Belgier feiert ersten Tour-Etappensieg

Philipsen lässt bei 40 Grad in Carcassonne den Knoten platzen

Foto zu dem Text "Philipsen lässt bei 40 Grad in Carcassonne den Knoten platzen"
Jasper Philipsen (Alpecin - Deceuninck, re.) hat die 15. Etappe der 109. Tour de France gewonnen. | Foto: Cor Vos

17.07.2022  |  (rsn) – Nachdem Mark Cavendish 2021 in Carcassonne den 34. Tour-Etappensieg seiner Karriere gefeiert hatte, triumphierte bei der 109. Auflage mit Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) in der okzitanischen Festungsstadt ein weiterer schneller Mann. Der 24-jährige Belgier setzte sich auf der 15. Etappe nach 202,5 Kilometern im Sprint knapp vor seinem Landsmann Wout Van Aert (Jumbo – Visma) und dem Dänen Mads Pedersen (Trek – Segafredo) durch.

“Einfach unglaublich, ich wusste bisher nur, wie es sich anfühlt, bei der Tour zu verlieren. Ich war schon so oft nahe dran am Sieg. Dass es heute endlich geklappt hat, das ist unfassbar“, freute sich Philipsen. Nachdem er schon dreimal bei der Vuelta erfolgreich war, schaffte der Alpecin-Sprinter nun auch seinen ersten Tour-Tagessieg. “Ich habe gespürt, dass Wout von hinten kam. Ich kannte das Finale noch vom letzten Jahr und wusste, dass ich vor der letzten Kurve noch ein paar Positionen gutmachen musste, denn von da war es dann nicht mehr weit bis ins Ziel“, schilderte Philipsen die letzten Meter, auf denen er sich clever nach der letzten Kurve an das Hinterrad von Pedersen klemmte und aus dessen Windschatten in Richtung Linie sprintete. “Wir mussten jetzt lange auf den Sieg warten, wir haben aber immer daran geglaubt“, strahlte Philipsen und vergoss beim ersten Interview ein paar Tränen.

Erst 500 Meter vor dem Ziel wurde mit Benjamin Thomas (Cofidis) der letzte Ausreißer eingeholt. Dann eröffneten die schnellen Männer ihren Spurt. Der Slowake Peter Sagan (TotalEnergies) landete auf dem vierten Rang vor dem Niederländer Danny Van Poppel (Bora – hansgrohe) und dessen Landsmann Dylan Groenewegen (BikeExchange). Der Niederländer war an der letzten Bergwertung zurückgefallen, kam aber mit Hilfe seiner Teamkollegen wieder zurück in das Hauptfeld, was anderen Sprintern wie Caleb Ewan (Lotto Soudal) oder Fabio Jakobsen (Quick-Step – Alpha Vinyl) nicht mehr gelang.

Einen Schreckmoment erlebte Tourleader Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), der einen Sturz allerdings glimpflich überstand, ganz im Gegensatz zu seinem Berghelfer Steven Kruijswijk, der die Tour nach einer Schulterverletzung frühzeitig verlassen musste. Schon vor dem Start hatte Primoz Roglic das Handtuch geworfen. Innerhalb von weniger Stunden lichtete sich so das Helferteam des Dänen um gleich zwei Fahrer. 

An der Spitze der Gesamtwertung brachte die 15. Etappe keine Veränderungen. Vingegaard geht mit einem Polster von 2:22 Minuten auf Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) in den letzten Ruhetag. 2:43 Minuten dahinter liegt Geraint Thomas (Ineos Grenadiers. 378 Zähler hat Van Aert in der Sonderwertung des Grünen Trikots bereits gesammelt, liegt damit 196 Punkte vor seinem ersten Verfolger Pogacar, der die Nachwuchswertung anführt. In der Bergwertung führt weiterhin Simon Geschke (Cofidis).

So lief das Rennen:

Nach dem überraschenden Ausstieg von Primoz Roglic (Jumbo – Visma), der wegen der Folgen seines Sturzes von der 5. Etappe in Rodez nicht mehr zur 15. Etappe antreten konnte, mussten auch die beiden Etappengewinner Simon Clarke (Israel – Premier Tech) und Magnus Cort (EF Education – EasyPost) nach positiven Coronatests die Tour verlassen. Deshalb nahmen am Mittag bei wieder großer Hitze nur noch 154 Profis das Rennen in Angriff.

