Nur van der Breggen war im WM-Zeitfahren stärker

Reusser: “Ich wusste nicht, dass es um Gold geht“

Von Peter Maurer aus Imola

Foto zu dem Text "Reusser: “Ich wusste nicht, dass es um Gold geht“"
Marlen Reusser bei der Zeitfahr-WM in Imola | Foto: Cor Vos

24.09.2020  |  (rsn) - Vor 14 Jahren gewann zuletzt eine Schweizerin eine WM-Medaille im Einzelzeitfahren. Es war Karen Thürig, die 2006 in Salzburg Vizeweltmeisterin wurde. Diese Bezeichnung darf sich nun auch Marlen Reusser geben. Die 29-Jährige aus Jegenstorf im Kanton Bern gewann in Imola die Silbermedaille hinter der neuen Weltmeisterin Anna van der Breggen aus den Niederlanden.

"Vizeweltmeisterin hört sich fantastisch an. Ich bin zufrieden damit", grinste Reusser im Gespräch mit radsport-news.com. Erst vor vier Jahren begann sie ihre sportliche Karriere. 2017 gewann sie völlig überraschend die Nationalen Meisterschaften im Kampf gegen die Uhr und wurde zwei Tage später Zweite im Straßenrennen. Damit qualifizierte sie sich für die Weltmeisterschaften in Bergen, wo sie mit Rang 29 debütierte. Ein Jahr später steigerte Reusser sich auf Rang 18 und in Yorkshire folgte sogar Platz sechs.

"Hätte ich die Steigerung heuer weiter beigehalten, dann wäre ich im negativen Bereich gelandet", lachte sie erleichtert auf. Nachdem sie schon bei den Europameisterschaften vor einem Monat in Plouay Bronze gewonnen hatte, wollte sie dies nun bestätigen. "Man muss sagen, dass der Kurs für meinen Fahrertyp gut passt, mit Ausnahme der letzten sechs Kilometer", sagte sie, nachdem ihr das gelungen war.

Auf jener ihr nicht so gut liegenden Passage verlor Reusser dann auch das Duell um die Goldmedaille. Davon bekam die 29-Jährige auf der Strecke aber nichts mit: "Ich muss mit meinen Trainern schimpfen, weil ich von ihnen keine Info auf der Strecke über die Zwischenstände bekam und gar nicht wusste, dass ich vor van der Breggen lag“, sagte sie.

"Ich musste feststellen, dass ich noch Defizite habe"

Mit der Silbermedaille um ihren Hals war aber auch diese Kritik schnell verflogen - zumal sie im Rennen selber kein gutes Gefühl hatte. "Es war krass hart. Ich dachte, dass ich keinen Rhythmus finde, keine Pace. Ich war von mir selbst enttäuscht und habe ein wenig den Glauben verloren. Vor dem Rennen dachte ich, dass ich eine Medaille machen kann und im Rennen war es dann so schwierig es durchzuziehen", erzählte Reusser, die auch die fehlenden Infos von den Betreuern dahingehend deutete, dass es gar nicht für sie lief.

Dem war allerdings gar nicht so. Verlor sie bei den Europameisterschaften noch eine Minute auf die siegreiche van der Breggen, so war es in Imola ein offener Schlagabtausch, der sich erst auf den letzten Kilometern zu Gunsten der erfahrenen Niederländerin, die schon viermal Zweite bei Weltmeisterschaften war, entschied. "Nach der EM dachte ich, dass ich auf einem flachen Kurs schneller sein kann als sie. Aber ich musste feststellen, dass ich noch Defizite habe", sagte Reusser, die diese Erkenntnis aber als Motivation für die Zukunft sieht.

"Ich hätte einen besseren Gang im Aufstieg wählen sollen und dann verfügt Anna einfach noch über mehr Wissen und Know-How in der Abfahrt. Auf der anderen Seite habe ich ja gar nicht kapiert, dass es heute für mich um Gold geht. Und darum brauche ich mich auch nicht zu ärgern", erzählte sie weiter.

Mit der Silbermedaille konnte Reusser sich jedenfalls einen Lebenstraum erfüllen: "Es ist sicherlich mein Saisonhighlight, auch wenn jetzt noch die Belgischen Klassiker warten. Aber die bin ich noch nie gefahren und darum wird es dort schwierig werden, die Medaille noch zu toppen“, fügte sie an.

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