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30.05.2022 | (rsn) – Mit dem Giro-Sieg durch Jai Hindley hat Bora – hansgrohe nach der Neuausrichtung als Rundfahrerteam das große Ziel schon im ersten Anlauf erreicht! Wie geht es jetzt bei dem Raublinger Rennstall weiter? Steht jetzt der Gewinn der Tour de France auf dem Plan? radsport-news.com sprach mit Teamchef Ralph Denk.
Wie haben Sie sich gefühlt, als der Giro-Sieg feststand?
Denk: "Das hat sich schon gut angefühlt. Genau vor zehn Jahren gaben wir mit NetApp unsere Premiere bei einer GrandTour, auch beim Giro! Damals kämpften wir ums Überleben (lacht). Und jetzt haben wir ihn gewonnen. Deshalb ist dieser Sieg schon etwas ganz Besonderes!“
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Bora – hansgrohe ist mit dem sogenannten Dreizack aus Emanuel Buchmann, Wilco Kelderman und Jai Hindley in den Giro gegangen. Hatten Sie einen heimlichen Favoriten?
Denk: "Nach dem Schwarzen Montag, das war der Tag nach Lüttich-Bastogne-Lüttich, gab es gar keinen Zacken mehr. Da hatten wir, Enrico Gasparotto, Rolf Aldag, Dan Lorang und ich, große Sorgen, ob wir überhaupt acht Fahrer nominieren können. Da dachten wir schon über Alternativen nach. Kelderman war in Lüttich schwer gestürzt, Hindley startete gar nicht, weil er in der Nacht krank geworden war und Buchmann schwächelte erkältet im Höhentrainingslager. Wir dachten über Plan B nach, merkten aber schnell, dass wir gar keinen Plan B hatten. Deshalb sind wir wieder zurück zu Plan A und sagten, 'wir versuchen es‘. Wir wollten einfach nur noch so gut wie möglich durchkommen.“
Jai Hindley mit der Sieger-Trophäe: Der 26 gewann nicht nur als erster Australier den Giro d’Italia, sondern sicherte seinem Team Bora – hansgrohe den ersten Gesamtsieg bei einer Grand Tour. | Foto: Cor Vos
Wie?
Denk: "Mit einer offensiven Fahrweise. Wir wussten ja nicht, was im Gesamtklassement auf uns zukommen würde. Bei der 4. Etappe zum Ätna wussten wir beispielsweise nicht, ob die drei überhaupt mit den besten hochkommen. Deshalb haben wir Lennard Kämna vorne rausgeschickt, was ja super funktioniert hat, weil er gewann.“
Da glaubten Sie nicht an den Giro-Sieg, sondern versuchten, mit Kämna die Etappe zu gewinnen?
Denk: "Ja, nach dem Motto: Was wir haben, das haben wir. Wir hatten ja keinen Sprinter dabei, deshalb mussten wir es am Berg versuchen. Aber ich muss auch meiner Sportlichen Leitung ein großes Kompliment machen. Sie hat sich mit dem Rennen mega auseinandergesetzt, was das Scouting des Parcours anging und den Besichtigungen mit den Fahrern. Ich kann mich an einen Tag im März erinnern, als es rund um Turin trüb und neblig war. Da haben wir die Strecke inspiziert. Damals wurde das geplant, was wir dann im Verlauf der 14. Etappe durchzogen (Bora fuhr das Feld auseinander, d. Red.). Wir wussten, dass wir für einen Überraschungsmoment sorgen können.“
Lennard Kämna (hier hinter Richard Carapaz) gewann nicht nur die Ätna-Etappe, sondern erwies sich auf der vorletzten Etappe auch als perfekter Helfer für Hindley. | Foto: Cor Vos
Welchen Anteil hat der neue Sportliche Leiter Gasparotto am Giro-Sieg?
