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17.07.2023 | (rsn) – Der 18-jährige Vincent John und der drei Jahre ältere Roman Duckert zählen zu den großen deutschen Talenten, die das Zeug zum Profi haben dürften. Bei beiden standen im Frühjahr allerdings dicke Fragezeichen hinter der Fortsetzung ihrer Karrieren: Duckerts Team Dauner - Akkon hatte keine Kontinental-Lizenz erhalten, John und sein Team P&S - Benotti hatten im März bereits vor dem ersten Saisonrennen den Vertrag einvernehmlich aufgelöst.
"Manchmal passt es einfach nicht zusammen und dann kommt man auch bei den gemeinsamen Zielen nicht auf einen gemeinsamen Nenner“, sagte Lars Wackernagel, Teamchef von P&S - Benotti zu radsport-news.com zur vorzeitigen Trennung. Ähnlich formulierte es auch John ebenfalls gegenüber radsport-news.com: "Die Vertragsauflösung war dann letztlich auch problemlos. Aber rückblickend war das eine schwierige Phase", gestand der 18-Jährige.
Duckert erzählte gegenüber radsport-news.com, dass es "natürlich nicht schön" gewesen sei, als feststand, dass Dauner - Akkon in Folge der nicht erhaltenen Lizenz nicht bei Rennen wie Rund um Köln oder der Deutschland Tour starten konnte. Da Dauner - Akkon jedoch als Elite-Team wie geplant in der ersten Märzhälfte die UCI-Rennen auf Rhodos bestreiten konnte, hatte Duckert zumindest für den Saisonstart ein gesichertes Rennprogramm.
"Im Hinterkopf hatte ich aber trotzdem, dass ich anfangen muss, mich um ein anderes Team zu kümmern, damit wenigstens die zweite Hälfte der Saison gesichert ist", sagte der 21-Jährige, für den sich nach der Tour of Rhodes mit Dauner - Akkon internationale Renneinsätze wegen der fehlenden Lizenz schwierig gestaltet hätten.
___STEADY_PAYWALL___ Als Retter in der Not erwies sich sowohl für John als auch für Duckert Ralf Grabsch. Der U23-Bundestrainer verschaffte den beiden Talenten regelmäßige Einsätze mit der Nationalmannschaft, so dass sie sich in internationalen Wettkämpfen messen konnten. Während Duckert schon in den vorherigen Jahren auf Einsätze für den BDR gekommen war und von Grabsch weiterhin das Vertrauen ausgesprochen bekam, erhielt der neu in die U23-Klasse aufgestiegene John einen Vertrauensvorschuss.
"Roman Duckert ist schon in den letzten Jahren in der Nationalmannschaft gefahren und hat sich stetig weiterentwickelt. Im Januar haben wir bei der medizinischen Untersuchung gemeinsam mit ihm ein Programm für die Nationscup-Rennen festgelegt“, so Grabsch zu radsport-news.com. Er habe Duckert gesagt, dass er "jetzt in dem Alter ist, in dem richtig was kommen muss“, ihm aber auch den Rücken gestärkt und regelmäßig Kontakt mit dem Allrounder gehalten, als Duckert wegen der Situation bei Dauner - Akkon verunsichert war. "Ich denke, das hat er auch gebraucht“, so Grabsch, der mit seiner Unterstützung dafür sorgte, dass Duckert "Schritt für Schritt sein Leistungsvermögen erhöhen“ konnte.
Vincent John (2.v.r.) bei einem seiner Einsätze mit der Nationalmannschaft. | Foto: privat
Mit John setzten sich im März sowohl Grabsch als auch Jörg Werner, Teamchef von rad-net - Oßwald zusammen. Werner hatte schon im letzten Jahr Interesse an John gehabt und erneuerte dies im Frühjahr. "Jörg Werner war sofort für mich da", sagte John zu radsport-news.com.
Das erfahrene Duo Werner/Grabsch schmiedete gemeinsam mit dem vertragslosen John einen Plan für die folgenden Wochen, da ein Wechsel laut UCI-Regularien erst in der ersten Junihälfte möglich war. Dazu wurde Steffen Uslar, einer der Sportlichen Leiter bei rad-net - Oßwald, als neuer Trainer von John installiert.
"Jörg Werner und ich waren beide vom Sportler überzeugt und wir wollten ihm ein Programm geben, ihn auffangen, so dass er nicht in ein Loch fällt. Wir hatten die Sorge, dass wir einen weiteren talentierten Fahrer verlieren könnten“, berichtete Grabsch, der John direkt im März "aus der Kalten heraus“ Gent-Wevelgem der Klasse U23 fahren ließ, ehe der im Anschluss seine Abschlussprüfungen an der Oberschule absolvierte. "Das hat ihn vom Kopf her noch mal freier gemacht“, berichtete Grabsch.
