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15.05.2022 | (rsn) – Jai Hindley hat Bora – hansgrohe auf der 9. Etappe den zweiten Tagessieg bei diesem Giro d’Italia beschert. Der 26-jährige Australier war nach 191 Kilometern bei der Bergankunft am Blockhaus der schnellste Fahrer einer sechsköpfigen Spitzengruppe und setzte sich knapp vor Romain Bardet (DSM) und Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) durch.
Mit 16 Sekunden Rückstand wurde Hindleys Teamkollege Emanuel Buchmann nach einer beeindruckenden Vorstellung Siebter. Mikel Landa (Bahrain Victorious), Joao Almeida (UAE Emirates) und Domenico Pozzovivo (Intermarché – Wanty – Gobert) belegten in dieser Reihenfolge die Plätze vier bis sechs. Juan Pedro Lopez (Trek – Segafredo) verteidigte das Rosa Trikot nach großem Kampf als Fünfzehnter knapp vor Almeida.
Mehrere hoch gehandelte Namen wie der angeschlagene Simon Yates (BikeExchange – Jayco), Wilco Kelderman (Bora – hansgrohe), Ivan Ramiro Sosa (Movistar) oder Giulio Ciccone (Trek – Segafredo) büßten am rund 14 Kilometer langen Schlussanstieg teilweise viele Minuten ein.
Für Hindley kam der Sieg überraschend. Der Bora-Neuzugang musste im Schlussanstieg mehrmals Landa, Bardet und Carapaz wegfahren lassen und galt nicht unbedingt als der beste Sprinter des Sextetts. "Ich hätte nicht damit gerechnet, ich war den ganzen Berg am Anschlag, habe versucht, so gut es geht zu überleben“, erzählte er im Ziel-Interview.
Hindley mit cleverem Finale zum Etappensieg
Doch mit taktischen Geschick und starken Beinen fuhr Hindley dann zu seinem zweiten Etappensieg bei einer Italien-Rundfahrt, nachdem er 2020 am Laghi di Cancano jubeln konnte. “Auf dem letzten Kilometer lief alles zusammen und ich wusste von der Rechtskurve vor dem Ziel. Ich bin da als Erster durch und habe alles gegeben bis zur Ziellinie. Der Sieg ist unglaublich“, freute sich der Giro-Zweite von 2020.
Freud und Leid lagen bei Bora – hansgrohe allerdings nah beieinander. Neben dem Tagessieg und der starken Leistung von Buchmann verabschiedete sich Kelderman mit 10:53 Minuten Rückstand frühzeitig aus dem Kampf um das Klassement. Lennard Kämna kämpfte lange um das Rosa Trikot, doch als er merkte, dass er Lopez nicht abschütteln konnte, ließ der Bremer sich auf den letzten Kilometern zurückfallen. Er kam schließlich mit 4:34 Minuten Rückstand ins Ziel.
Den stärksten Eindruck hinterließen am Schlussanstieg Bardet, Landa und Carapaz, die sich mehrfach absetzten, dann aber nicht voll durchzogen. “Die Zusammenarbeit unter uns drei war nicht da, das lag aber auch daran, dass jeder am Limit war. Ich bin enttäuscht“, so Bardet.
Carapaz kann Vorarbeit seines Teams nicht krönen
Ineos Grenadiers hatte zuvor lange das Tempo bestimmt, um Carapaz den Etappensieg zu ermöglichen. "Das Gefühl ist gut. Die erste Woche des Giro ist immer wichtig, aber es ist noch einiges was vor uns liegt. Wir haben mit dem Team das Rennen hart gemacht, das war gut. Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du, so ist der Radsport. Aber insgesamt können wir zufrieden sein“, urteilte der Olympiasieger.
