Zepuntkes Kalifornien-Tagebuch / 3. Etappe

Ein teuflisch guter Tag im Backofen

Von Ruben Zepuntke

Foto zu dem Text "Ein teuflisch guter Tag im Backofen"
Ruben Zepuntke (li.) in der Gruppe des Tages | Foto: Cor Vos

14.05.2014  |  (rsn) - Heute hieß es Augen zu und durch. Gestern Nacht hatte ich nach all dem ganzen Stress zum Glück mal wieder gut schlafen können. So begaben wir uns nach den üblichen Ritualen - Pastafrühstück etc. - nach San José, wo das Thermometer schon morgens um 10:30 Uhr stolze 34 Grad anzeigte.

Da ich mich schon früh am Start positioniert hatte, fuhr ich in der Neutralisation ganz vorne. Denn meine Taktik oder Aufgabe war es, in die Spitzengruppe zu gehen. Beim Kilometer 0 fuhr ich wegen des ganzen Gedrängels auf der rechten Seite. Und da niemand attackierte, dachte ich mir, wieso mal nicht versuchen?! Ich steckte die ganze Wut der letzten Tage in meine Beine und zog los.

Nach 20 Sekunden drehte ich mich um und erblickte meine sieben Mitstreiter für heute. Ich hatte also mal Glück und fuhr in der Fluchtgruppe des Tages. Wobei: So richtiges Glück war es dann auch nicht... Denn schon nach vier Kilometern erreichten wir den ersten Berg - und der war fast 30 Kilometer lang. Da wir noch nicht so richtig einen Vorsprung aufgebaut hatten, fuhren wir sehr schnell in den Anstieg rein - und da stellte es mich schon am Anfang so richtig auf. Doch ich konnte mich bis oben durchquälen und in der Gruppe bleiben.

Nach einer längeren Abfahrt kamen wir dann in ein größeres Tal zwischen zwei Bergketten. Dabei spürte ich, dass es immer wärmer wurde: Die Temperatur stieg auf gute 37 Grad. Und je tiefer wir kamen desto heißer wurde es. Die Temperaturspitze lag heute bei 43 Grad!!!

Um die Folgen irgendwie korrigieren zu können, verbrauchte ich Trinkflasche um Trinkflasche und Eisbeutel um Eisbeutel. So was habe ich noch nie mitgemacht, irgendwann fingen mir dann auch die Füße an weh zu tun. Durch die Hitze verloren wir auch einen Mitstreiter. Zu siebt quälten wir uns von Meter zu Meter durch den ,,Californian oven".

Was mich allerdings mehr ärgerte, war, dass wir die ganze Zeit den Berg sehen konnten, den wir am Ende noch rauf mussten. Der Name Mount Diablo passte dabei zu diesem Tag. Zumindest hatten wir ein Ziel vor Augen, auf das man hin arbeiten konnte - zumal ich inzwischen sogar schon virtuell das Gelbe Trikot trug, da ich bestplatzierter Fahrer der Gruppe war.

Dann ging es in den Schlussanstieg hinein: 17 Kilometer, Trikot auf, Brille in den Helm. Ich konnte mich dann noch gut drei Kilometer in der Spitzengruppe halten, bevor ich die Mitstreiter ziehen lassen musste. Die nämlich fingen an zu attackieren, was für mich einfach dann zu schnell und ,,heiß" wurde. Ich versuchte, einen guten Rhythmus zu finden, um meinen nachfolgenden Teamkollegen noch helfen zu können.

Inzwischen nahm ich jede Trinkflasche an, die mir angeboten wurde. Nach mehrmaligem Umdrehen sah ich schließlich das heranjagende Peloton, oder was davon übrig geblieben war. Dann passierte mich eine gut 40 Mann große Gruppe, in der nur noch ein Bissell-Fahrer dabei war: Clement Chervier, unser zweiter Mann für das Klassement. Mit unserer Nummer eins, James Oram, musste also was passiert sein. So bot ich Clement noch meine Trinkflasche an.