Aufgrund der extremen Witterungsbedingungen mit Spitzentemperaturen von bis zu 40 Grad setzte die Jury das sogenannte “Extremwetter-Protokoll“ in Kraft und erlaubte unter anderem Verpflegung vom Start bis zehn Kilometer vor dem Ziel. Nachdem auf den ersten Kilometern eher halbherzige Attacken erfolgten, trat Nils Politt (Bora – hansgrohe) als erster entschlossen an und erhielt Begleitung von Van Aert und Mikkel Honoré (Quick-Step Alpha Vinyl), der sich anfangs allerdings nicht an der Tempoarbeit beteiligte.

Dennoch erhielt das Trio schnell fast zwei Minuten Vorsprung, ehe doch noch zahlreiche Konterattacken folgten, in deren Folge das Feld kurzzeitig in mehrere Gruppen zerfiel. Nach rund 40 Kilometern ließ sich Van Aert ins Feld zurückfallen, in dem BikeExchange – Jayco für das Tempo sorgte. Dennoch stieg der Vorsprung der mittlerweile nur noch zwei Ausreißer bis zur Côte d'Ambialet (3. Kat.) auf gut drei Minuten an.

BikeExchange erhält Unterstützung von Alpecin und Trek

Den ersten der beiden Bergpreise holte sich nach knapp 70 Kilometern kampflos Politt, ehe im Feld sich auch Alpecin – Deceuninck und Trek – Segafredo an der Verfolgungsarbeit beteiligten. Dagegen hielt sich Quick-Step Alpha Vinyl zurück – nicht nur, weil Honoré an der Spitze unterwegs war, sondern auch, weil Jakobsens Anfahrer Michael Morkov schon früh zurückgefallen war und zur Rennhälfte bereits 25 Minuten Rückstand auf das Feld aufwies und schließlich aus dem Zeitlimit fiel.

In der Folge hielt das Feld den Abstand zum Ausreißerduo unter zwei Minuten. Zehn Kilometer vor dem Zwischensprint in Saint-Ferréol, den sich Honoré sicherte, büßte Vingegaard mit Kruijswijk seinen zweiten Berghelfer ein. Der Niederländer zog sich bei einem Sturz im Feld offensichtlich eine schwere Schulterverletzung zu, die eine Weiterfahrt unmöglich machte.

58 Kilometer vor dem Ziel erwischte es dann das Gelbe Trikot. An vorderer Position im Feld fahrend, ging Vingegaard zu Boden und riss seinen Helfer Tiesj Benoot mit sich. Nach einer kurzen Aufholjagd kam der Jumbo-Kapitän noch vor der Steigung zur Côte des Cammazes zurück ins Feld, aus dem heraus sich sein Teamkollege Van Aert an der Sprintwertung noch 15 Zähler für Rang drei sicherte.

Trek lässt Rutsch nicht ziehen und wird Sprint- Konkurrenten los

Kurz darauf fing das Feld noch im unteren Teil des knapp sechs Kilometer langen Anstiegs Honoré und Politt, der später zum Kämpferischsten Fahrer des Tages gewäht wurde, wieder ein. Den Zusammenschluss nutzte Jonas Rutsch (EF Education – EasyPost) zu einem Konter, doch Trek-Segafredo ließ den Wiesbadener nicht ziehen und erhöhten das Tempo, so dass Sprinterkonkurrenten wie Jakobsen, Ewan und Groenewegen aus dem kleiner werdenden Feld herausfielen. Dagegen ließen sich Philipsen, van Poppel und Sagan nicht abschütteln.

Pedersens Teamkollege Quinn Simmons führte das Feld zur Bergwertung 48 Kilometer vor dem Ziel, doch die beiden Punkte sicherte sich Geschkes Teamkollege Thomas. Danach zog der Franzose gemeinsam mit seinem Landsmann Alexis Gougeard (B&B Hotels) weiter durch und fuhr sich einen Vorsprung von mehr als 30 Sekunden heraus.

Eine gute Minute hinter dem Feld, in dem Trek Unterstützung von DSM erhalten hatte, versuchten Groenewegens Helfer, ihren Kapitän wieder ins Feld zurückzubringen, was 25 Kilometer vor dem Ziel auch gelang. Auf den letzten 20 Kilometern spannte sich zunächst Ineos Grenadiers vor das Feld, in dem dann aber wieder das Tempo verschleppt wurde, so dass der Rückstand gegenüber den Ausreißern um 15 auf wieder 30 Sekunden anstieg.