Denk: "Das Tandem Aldag/Gasparotto hat daran einen großen Anteil. Weil es sich bis ins letzte Detail mit dem Giro auseinandergesetzt hat. Es ist beeindruckend, auf welche Kleinigkeiten man noch kommt, wenn man so tief geht und in einer größeren Gruppe dann diskutiert, ob das Sinn macht oder nicht. Dass die Strategie wie bei der 20. Etappe so aufgeht, dass Kämna als wirkliche Relaisstation da ist, die auch funktioniert. Das war schon überragend. Relaisstationen gab es schon immer, dass eine aber so funktioniert, da steckt schon viel Strategie von Aldag und Gasparotto dahinter.
Kämna hat nach seiner Pause im letzten Jahr wieder überragend ins Rennen zurückgefunden. Hat Sie das in dieser Form überrascht?
Denk: "Wir wissen ja, wenn er fährt und Freude daran hat, dann ist vieles möglich, weil er so talentiert ist. Mir war wichtig, dass wir ihm wieder die Freude vermitteln, Rad zu fahren. Da ging es nicht um Details, wie hiervon etwas weniger, oder hier noch ein Tag im Höhentrainingslager mehr. Wir haben gar keins mit ihm gemacht. Sondern eher darum, was ihm Spaß macht. Zum Beispiel das Mountainbike-Rennen in Afrika im Oktober.
Der Druck auf Kämna dürfte nach diesem Giro wiederzunehmen. Was machen Sie, damit er damit zurechtkommt?
Denk: "Ich glaube, dass Lennard in unserem Umfeld sehr gut aufgehoben ist. Es ist auch ein Thema für uns, dass er die Tour fährt. Wir haben ihn auf der Longlist. Ich glaube, dass das für ihn gut funktionieren könnte, weil er dann ein Ziel hat, auf das er sich fokussieren kann. Die Tour einfach mal wieder fahren. Und zwar im Lennard-Bora-hansgrohe-Style. Einfach mal gucken, ohne aufs Podium oder eine Platzierung zu schielen. So wie wir es bei Giro auch gemacht haben.“
Emanuel Buchmann kam nach seinem Infekt nicht mehr rechtzeitig in Top-Form, umso bemerkenswerter war sein siebter Rang im Schlussklassement. | Foto: Cor Vos
Emanuel Buchmann hatte wieder Pech vor einer Grand Tour und konnte sein Potenzial nicht ganz abrufen. Wie geht es mit ihm weiter?
Denk: "Wir müssen analysieren, was wir im Herbst noch mit ihm unternehmen. Möglich ist auf jeden Fall die Vuelta. Die Tour glaube ich eher weniger. Er ist bei diesem Giro Siebter geworden. Natürlich war die Vorbereitungsphase mit dem Infekt nicht optimal. Aber wir können zufrieden sein. Wann ist ein Deutscher schon mal beim Giro in die Top Ten gefahren?“
Ihr Traum war eine Podiumsplatzierung bei einer Grand Tour. Jetzt haben Sie den Sieg gleich mit eingepackt. Wovon träumt Ralph Denk nun?
Denk: "Natürlich vom Tour-Sieg! Das habe ich aber auch vorher schon gesagt. Das ist ja so etwas wie ein Jugendtraum, der jetzt vielleicht von dem einen oder anderen etwas ernster genommen wird, nachdem wir den Giro gewonnen haben. Da versuchen wir uns nun hinzuentwickeln. Mit welchem Rennfahrer und in welchem Jahr, kann ich jetzt nicht sagen. Wenn man auf unsere Mannschaft schaut, ist die Tendenz schon erkennbar. Vielleicht ist der eine oder andere schon dabei, der das schaffen kann? Vielleicht fährt der kommende Toursieger schon in unserer U19? Ich weiß es nicht! Aber wir müssen auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen schaffen, damit man überhaupt solche Projekte angehen kann. Das ist mein Haupt-Job! Wir müssen unsere Sponsoren zufriedenstellen. Und ich werde natürlich meine Fühler nach neuen Partnern ausstrecken.“
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