Einen guten Rhythmus in den Beinen, ging es für mich weiter hoch, das Ziel immer im Blick. Irgendwann wurde mir auch klar, warum dieser Anstieg Mount Diablo heißt, denn er wird bis zum Ziel immer steiler - das ist wirklich teuflisch. Aber ich kam irgendwie da hoch, weil mich die Menschenmenge quasi hochzog.

Dann kamen die Schilder ,,500 meters", ,,300 meters", und die letzten 200 Meter ging es im Schnitt 16 Prozent den Berg hoch. Dabei wäre ich tatsächlich fast abgestiegen. Am Ende kam ich doch ins Ziel, wenn auch zwölf Minuten hinter dem Sieger Rohan Dennis.

Dann hieß es schnell umziehen, ins Auto steigen und zum Hotel (zweistündiger Transfer). Im Hotel angekommen erfuhr ich, dass mein Teamkollege Ryan Eastman sich das Schlüsselbein gebrochen hat und dass James Oram noch im Krankenhaus war. Das war ein diabolischer Tag für unser Team, für mich war es aber dennoch ein guter, trotz allen Schweißes.

Heute sind wir auf Initiative des Veranstalters übrigens im Gedenken an Menschen gefahren, die an Krebs gestorben sind. So sollte jeder Fahrer den Namen ,,seiner Person" auf seine Nummer schreiben.

Morgen fahren wir zum Glück an der Küste entlang. Da sollte es erträglicher sein. Und noch vielen Dank an meine Supporter zuhause.

Grüße aus dem viel zu warmen Kalifornien
Euer Ruben

Ruben Zepuntke fährt seit dieser Saison für das US-Continental Team Bissell, nachdem er die beiden Jahre zuvor an der Seite von Rick Zabel beim Rabobank Development Team unter Vertrag stand. Auf radsport-news.com führt der 21-Jährige Tagebuch von der Kalifornien-Rundfahrt.

Mehr Informationen zu diesem Thema

19.05.2014Bei der Aufholjagd auf Hushovds Erfahrung verlassen

(rsn) - Der letzte Tag bei der Amgen Tour of California hat für uns sehr früh begonnen. Mein Wecker schellte um 6:25 Uhr, danach folgte das Frühstück, ehe wir zum Rennen aufbrachen. Der Start

18.05.2014Das erste Mal so richtig in den Sprint gewagt

(rsn) - Zum Glück war es nicht mehr so warm wie die letzten Tage. So freute ich mich auf die Etappe von Santa Clarita nach Pasadena, zumal ich wie gestern wieder gute Beine hatte. Unsere Taktik war

17.05.2014Mit zwei Eisbeuteln bewaffnet den Berg hochgekrochen

Heute war es mal wieder zur Abwechslung warm. 42 Grad Celsius im Schnitt. Das Rennen startete in Santa Clarita und führte zum Mount High. Unsere Taktik war es die Spitzengruppe zu besetzen, um dann i

16.05.2014Ein ,,richtig netter Tag" bei 47 Grad

(rsn) - 47 Grad maximale Temperatur, und mein Garmin zeigte mir keine Temperaturen unter 40 Grad an - dass sagt schon alles über den heutigen Tag aus. Diesen Temperaturen sollte sich niemand auss

15.05.2014Papa hatte Recht!

(rsn) - Die heutige Etappe führte von Monterey nach Cambria über den bekannten Highway 1. Den ganzen Tag am Pazifik entlang und zum Glück war es dann auch kühler. Eines stand deshalb schon mal fes

13.05.2014Enttäuscht und schlecht gelaunt den Zielstrich überquert

(rsn) - Die Nacht von Sonntag auf Montag habe ich trotz meiner Sturzverletzungen einigermaßen gut überstanden. Die Wunden wurden gut versorgt und meine Motivation für das Zeitfahren war sehr gut.

12.05.2014Ich war der Wellenbrecher!