Philipsen wählt die Innenbahn und fängt Van Aert noch ab

Auf den letzten acht Kilometern setzten sich dann wieder Ineos und Jumbo – Visma an die Spitze des Feldes, das vier Kilometer vor dem Ziel zunächst Gougeard wieder stellte und auf den letzten 500 Meter dann auch den zäh sich wehrenden Thomas.

Als Jasper Stuyven seinen Kapitän Pedersen an der Spitze in die letzte Kurve des Tages hineinführte, wählte der an fünfter Position hinter Sagan fahrende Philipsen hier den Weg direkt an der Bande entlang und machte so zwei Plätze gut. Auf der linken Seite zog er dann mit der höchsten Endgeschwindigkeit auf gleiche Höhe mit Van Aert und setzte sich mit Tigersprung vor dem Grünen Trikot durch. Dahinter folgten Pedersen sowie mit Abstand Sagan und van Poppel, der nach Rang vier in Nyborg ein weiteres Top-5-Ergebnis bei dieser Tour verbuchen konnte.

Results powered by FirstCycling.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.07.2023Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg

(rsn) – Es hat nicht viel gefehlt, um das Märchen perfekt zu machen. Am 7. Juli 2007 gab Mark Cavendish, damals noch im Trikot von T-Mobile, sein Debüt der Tour de France. Den Prolog in London bee

12.06.2023Van Aert kritisiert Netflix-Serie: “Zielt auf Aufreger ab“

(rsn) – Am vergangenen Donnerstag ist die von vielen Fans lange erwartete Netflix-Serie ´Tour de France: Unchained´ veröffentlicht worden, die hinter die Kulissen der Frankreich-Rundfahrt 2022 bl

02.03.2023Trailer zur Netflix-Serie über die Tour de France veröffentlicht

(rsn) – Den Titel, “Tour de France: Unchained“, hatte Netflix bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Jetzt folgte auch der erste Trailer zu der Doku-Serie, die aus acht Teilen bestehen und v

16.12.2022Sagan hat van Aert noch nicht vergeben

(rsn) – In einem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung Gazzetto dello Sport hat Peter Sagan (TotalEnergies) deutlich gemacht, dass er Wout van Aert (Jumbo – Visma) noch nicht für dessen ve

23.11.2022Aktivisten der “Letzten Generation“ bekommen 500-Euro-Strafe

(rsn) – Dreimal kam das Peloton bei der Tour de France 2022 aufgrund von Protesten durch Klima-Aktivisten und Klima-Aktivistinnen kurz zum Stillstand: Zunächst auf der 10. Etappe auf dem Weg nach M

17.11.2022Pogacar: “Evenepoel ist vielleicht sogar stärker als ich“

(rsn) – Mit nicht weniger als 16 Siegen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch im Jahr 2022 eine der dominierenden Figuren des Radsports. Der 24-jährige Slowene gewann bedeutende Eintagesrennen

03.11.2022CAS bestätigt Quintanas Tour-Disqualifikation

(rsn) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Entscheidung des  Radsportweltverbands UCI bestätigt, der Nairo Quintana (Arkea – Samsic) nachträglich von der Tour de France 2022 disquali

29.08.2022Geschke: “Jedes Bergtrikot am Straßenrand motivierte mich“

(rsn) - Ganz allein erreichte Simon Geschke, der Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, das Ziel der finalen 4. Etappe in Stuttgart. Der Freiburger kam 7:07 Minuten nach Tagessieger Pello Bilbao (

13.08.2022Von Corona genesen: Froome und Woods starten bei Vuelta

(rsn) – Sowohl Chris Froome als auch Teamkollege Michael Woods haben sich von ihrer Corona-Infektion erholt, die sie sich bei der Tour de France zugezogen hatten. Die beiden Fahrer von Israel - Prem

05.08.2022Zwei Wochen vor Vuelta-Start: Roglic trainiert wieder

(rsn) – Zwei Wochen vor dem Start der Vuelta a Espana hat Primoz Roglic wieder das Straßentraining aufgenommen. Der dreimalige Gesamtsieger der Spanien-Rundfahrt war auf der 5. Etappe der Tour de

31.07.2022Van Vleuten auf völlig anderem Level - wie geht das?