In der Gesamtwertung bleibt Lopez mit zwölf Sekunden Vorsprung auf Almeida vorn. Bardet folgt als Dritter mit 14 Sekunden Rückstand, eine Sekunde dahinter liegt Carapaz. Hindley hat als Fünfter 20 Sekunden Rückstand, damit liegt er vier Positionen vor Buchmann (+1:09), der Rang neun beleg, Kämna ist nun Fünfzehnter (+3:26).
Arnaud Démare (Groupama – FDJ) verteidigte die Führung in der Punktewertung. Lopez führt auch die Nachwuchswertung weiter an. In der Bergwertung gab es dagegen einen Führungswechsel. Diego Rosa (Eolo – Kometa) sicherte sich als Ausreißer 80 Punkte und liegt nun vor dem Ruhetag mit insgesamt 83 Zählern 14 Punkte vor Koen Bouwman (Jumbo – Visma), dem bisherigen Träger des Blauen Trikots. Bora – hansgrohe holte sich wieder die Führung in der Teamwertung zurück
So lief das Rennen:
Auf der mit fünf Bergpreisen und mehr als 5.000 Höhenmetern gespickten 9. Etappe machte Felix Gall (AG2R Citroën) seine Ankündigung wahr und kämpfte erfolgreich um einen Platz in der Gruppe des Tages, die nach rund 25 aggressiv gefahrenen Kilometern zusammen fand.
Neben dem jungen Österreicher gehörten noch dessen französischer Teamkollege Nans Peters, der Brite James Knox (Quick-Step Alpha Vinyl), der US-Amerikaner Joe Dombrowski (Astana Qazaqstan), der Argentinier Eduardo Sepúlveda, der Eritreer Natnael Tesfatsion (beide Drone Hopper – Androni Giocattoli), der Ecuadorianer Jonathan Caicedo (EF Education – EasyPost) sowie Rosa und sein Landsmann Filippo Zana (Bardiani – CSF) zur neunköpfigen Gruppe, die sich einen Maximalvorsprung von rund sechs Minuten herausfahren konnte.
Nachdem sich Matthew Holmes (Lotto Soudal), der als erster der noch 167 Giro-Profis kurz nach den Start in die Offensive gegangen war und später zurückfiel, die erste frühe Bergwertung (3. Kat.) vor Rosa geholt hatte, sicherte sich der 33-Jährige an den beiden folgenden Bergpreisen der 2. Kategorie die jeweilige Maximalpunktzahl von 18 Punkten. Damit meldete Rosa eindrucksvoll seine Ambitionen im Kampf um das Maglia Azzura an.
Am Passo Lanciano sprengt Peters die Ausreißergruppe
Im Feld sorgte zunächst ein Sturz, bei dem unter anderen Pello Bilbao (Bahrain Victorious) zu Boden ging, für die größte Aufregung. Trek – Segafredo übernahm wie erwartet die Verfolgung der Ausreißer, deren Vorsprung sich auf der nun folgenden längeren Abfahrt um die fünf Minuten einpendelte. Der erste Zwischensprint 87 Kilometer vor dem Ziel ging an Sepulveda, ehe es kurz darauf in den 10,5 Kilometer langen Anstieg zum Passo Lanciano (1. Kat.) ging, bis zu dem der Vorsprung der Ausreißer schon deutlich geschrumpft war.
Als der Abstand zwischen Spitze und Feld nur noch etwas mehr als zwei Minuten betrug, sprengte Peters noch vor dem Beginn des vorletzten Berges des Tages mit zwei Attacken rund 60 Kilometer vor dem Ziel die Ausreißergruppe. Nachdem er zunächst schnell eingefangen worden war, kam der 28-Jährige beim zweiten Versuch gemeinsam mit Tesfatsion weg, ehe sich Sepulveda noch nach vorn kämpfte.