(rsn) - Heute stand die 1. Etappe der Amgen Tour of California auf dem Programm. Sacramento war zugleich Start- und Zielort. Da die Stadt zwischen zwei Bergketten liegt, wussten wir schon vorher, da

11.05.2014Im Teamhotel kam ich mir wie ein Schülerfahrer vor

(rsn) - Nach zwei Jahren im niederländischen Rennstall Rabobank Development habe ich den großen Sprung über den Teich gewagt, um dort dem Development Programm von Bissell beizutreten. Dies war für

Weitere Radsportnachrichten

11.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

11.05.2024Highlight-Video der 8. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Die 8. Etappe des 107. Giro d´Italia hätte eine für kletterstarke Ausreißer sein können. Entsprechend groß war der Kampf um die Plätze in der Spitzengruppe zu Beginn und entsprechend

11.05.2024Geschke und Steinhauser beeindrucken in glückloser Gruppe

(rsn) – Zwei Deutsche haben die 8. Etappe des Giro d´Italia quer durchs Apennin in Richtung Bergankunft in Prati di Tivo maßgeblich mitgeprägt: Simon Geschke (Cofidis) und Georg Steinhauser (EF E

11.05.2024Flachetappe in die Hauptstadt der Pizza-Liebhaber

(rsn / ProCycling) – Die Verbindung der Rennorganisatoren RCS mit Neapel scheint in den letzten Jahren besonders eng geworden zu sein. Zum dritten Mal in Folge schlägt der rosa Zirkus seine Zelte i

11.05.2024Teamkollegen überredeten Pogacar, im Apennin auf Sieg zu fahren

(rsn) - Normalerweise sagt im Radsport der Kapitän, wann und wie er auf Sieg fahren will. Das ist sicher auch bei Tadej Pogacar und seinem UAE Team Emirates so. Mit dem Unterschied, dass die Mannscha

11.05.2024Sturz in Spitzengruppe raubte Santic - Wibatech die Siegchance

(rsn) - Bei der Silesian Classic (1.2), einem neuen UCI-Eintagesrennen in Polen, hätte sich das deutsche Team Santic - Wibatech beinahe den Premierensieg gesichert. Nach 160 Kilometern fuhren die be

11.05.2024Fleche du Sud: Rüegg auf Podiumskurs, Rapp und Peter lauern

(rsn) - Das 18,6 Kilometer lange Einzelzeitfahren am Vorschlusstag des Fleche du Sud (2.2) hat nur wenig Veränderungen im Gesamtklassement gebracht. So geht weiterhin der Niederländer Pim Ronhaar (

11.05.2024Martinez hatte den Sieg vor Augen, bis Pogacar antrat

(rsn) – Mit dem Tagessieg bei der Apennin-Bergankunft in Prati di Tivo hat es für Bora – hansgrohe auf der 8. Etappe des Giro d´Italia nicht geklappt. Überflieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirat

11.05.2024Thomas “überrascht, dass andere abgehängt wurden“

(rsn) – Zwei Minuten Zeitverlust auf Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) im Einzelzeitfahren am Freitag: Die Aussichten für Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) vor der zweiten Bergankunft des 107. Giro

11.05.2024Großschartner: “Der Etappensieg war eigentlich nicht unser Ziel“

(rsn) – Das Finale der 8. Etappe des Giro d’Italia (2.UWT) ging Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) eher gemächlich an. Statt einer frühen Attacke verließ sich der Slowene auf seine SprintqualitÃ

11.05.2024Pogacar holt Etappensieg Nr. 3, diesmal im Sprint am Berg

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat einen Tag nach seinem zweiten Etappensieg beim 107. Giro d’Italia gleich den dritten nachgelegt. Auf der 8. Etappe von Spoleto zur Bergankunft von Pra

11.05.2024Nys lässt Hirschi und Co. im Bergaufsprint keine Chance

(rsn) – Thibau Nys (Lidl – Trek) hat bei der Ungarn-Rundfahrt seinen zweiten Etappensieg in Folge gefeiert. 24 Stunden nachdem der 21-jährige Belgier an der Bergankunft von Gyöngyös-Kékestö d

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)