Britischer Verband besonders unter Beschuss

Varnish, Pendleton und Cooke prangern an: Sexismus im Radsport

Von Felix Mattis

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Jessica Varnish | Foto: Cor Vos

27.04.2016  |  (rsn) - Die britische Bahn-Sprinterin Jessica Varnish hat nach ihrer Ausbootung aus dem Förderkader des Britischen Radsportverbandes dessen Technischen Direktor Shane Sutton sexistischer Äußerungen bezichtigt und dabei Rückendeckung von den Olympiasiegerinnen Victoria Pendleton und Nicole Cooke bekommen. Durch die Äußerungen der drei Fahrerinnen kocht in Großbritannien nun eine Sexismus-Debatte um den Radsport-Verband hoch, die längst überfällig gewesen zu sein scheint - allerdings nicht nur auf rein britischer Ebene.

Vor allem Cookes Erläuterungen, die sie im Guardian tätigte, sich großteils aber auch in ihrem Buch "The Breakaway" detailliert nachlesen lassen, weisen auf viele weitere Missstände im Weltradsport hin, die weit über die oft thematisierten stark auseinander klaffenden Gehälter und Preisgelder zwischen Männer- und Frauenradsport hinausgehen.

So beschwerte sich Cooke vor den Olympischen Spielen 2012 in London darüber, dass es ein Testrennen auf dem Olympiakurs nur für Männer gab und ihr als Titelverteidigerin lediglich angeboten wurde, im Teamwagen mitzufahren, um sich die Strecke anschauen zu können. Vier Jahre später hat sich daran nichts geändert: Auch das letztjährige Test-Event für Rio war eine reine Männer-Veranstaltung.

Ein weiteres Thema, das Cooke nun auf die Agenda brachte ist die Nutzung der Startplätze der Nationalverbände bei großen Titelkämpfen. Viele Länder verzichten freiwillig auf Startplätze in Frauen- oder Juniorinnen-Rennen, um Geld zu sparen, während die Männer-Teams stets voll besetzt zu den Wettkämpfen geschickt werden - nur eines vieler Beispiele: Das im Männer-Bereich florierende Norwegen setzte 2014 bei der Straßen-WM in Ponferrada keine einzige Juniorin ein. Eine Förderung weiblicher Talente und des Frauen-Radsports an sich sieht anders aus.

Und auch bei den Briten war es vor nicht allzu langer Zeit ähnlich. "Als ich 2008 Olympia-Gold in Peking auf der Straße gewann, kam im Männer-Rennen am Tag zuvor kein einziger der vier Starter des britischen Teams ins Ziel. 2006 schickte mich Wales als Einzelkämpferin zu den Commonwealth Games, um meinen Titel zu verteidigen, während im Männer-Rennen sechs Fahrer aufgeboten wurden, von denen keiner das Ziel sah", so Cooke.

Nun wurde Varnish, die immerhin 2012 bei den Olympischen Spielen in London gemeinsam mit Victoria Pendleton in der Qualifikation einen Weltrekord im Teamsprint aufgestellt hatte, eine Verlängerung ihres Vertrags für den Förderkader verweigert - im Alter von 25 Jahren und als WM-Fünfte.

"Das Team-Management sagte Varnish, ihre Leistung sei nicht gut genug um eine Medaille zu gewinnen und die öffentlichen Gelder sollten nicht dahingehend investiert werden, ihr einen Urlaub zu ermöglichen. Komischerweise scheinen die Männer an der Macht es so nie zu sehen, wenn es ums Männer-Team geht", so Cooke.

Sutton hatte zuvor erklärt: "Die Entwicklung (bei Varnish, d. Red.) geht abwärts und nicht aufwärts. Es macht also keinen Sinn, weiterzumachen und UK Sport's Geld für jemand zu verschwenden, der in Zukunft keine Medaille holen wird." Varnish war gemeinsam mit Katy Marchant bei der Heim-WM in London Fünfte im Teamsprint geworden und hatte so die Olympia-Qualifikation verpasst, weil die britischen Teamsprinterinnen während der Saison nicht genug Qualifikationspunkte gesammelt hatten.

Doch die 25-Jährige machte die Planungen des Verbandes für das Verpassen der Qualifikation verantwortlich. "Es gab keinen richtigen Plan. Wir sind gar nicht gegen die ganze Welt gefahren, sondern Andere, die nicht mal zum Kader gehörten, sollten für das A-Team um Qualifikationspunkte kämpfen", sagte sie der Daily Mail über den Bahn-Winter.

Für noch mehr Wirbel als die rein sportlichen Dinge sorgten aber andere Offenbarungen der 25-Jährigen. Sie habe "eine Liste, so lang wie mein Arm, von Kommentaren, die ich über meine Figur zu hören bekam", so Varnish. "Nach 2012 wurde mir gesagt, mit einem Arsch wie meinem könnte ich im Teamsprint nicht die Position wechseln. Verstehen Sie mich nicht falsch, die Jungs haben es auch nicht leicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er (Sutton, d. Red.) etwas zu einem der Männer über dessen Körperform sagt oder ihnen rät, dass sie jetzt ein Kind zeugen sollten."

Das nämlich habe Sutton zu Varnish gesagt, als sie ihn unlängst nach ihrer Ausbootung am Velodrom in Manchester getroffen habe: "Shane sagte, dass ich weiterziehen und ein Baby bekommen sollte."

British Cycling verlautbarte angesichts der Aussagen von Varnish, dass ihre Ausbootung einzig sportlich begründet sei und sich die Athletin zuvor nie etwas über sexistische Äußerungen beschwert habe. Doch Varnish bekam nicht nur von Cooke Rückendeckung, sondern auch von ihrer ehemaligen Teamsprint-Partnerin Pendleton.

"Ich habe zuvor nie etwas gesagt. Aber ich muss es jetzt tun. Ich käme mit mir selbst nicht klar, wenn ich mich jetzt zurücklehnen und Leute Jess's Charakter diskreditieren lassen würde. Nicht, wenn ich ihr mit ganzem Herzen glaube. Meine Erfahrungen bei British Cycling waren sehr ähnlich", sagte Pendleton dem Telegraph.

"Ich hatte nie das Gefühl, denselben Respekt zu bekommen wie meine männlichen Teamkollegen. Meine Meinung war weniger wert. Man muss sich schon fragen, warum da keine einzige Frau in einer führenden Position ist. Wenn es bei den Sportlern 50:50 ist, warum dann nicht bei den Angestellten?" Über Varnish sage Pendleton: "Ich kenne sie seit Jahren, und sie ist keinesfalls eine Lügnerin. Ich denke, wahrscheinlich hat sie eher ihre Ehrlichkeit in Schwierigkeiten gebracht."

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