lieber gestalte ich das Rennen mit, als dass ich den ganzen Tag nur am Hinterrad fahre. Ich hoffe, das kann ich mir ein bisschen bewahren."

Auf dem Weg zum Col de la Loze auf der 18. Tour-Etappe setzte Lipowitz mit einem mutigen Angriff alles auf eine Karte, um eine Etappe zu gewinnen, und hätte dabei beinahe das Podium verzockt – aber eben nur beinahe. | Foto: Cor Vos

Sieben Wochen waren seit dem Start des Critérium du Dauphiné vergangen, als Lipowitz am 27. Juli in Paris auf den Champs-Élysées im Weißen Trikot und als Gesamtdritter gleich zwei Mal das Podium erklomm. Sieben Wochen, in denen er seine Form seit dem eigentlichen Saisonhöhepunkt beeindruckend stark gehalten hatte – oder war vielleicht doch von Anfang an die Tour als Highlight geplant und man hat es nur nach außen anders kommuniziert? Das wollte radsport-news.com von Lipowitz auf Mallorca wissen, und der antwortete:

"Die Tour war grundsätzlich im Gespräch. Die Entscheidung, dass ich sie fahre, kam aber recht kurzfristig. Ich denke, wir haben es ganz gut hinbekommen, die Form zu halten." Tatsächlich sei das Training darauf abgestimmt gewesen, dass beim Dauphiné die Top-Form erreicht wurde. "Weil die Tour aber immer im Hinterkopf war, war die Vorbereitung so, dass die Tour mit eingeplant war", so Lipowitz, der auch noch einen Satz zum Staunen fallen ließ: "Meine Werte waren, wenn ich ehrlich bin, in der Dauphiné besser, als in der Tour."

2026 als Doppelspitze mit Evenepoel zurück zur Tour

Für 2026 nun ist die Frage nach dem Saisonhöhepunkt von vorneherein eindeutig geklärt: Lipowitz wird, wenn alles glatt läuft in der ersten Jahreshälfte, wieder zur Tour de France fahren und soll dort eine Doppelspitze mit Neuzugang Evenepoel bilden. Den Deutschen stattdessen zum Giro d'Italia zu schicken, damit er dort um das Rosa Trikot kämpfen kann, davon hatte man sich bei Red Bull früh verabschiedet.

"Ich bin im Sommer immer gut in Form und am Anfang des Jahres bin ich gesundheitlich oft etwas angeschlagen", gab Lipowitz auf Mallorca nun zu bedenken. Schließlich musste er sich bei seiner ersten Giro-Teilnahme 2024 bereits in der ersten Rundfahrtwoche krank verabschieden. "Deswegen ist die Tour für mich die beste Grand Tour – auch vom Profil her", so der 25-Jährige, der seine Saison erneut Ende Januar auf Mallorca beginnen und im März gemeinsam mit Evenepoel die Katalonien-Rundfahrt sowie Anfang Mai die Tour de Romandie bestreiten wird. Welches Rennen dann im Juni für ihn zur Tour-Generalprobe wird, das steht noch nicht fest.

Florian Lipowitz (links) und Remco Evenepoel (rechts) am Medientag von Red Bull – Bora – hansgrohe auf Mallorca. | Foto: Cor Vos

Sicher scheint dagegen, dass er "dieses Jahr noch etwas mehr Zeit in der Höhe verbringen" werde – und im Windtunnel, wie Red Bull im November bereits eindrucksvoll mit neuen Messmethoden und optischer Darstellung der Windverwirbelungen in einem Video präsentierte. "Beim Zeitfahren kann ich sicher noch das ein oder andere verbessern", so Lipowitz, der im Juli wohl zufrieden sein dürfte, wenn er seinen dritten Platz aus dem Vorjahr bestätigen kann. "Mein Ziel ist es, die Form von diesem Jahr wieder zu erreichen. Es wird von Jahr zu Jahr schwerer, die Leistung noch ein bisschen zu verbessern."

Auch Teamchef Ralph Denk, der sich mit Lipowitz auf eine Vertragsverlängerung über den ohnehin bis Ende 2026 laufenden Kontrakt hinaus verständigt hat, betonte auf Mallorca, dass die Bestätigung des Vorjahresresultats und der Vorjahresleistung überhaupt erstmal geschafft werden müsse.

Auch wenn einige im 'Hypetrain um Lipowitz' sicher schon von noch ganz anderen Sphären wie einem Tour-Sieg träumen, so scheint man direkt um den 25-Jährigen herum realistisch zu bleiben. "Ich bin niemand, der sich sagt: 'Ich will in zehn Jahren die und die Rennen gewonnen haben'", erklärte Lipowitz auf Mallorca. Der Tour-Dritte will in erster Linie einfach Radrennen fahren und bleibt auf dem Boden - wie wir es am 10. Dezember vor der Abfahrt von den Central Studios bei unserer Trophäenübergabe eben auch spüren konnten.

Florian Lipowitz bekommt die Strasacker-Trophäe des RSN-Fahrer des Jahres 2025. | Foto: Sebastian Lindner

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