(rsn) – Der Solo-Coup von Annemiek van Vleuten (Movistar) auf der Königsetappe der Tour de France der Frauen hat bei den Beobachtern einmal mehr für große Augen und offene Münder gesorgt. Die 3

31.07.2022Von einem “toten Fisch“ und völlig leergefahrenen Körpern

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen hat für riesige Abstände unter den Protagonistinnen gesorgt. Annemiek van Vleuten (Movistar) scheint ihren Gesamtsieg schon vorzeitig perfek

Weitere Radsportnachrichten

03.05.2024Muzic schlägt Vollering! Erst festgebissen, dann abgesprintet

(rsn) – Évita Muzic (FDJ – Suez) hat an der Laguna Negra in 1.715 Metern Höhe die 6. Etappe der Vuelta Espana Femenina gewonnen. Die 24-jährige Französin setzte sich am Ende der 6,5 Kilometer

03.05.2024Blackmore nimmt bei Israel - Premier Tech Zabels Platz ein

(rsn) – Nach dem Karriereende von Rick Zabel wird Joseph Blackmore den frei werdenden Platz des Deutschen bei Israel – Premier Tech einnehmen. Wie der Zweitdivisionär meldete, wechselt der 21-jÃ

03.05.2024Was Selbstvertrauen alles ausmachen kann

(rsn) - Servus liebe Leserinnen und Leser, nach gut zwei Monaten voller Wettkämpfe melde ich mich mal wieder. Es ist viel passiert, worüber ich gerne berichten würde. Bereits zum zweiten Mal in d

03.05.2024Bénin: Lührs verpasst um Millimeter seinen ersten Saisonsieg

(rsn) – Auf der 4. Etappe der Tour du Bénin (2.2) hat das Team Bike Aid erneut einen Tagessieg knapp verpasst, konnte sich aber zumindest über die Verteidigung des Gelben Trikots von Yoel Habteab

03.05.2024Niewiadoma und Realini bei Vuelta Femenina ausgestiegen

(rsn) - Ohne zwei der Favoritinnen ist am Mittag die 6. Etappe der Vuelta Femenina gestartet worden. Wie ihr Team Canyon – SRAM auf X meldete, habe man beschlossen, dass Kasia Niewiadoma aus gesundh

03.05.2024Geschke von 2500 Metern in Freiburg zum Giro d´Italia

(rsn) – Vor dem letzten Giro d’Italia seiner Karriere strahlt Simon Geschke viel Optimismus aus. “Meine Form ist sehr gut, ich konnte mich so gut wie noch nie auf einen Giro vorbereiten“, sagt

03.05.2024Giro-Favorit Pogacar hält Fixierung auf seine Person für “Bullshit“

(rsn) – Am Samstag beginnt der 107. Giro d’Italia – mit Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) als haushohem Favoriten, der in der öffentlichen Wahrnehmung alle seine Konkurrenten in den Schatten st

03.05.2024HLN: Van Aert kehrt Ende Mai ins Feld zurück

(rsn) – Wout van Aert (Visma - Lease a Bike) nimmt nach seinem schweren Sturz Ende März bei Dwars Door Vlaanderen sein Comeback ins Visier. Wie die Zeitung Het Laatste Nieuws schreibt, plant der B

03.05.2024Für Koch und Sütterlin heißt es: buckeln, buckeln, buckeln

(rsn) – Jonas Koch (Bora – hansgrohe) und Jasha Sütterlin (Bahrain Victorious) sind Helfer, wie sie sich jedes Teams wünscht. Beide erfüllen ohne viel Aufhebens auf fast jedem Terrain zuverlä

03.05.2024Merlier und Kooij führen die Riege der schnellen Männer an

(rsn) – Beim 107. Giro d’Italia wird es für die Sprinter kein gemütliches Einrollen geben. Am Samstag beginnt die erste Grand Tour des Jahres in Venaria Reale nördlich von Turin mit einer schwe

03.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

02.05.2024Offiziell bestätigt: Red Bull wird zur Tour als Titelsponsor sichtbar

(rsn) – Das deutsche WorldTeam Bora – hansgrohe wird ab der kommenden Tour de France (29. Juni - 21. Juli) als Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs sein. Das gab Manager Ralph Denk am Donners

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine