Walscheids Neo-Profi-Blog

Es ist noch ein langer Weg, aber er führt zumindest bergauf

Von Max Walscheid

Foto zu dem Text "Es ist noch ein langer Weg, aber er führt zumindest bergauf"
Max Walscheid (Giant-Alpecin) | Foto: Cor Vos

04.06.2016  |  (rsn) - Mein letzter Eintrag ist nun knappe zwei Monate her und glücklicherweise hat sich in der Zeit einiges getan. Nach fast viereinhalb Monaten konnte ich die Reha nun beenden und trainiere inzwischen wieder - fast - normal auf der Straße sowie im Kraftraum. Auf dem Rad läuft es zunehmend besser, gerade die Belgien-Rundfahrt (dazu später mehr) hat mich deutlich nach vorne gebracht. Beim Krafttraining merke ich allerdings noch erhebliche Defizite im Vergleich zur "normalen“ Form.

Auch wenn ich immer noch Schmerzen im Bein habe und es auch noch geschwollen ist, so ließen sich die Probleme mit Hilfe von Physiotherapie und gezieltem Training deutlich lindern oder sogar ganz beheben. Es wird noch einige Wochen dauern, bis ich hoffentlich keine funktionalen Einschränkungen durch den Unfall mehr merke. Ich bin optimistisch.

Mit der oben erwähnten Belgien-Rundfahrt konnte ich glücklicherweise deutlich früher ins Renngeschehen einsteigen als zuvor geplant. Nachdem es unmittelbar nach der OP fraglich war, ob ich überhaupt wieder würde Rennen fahren können, wurden die Prognosen schrittweise angepasst: Erst hoffte ich, überhaupt dieses Jahr wieder zu fahren, später wurde die DM das Ziel, dann konnte ich rund einen Monat vorher in Belgien beginnen.

Das Rennen selber war gut für einen Wiedereinstieg geeignet. Mir liegen Klassiker ähnliche Strecken und auch mit der Hektik im Peloton komme ich gut zurecht. Nachdem das Positionsfahren auf den ersten Kilometern natürlich noch nicht wie gewohnt klappte, konnte ich hinsichtlich meines allgemeinen Verhaltens im Rennen und der Fahrweise von Tag zu Tag steigern. Wahrscheinlich bewege ich mich noch nicht so flüssig wie vorher, allerdings sind mir zumindest keine größeren Probleme bewusst.

Physisch fehlt natürlich noch einiges, ich bin grundsätzlich erstmal super zufrieden die Rundfahrt beendet zu haben. Damit hätte ich nicht gerechnet. Sowohl im Prolog als auch auf jeder Etappe merkte ich den Rückstand zur normalen Rennform, was aber völlig normal ist. Vor der Rundfahrt konnte ich zwei Wochen lang schmerzfrei und mehr oder weniger in vollem – der Form entsprechendem – Volumen trainieren. Vorher waren neben dem normalen Reha-Training immer nur lockere zwei bis drei Stunden möglich. Mehr erlaubten die Schmerzen nicht.

Der Massensturz auf der Ardennen Etappe, der zum Abbruch selbiger führte, kam mir - ohne zynisch klingen zu wollen - sogar entgegen. Die Etappe wurde nach einem Drittel beendet, vermutlich hätten noch einige sehr schnelle Kilometer auf uns gewartet. Ich wäre die Etappe allerdings liebend gerne zu Ende gefahren - stattdessen erlebten wir eine solche Tragödie. Die Bestürzung im Feld war sehr groß und ich selber auch ziemlich geschockt. Ähnlich wie bei unserem Trainings-Unfall in Spanien waren die beteiligten Fahrer vollkommen unschuldig.

Leider ist unser Sport nicht nur an sich sehr gefährlich, sondern wird auch durch ein unkalkulierbares Risiko von außen begleitet. Ich möchte nicht noch einmal alle – zweifellos richtigen – Kommentare anderer Fahrer wiederholen, allerdings ist es wirklich unfassbar, dass es Schwerverletzte und Tote geben muss, ehe die Umstände geändert werden. Es hätte jeden im Feld treffen können. Man kann immer selber etwas durch seine Fahrweise zur Minimierung des Risikos beitragen. Es gab in Belgien einige Stürze, von denen viele durch weniger aggressive Fahrweise hätten vermieden werden können. Bei dem Motorrad-Unfall waren die Fahrer allerdings ohne jede Schuld.

Was mich auch wundert und ärgert, ist das Verhalten, das manches Team oder mancher Fahrer nach dem Unfall bezüglich der Konsequenzen zeigte. Viele Fahrer hätten nichts dagegen gehabt, die letzte Etappe neutralisiert zu fahren oder ein wie auch immer geartetes starkes Zeichen zu setzen. Letztlich sind wir allerdings nur ein paar Kilometer mehr neutralisiert gefahren als ursprünglich gedacht und es dauerte länger, bis das Rennen richtig losging und die ersten wirklichen Attacken gestartet wurden.

Ich schätze von diesem Fahrer-Protest haben nicht allzu viele Menschen etwas mitbekommen. Die Etappe wurde letztendlich als normales Rennen ausgetragen und gewertet. Für uns persönlich ohne Frage schön: Zico Waeytens konnte einen wunderbaren Sieg einfahren, über den wir uns alle sehr freuten. Ich denke allerdings, dass man in solchen Sachen über den Tellerrand des eigenen Ergebnisses und des eigenen Rennens hinaus schauen sollte. Natürlich möchte man auch nicht den Rennveranstalter, die Sponsoren und Teams schädigen, die Fans nicht enttäuschen und eigentlich auch selber Rennen fahren, aber so geht es nicht. Es reicht.

Wir Fahrer wurden genug geschädigt und ich begrüße es sehr, dass die UCI nun offensichtlich nun entsprechende Maßnahmen eingeleitet hat. Hoffentlich sind diese auch tatsächlich gewinnbringend. Leider kommen sie für alle Sturzopfer zu spät und sie wurden ja auch schon vor längerer Zeit durch verschiedene stimmgewichtige Top-Fahrer gefordert.

Bitter nur, dass der eine oder andere Fahrer selbst in Belgien in Bezug auf die letzte Etappe keine Veranlassung sah, auf das "eigene Rennen" zu verzichten. Die Kapitäne der Teams sprachen sich im Vorfeld der Etappe ab, für uns drehte Johannes Fröhlinger eine Runde durch die Busse der anderen Mannschaften. Ich denke, als Peloton sollte man zusammen halten. So versiegte unsere Aktion leider zu weiten Teilen, da die Fernseh-Übertragung letztendlich doch ein mehr oder minder normales Rennen zeigte.

Für mich geht es nun mit Rund um Köln und der ZLM-Tour weiter auf dem Weg zu den Deutschen Meisterschaften. Ich trainiere hart und versuche, in Erfurt ein Top-Rennen zeigen zu können. Ich freue mich auf die weiteren Wochen und wie schon in meinem Blog aus dem Winter-Trainingslager kann ich nun endlich wieder sagen: Die Wattzahl steigt, der Puls fällt.

Es ist noch ein langer Weg, aber er führt zumindest bergauf.

Viele Grüße,
euer Max

Weitere Radsportnachrichten

12.03.2025Bei Regen, Schnee und Kälte: Herausforderung bewältigt

(rsn) - Trotz schwieriger meteorologischer Bedingungen konnten sowohl bei Paris – Nizza als auch bei Tirreno-Adriatico Rennen gefahren werden. Augenmaß bei Veranstaltern und Peloton trugen dazu bei

12.03.2025Lipowitz blieb im Schlussanstieg an den Topfahrern dran

(rsn) – Schon im Vorjahr zeigte Florian Lipowitz (Red Bull - Bora – hansgrohe), dass bei den schweren Rundfahrten mit ihm zu rechnen ist. Er beendete die Tour de Romandie auf Rang drei und landet

12.03.2025Vingegaard von Almeida noch abgefangen, Lipowitz Fünfter

(rsn) – Zwischendurch war nicht mal klar, ob die 4. Etappe von Paris-Nizza überhaupt beendet werden könnte. Starker Regen, Schnee und mitunter auch Hagel hatten für eine dreiviertelstündige Unte

12.03.2025 “Superteams“ gegen zusätzliche Grand-Tour-Wildcards?

(rsn) – Gegen die Forderung mehrerer ProTeams und der Organisatoren, bei den drei großen Landesrundfahrten Giro d’Italia, Tour de France und Vuelta a Espana jeweils fünf statt bisher vier Wildca

12.03.2025Vendrame bezwingt Pidcock nach Marathon-Tag im Sprint

(rsn) – Andrea Vendrame (Decathlon – AG2R) hat in Colfiorito die 3. Etappe der Fernfahrt Tirreno-Adriatico (2.UWT) gewonnen. Der Italiener setzte sich auf nasser Straße nach einem kalten und regn

12.03.20254. Etappe bei Paris-Nizza wegen Unwetters unterbrochen

(rsn) – Die 4. Etappe der Fernfahrt Paris-Nizza (2.UWT) ist 45 Kilometer vor dem Ziel unterbrochen und rund 45 Minuten später 16 Kilometer weiter wieder fortgesetzt worden. Grund für die Neutralis

12.03.2025Landeszuschuss soll wegfallen: Thüringen Ladies Tour droht Aus

(rsn) – Wie der Mitteldeutsche Rundfunk MDR berichtet, droht der 37. Ausgabe der Lotto Thüringen Ladies Tour die Absage. Das Land Thüringen sehe sich demnach nicht in der Lage, die benötigten 200

12.03.2025Dreijahresranking: Astana und Uno-X machen Boden gut

(rsn) – Am Ende der Saison 2025 wird die WorldTour neu sortiert. Dann nämlich endet der Dreijahreszyklus für die Erstliga-Lizenzen im Profi-Straßenradsport und selbige werden für den nächsten Z

12.03.2025Paris-Nizza: Versinkt auch diesmal die Königsetappe im Schnee?

(rsn) – Nachdem bereits im vergangenen Jahr die Königsetappe von Paris-Nizza in Folge schlechter Witterungsbedingungen deutlich verkürzt werden musste, droht dem “Rennen zur Sonne“ auch diesma

12.03.2025Walscheid arbeitet für Durbridge mit und führt Jayco zu Platz 2

(rsn) – Auch wenn Visma – Lease a Bike im Mannschaftszeitfahren beim 83. Paris-Nizza (2.UWT) am Dienstag überlegen zum Sieg fuhr, durfte man die Leistung der nachfolgenden Teams zwischen der ehem

12.03.2025Tirreno-Adriatico für Gaudu, Valgren und Azparren beendet

(rsn) – Ohne Alberto Bettiol ist in Follonica die 3. Etappe von Tirreno-Adriatico gestartet worden. Wie sein Team XDS – Astana auf X mitteilte, sei der Italienische Meister erkrankt und habe mit F

11.03.2025Nimmt sich Milan für Mailand-Sanremo Ganna als Maßstab?

(rsn) – Bei der UAE Tour gelangen Jonathan Milan (Lidl – Trek) genau wie Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) gleich zwei Etappensiege. Nun legte der Belgier bei Paris-Nizza zwei weitere nach, ehe

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Paris-Nice (2.UWT, FRA)
  • Tirreno-Adriatico (2.UWT, ITA)