Unterschrieb im Juni bei rad-net - Oßwald: Vincent John. | Foto: rad-net Oßwald / Engelbrecht
John gestand, dass seine Situation ohne Einsätze in der Nationalmannschaft sehr viel schwieriger geworden wäre. "Da das Wechselfenster erst im Juni aufgegangen ist, wäre es alleine sehr schwer geworden, das Niveau zu halten", so John.
Beide zahlten das in sie gesetzte Vertrauen zurück. "Ich habe ihnen den Rücken gestärkt, sie haben geliefert, es war ein erfolgreiches Zusammenspiel“, berichtete Grabsch zufrieden. Duckert überzeugte bei den großen Nationscup-Rennen als Helfer. "Es hat mir gefallen, wie Roman gefahren ist. Beim Nationscup konnte er die Mannschaft optimal unterstützen“, lobte Grabsch. Duckert wiederum bedankte sich für die "verständnisvolle" Art des Bundestrainers. "Ich bin sehr froh darüber, dass er mir die Chance für noch weitere Rennen gegeben hat", sagte er.
John fuhr bei der Tour of Malopolska (2.2) mit Rang neun sogar ein Spitzenergebnis in der Gesamtwertung ein. Ein weiteres wäre bei der anschließenden Tour de Montbeliard (2.2) möglich gewesen, wo er jedoch durch großes Defektpech ausgebremst wurde. "Sonst wäre er auch da auf internationaler Ebene vorne angekommen“, meinte Grabsch. John indes zeigte sich "dankbar für die Unterstützung und den Vertrauensvorschuss". Er war froh, dass er mit seinen Leistungen und Resultaten das in ihn gesetzte Vertrauen "rechtfertigen" konnte. "Für mich selbst war es aber auch als persönliche Bestätigung wichtig, dass ich nun auf dem richtigen Weg bin", fügte er an.
Mittlerweile haben beide neue Teams gefunden. John unterschrieb wie geplant bei rad-net - Oßwald und überzeugte mit Rang sechs bei der Straßen-DM der Klasse U23. "Das war das I-Tüpfelchen seiner ersten Saisonhälfte“, befand Grabsch.
Duckert, der schließlich zu Storck – Metropol Cycling wechselte, konnte sich im selben Rennen hinter dem neuen Deutschen U23-Meister Moritz Kretschy (rad-net Oßwald) und Ole Theiler (Lotto – Kern Haus) sogar die Bronzemedaille sichern und zuletzt die Oder-Rundfahrt auf Rang zwei abschließen.
Roman Duckert (Storck - Metropol Cycling) musste sich bei der U23-DM nur Sieger Moritz Kretschy und Ole Theiler geschlagen geben. | Foto: rad-net Oßwald / Engelbrecht
"Es macht mich schon froh, die Entwicklung von Duckert zu verfolgen und zu sehen, dass er bei den nationalen Rennen ganz vorne reinfahren kann“, freute sich Grabsch.
Johns neuer Teamchef Jörg Werner hatte bereits im letzten Jahr ein Auge auf den Sachsen geworfen, doch der stand damals bereits bei P&S - Benotti im Wort. "Er war schon nach der letztjährigen Nachwuchs-DM, die wir organisiert hatten, ganz oben auf meinem Zettel. Wir hatten im September auch ein gemeinsames Gespräch, aber er wollte bei seiner Zusage bei P&S - Benotti bleiben, was wir natürlich respektiert haben“, so Werner.
Dass John so schnell im U23-Bereich Fuß fassen konnte, kam für seinen kurzzeitigen Teamchef Wackernagel nicht überraschend. "Er war und ist für mich in diesem Altersbereich eines der größten Talente, das wir haben. Was jetzt passiert, ist für mich also keine Überraschung. Er wird seinen Weg gehen“, erklärte Wackernagel, der sich trotz des gescheiterten Zusammenspiels mit dem Zweiten der Junioren-Radbundesliga 2022 über dessen Entwicklung freut. “Ich bin völlig glücklich mit der Situation und es ist schön zu sehen, wie gut er fährt.“
Auch Werner meinte schon nach knapp sechswöchiger gemeinsamer Zusammenarbeit, dass die Verpflichtung von John "kein Fehler“ gewesen sei und John selbst fühlt sich bei seinem neuen Team "am richtigen Ort. Wir haben hier sehr viel Spaß", fügte er an.
Für die Zukunft traut der rad-net-Teamchef seinem talentierten Fahrer viel zu. Es sei "vieles möglich, wenn er mit beiden Füßen auf dem Boden bleibt und weiter fleißig arbeitet". Als Stärke machte Werner bei John vor allem dessen Vielseitigkeit aus. "Ich glaube, dass er ein ziemlich komplettes Paket mitbringt. Er ist im Sprint nicht langsam, kann gut bergauf fahren und ist auch tempohart. Dazu versteht er, wie man sich im Feld bewegen muss“, skizzierte er die Fähigkeiten seines Schützlings und fügte an: "Wir müssen nun gemeinsam herausfinden, wo die Reise für ihn hingeht.“ Auch John selbst sieht sich aktuell als Allrounder. "Am Zeitfahren müssen wir aber noch etwas arbeiten", ergänzte er.