40 Sekunden dahinter nahm Rosa die Verfolgung des Spitzentrios auf. Er schaffte genau 50 Kilometer vor dem Ziel wieder den Anschluss und setzte sofort den Konter, den nur Tesfatsion parieren konnte. Dagegen wiesen Gall, Dombrowski und Caicedo als nächste Verfolger bereits knapp eine Minute Rückstand auf. An der Bergwertung 44 Kilometer vor dem Ziel holte sich Rosa kampflos als Erster die 40 Punkte und übernahm damit das Maglia Azzura, 50 Sekunden später folgten Peters, Sepulveda und Dombrowski, der kurz vor dem Gipfel den Anschluss hatte herstellen können.
Ineos Grenadiers und UAE Emirates sorgen im Feld für Tempo
Drei Minuten später folgten Gall und Caicedo, denen aber schon das mittlerweile von Ineos Grenadiers angeführte Feld im Nacken saß. In einer Linkskurve der folgenden Abfahrt versteuerte sich Tesfatsion und fuhr geradeaus in eine Wiese, wo er sich spektakulär überschlug, aber offensichtlich glimpflich davonkam. Der Eritreer konnte sich wieder auf sein Rad schwingen und das Rennen im Feld fortsetzen.
20 Kilometer vor dem Ziel schlossen Dombrowski und Peters zum Spitzenreiter Rosa auf, der sich zuvor als nicht sonderlich sattelfester Abfahrer erwiesen hatte. Kurz darauf ließ der Astana-Fahrer seine Begleiter stehen, die wiederum allesamt im Feld verschwanden, wo Ineos und UAE Emirates das Tempo hochschraubten. Gut 15 Kilometer vor dem Ziel und kurz vor dem zweiten Zwischensprint wurde auch Dombrowski gestellt.
Am Fuß des 13,6 Kilometer langen und im Schnitt 8,4 Prozent steilen Schlussanstiegs erhielt Carapaz als Dritter der Sprintwertung kampflos eine Bonussekunde, ehe zwei Kilometer später mit dem unter Knieproblemen leidenden Simon Yates (BikeExchange – Jayco) einer der Favoriten zurückfiel. Dem finalen Ausscheidungsfahren fielen weitere prominente Namen wie Tom Dumoulin (Jumbo – Visma), dessen Teamkollege Koen Bouwman, Träger des Blauen Trikots, und Wilco Kelderman (Bora – hansgrohe) zum Opfer. Lopez dagegen biss sich am Ende der nur noch rund 20 Fahrer umfassenden Favoritengruppe fest, in der Richie Porte und Pavel Sivakov (beide Ineos Grenadiers) für Carapaz das Tempo hoch hielten.
Buchmann schafft fast noch den Anschluss
Acht Kilometer vor dem Ziel verlor der Träger des Rosa Trikots allerdings den Anschluss, als er das Hinterrad eines Konkurrenten touchierte und kurz aus den Pedalen musste. Kämna war kurz davor aus der Spitzengruppe, die sechs Kilometer vor dem Ziel auf elf Fahrer geschrumpft war.
Als 4,6 Kilometer Carapaz das Finale mit einem ersten Antritt eröffnete, konnten zunächst nur Landa und Bardet folgen. Doch Almeida, Vincenzo Nibali (Astana Qazaqstan), Hindley und Pozzovivo blieben in Schlagdistanz, wogegen Alejandro Valverde (Movistar) und Buchmann zurückfielen. Zwei Kilometer vor dem Ziel führte Almeida die um Nibali reduzierte kleine Gruppe wieder an die Spitze heran.
Eine Tempoverschärfung durch Bardet sorgte dann aber dafür, dass Almeida, Hindley und Pozzovivo wieder den Anschluss verloren – nur um 900 Meter vor dem Ziel ein weiteres Mal wieder zum Spitzentrio vorzufahren. Und auch Buchmann schien auf den letzten Metern noch aufschließen zu können, doch dann eröffnete sein Teamkollege Hindley von der Spitze weg den Sprint, den der 26-Jährige gegen die stark aufkommenden Bardet und Carapaz schließlich knapp für sich entscheiden konnte.