Duckert hatte dagegen bei der Tour of Rhodes im März erste Kontakte mit dem dort ebenfalls startenden Team Storck - Metropol geknüpft. "Dort habe ich einige der Fahrer kennengelernt und bin später auf sie zugegangen", berichtete der Brandenburger. Hannes Walter, Performance Manager bei Storck - Metropol Cycling erklärte gegenüber radsport-news.com: "Bei den Rennen bekommt man natürlich mit: Wer sucht ein Team, wer sucht nicht? Und wenn ein Fahrer wie Roman Interesse am Team hat und wir hatten ja auch Interesse an ihm, dann versucht man natürlich eine Verpflichtung möglich zu machen."
"Der Rennkalender hat mich angesprochen und ich wollte der Sache eine Chance geben", so Duckert, der seit dem 1. Juni bei Storck - Metropol Cycling unter Vertrag steht. Sein bisheriges Team Dauner, für das er im Mai noch den Fleche du Sud in Luxemburg fuhr, habe ihm dabei keine Steine in den Weg gelegt. "Sie fanden es schade, dass ich gehen will, konnten die Gründe aber verstehen", erklärte er.
Roman Duckert (links) in einem seiner Einsätze mit der Nationalmannschaft. Foto: privat
Mit 16 Fahrern hatte das Team Storck - Metropol eigentlich schon die Maximalstärke für Kontinental-Mannschaften erreicht. Doch wenige Wochen vor der Duckert-Verpflichtung trennte man sich im gegenseitigen Einvernehmen von Marian Pohlenz, so dass wieder ein Platz im Kader frei war. "Der Wechsel von Roman zu uns und der Abgang von Marian standen aber nicht in Verbindung zueinander. Marian und das Team haben jeweils gemerkt, dass es einfach nicht passt, weshalb man auseinander gegangen ist", erklärte Walter.
Die ersten Eindrücke von Duckert seien von Teamseite aus sehr positiv, wie der Heidelberger berichtete. "Es ist ein superprofessionells Arbeiten mit Roman", so Walter, der davon ausgeht, dass auch bei Storck - Metropol durch die ersten Erfolge von und mit Duckert die aufsteigende Tendenz der letzten Wochen fortgesetzt wird. "Erfolg steckt an, das macht was mit einer Mannschaft. Die positiven Vibes, die Roman einbringt, nehmen wir natürlich mit", so der Performance Manager.
Sowohl Duckert als auch John werden laut Grabsch in der zweiten Saisonhälfte noch "einige Höhepunkte“ vor sich haben. Bei Duckert etwa steht die prestigeträchtige Tour de l`Avenir an. Wo er 2024 sein letztes, und dann wohl über den Profivertrag entscheidendes U23- Jahr, fahren wird, darüber macht Duckert sich noch keine Gedanken. "Der Fokus liegt erstmal auf dieser Saison", betonte er. Storck - Metropol könnte sich indes gut vorstellen, Duckert zu halten. Gespräche habe es aber noch keine gegeben. "Er ist ja auch erst seit vier bis sechs Wochen bei uns. Natürlich versuchen wir einen Fahrer wie Roman an uns zu binden. Aber wenn ein Devo-Team anklopft und ihn verpflichten möchte, würden wir ihn dabei natürlich maximal unterstützen", erläuterte Walter.
Während Duckert also auf die Tour de L`Avenier schielt, kann sich John dagegen Hoffnungen auf einen Start bei der Deutschland Tour machen, für die sein Team rad-net - Oßwald als eines von vier deutschen Kontinental-Teams eine Einladung erhielt. "Wenn das Team mich mitnimmt, würde ich mich freuen", sagte John, der zudem hofft, sich durch seine bisherigen Leistungen auch für einen Platz im EM-Aufgebot empfohlen zu haben.
Grabsch wünscht seinen beiden Schützlingen, dass sie “weiter konsequent arbeiten und die Rennen nutzen.“ Insgesamt freue er sich, dass "solche Jungs, mit denen man vielleicht nicht so gerechnet hat, auch Ergebnisse einfahren.“ Genau so sehr dürfte es Grabsch zufrieden stellen, dass sein Vertrauen zurückgezahlt wurde.
Und so kennt diese Geschichte nur Gewinner. Storck – Metropol hat den erhofften Ergebnisfahrer gefunden, rad-net - Oßwald fügte seiner starken U23-Fraktion ein weiteres Top-Talent hinzu, beide Fahrer konnten ihre Karrieren fortsetzen und Bundestrainer Grabsch konnte abermals unter Beweis stellen, wie wichtig die Renneinsätze der U23-Nationalmannschaft sind.
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