RSN-Rangliste, Platz 6: Lisa Klein

Ein Tiefschlag nach dem Olympiasieg trübte das Gesamtbild

Von Felix Mattis

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Lisa Klein umarmt Franziska Brauße beim Jubeln über Olympia-Gold von Tokio auf der Bahn von Izu. | Foto: Cor Vos

26.12.2021  |  (rsn) – Mit dem Bahnvierer hat sie am 3. August in Izu Olympia-Gold gewonnen und mit der Mixed Staffel wurde Lisa Klein am 22. September Weltmeisterin auf der Straße. Doch trotz der beiden viel bejubelten Gold-Tage beendete die Saarländerin ihre Saison 2021 mit einer großen Enttäuschung: Klein musste wegen eines Bruchs an der Schultergelenkspfanne auf die Premiere von Paris-Roubaix verzichten – das Rennen, auf das sie sich so sehr gefreut hatte.

"Ganz klar: Die größte Enttäuschung des Jahres war für mich der Moment, als ich nach dem MRT im Krankenhaus war und mir gesagt wurde: Lisa, in zwei Tagen geht's in den OP", erzählte Klein nun gegenüber radsport-news.com. "Also, sie haben mich natürlich nicht gezwungen, aber es mir geraten, wenn ich wieder eine funktionierende Schulter haben wollte in meinem weiteren Leben."

Besagte Magnetresonanztomographie wurde in der letzten September-Woche in Saarbrücken durchgeführt. Klein war "gerade schon auf dem Sprung nach Roubaix", erinnerte sie sich jetzt. "Mein Auto war schon gepackt. Aber dann bin ich wieder zurück nach Hause gefahren."

Kurios ist das, weil es für Außenstehende so plötzlich kam. Denn in der Vorwoche war Klein noch WM-Siebte im Einzelzeitfahren und Weltmeisterin in der Mixed-Staffel bei den Welt-Titelkämpfen von Flandern geworden. Im Straßenrennen wurde sie zwar nur 66., doch dort stürzte sie nicht – es deutete sich nicht wirklich an, dass die Saarländerin vor dem verletzungsbedingten Saisonende stand. Sie selbst aber konnte es zumindest körperlich schon spüren, auch wenn es ihr Kopf nicht wahrhaben wollte.

Denn der Grund für die MRT-Untersuchung war da schon zwei Wochen alt und sorgte während den Weltmeisterschaften für große Schmerzen: Klein war beim Mountainbiken direkt nach der Straßen-EM von Trentino gestürzt und hatte sich dabei die Schulter aus- und auch wieder eingekugelt. Erste Röntgenaufnahmen in Saarbrücken ließen wenige Tage später keine genaue Diagnose zu, das MRT wurde nötig, doch Klein wollte erst noch die WM fahren. "Die Schulter tat zwar weh, aber ich konnte ja fahren", erklärte sie nun.

WM mit Bruch am Schultergelenkspfanne gefahren

Deshalb konnte erst nach den Weltmeisterschaften festgestellt werden, dass sie sich die Vorderseite der Schultergelenkspfanne gebrochen hatte. Chirurg Dr. Markus Pahl in Saarbrücken empfahl die sofortige Operation, an einen Einsatz auf dem Kopfsteinpflaster von Roubaix war nicht mehr zu denken. "Die Schulter war vier Wochen stillgelegt und auch jetzt ist sie nicht komplett wieder beweglich. Auf dem Zeitfahrrad zu sitzen ist immer noch schwierig", sagte Klein wenige Tage vor Weihnachten.

Die Enttäuschung, die Premiere von Paris-Roubaix verpasst zu haben, sitzt weiterhin tief, gleichzeitig zieht die 25-Jährige daraus aber auch Motivation fürs kommende Frühjahr und die zweite Auflage des Rennens – genau wie aus einigen anderen Ergebnissen dieses Jahres, die nicht ihrem eigenen Anspruch entsprachen.

"Ich hatte klare Schwerpunkte in Richtung Olympia aufs Zeitfahren und die Bahn gesetzt. Das Zeitfahren war schwer und ich war danach definitiv enttäuscht. Aber trotzdem haben wir es auf der Bahn dann geschafft, eine Leistung zu bringen, die ich noch nie gebracht habe. Das war überwältigend", sagte sie im Rückblick auf ihr Jahr 2021, in dem sie neben Olympia-Gold auf der Bahn und WM-Gold im Mixed unter anderem die viertägige Baloise Ladies Tour gewann, Dritte bei Nokere Koerse und Fünfte beim Scheldeprijs wurde, sowie starke Zeitfahren bei der Simac Ladies Tour zeigte und im Kampf gegen die Uhr auch EM-Vierte wurde.

Mit Straßensaison nicht zufrieden: "Ich habe höhere Ziele"

"Insgesamt war ich mit meiner Straßensaison alles andere als zufrieden. Das hört sich nach dem großen Erfolg auf der Bahn etwas vermessen an, aber wir hatten eben auch für die Straße klare Ziele und das Team stand dabei hinter mir. Deshalb habe ich jetzt gerade diesbezüglich eine noch größere Motivation für nächstes Jahr", so Klein, die mittelfristig bei den großen Klassikern glänzen will und das in diesem Jahr bei Gent-Wevelgem und der Flandern-Rundfahrt nicht schaffte.

Auch ihr Abschneiden bei der WorldTour-Rundfahrt Simac Ladies Tour Anfang September war süßsauer: "Nach dem vierten Platz im EM-Zeitfahren fragt natürlich keiner mehr, aber ich bin dort super Werte gefahren – und auch bei der Simac Tour bin ich im Zeitfahren Bestwerte gefahren. Aber am Ende ist es nicht viel wert. Ich stand gut im Klassement da, aber dann kam die schwierigere Etappe und ich hatte nicht mehr genug übrig nach Olympia", erklärte Klein, die dort als Gesamtvierte in die entscheidende vorletzte Etappe in den Hügeln von Limburg startete, dort dann aber nicht mehr mithalten konnte.

"Ich habe einen riesigen Respekt davor, wie Lisa Brennauer das alles noch gemeistert hat dieses Jahr. Denn ich hatte die Substanz nicht mehr und konnte von nichts mehr zehren", so Klein. "WM-Siebte – das war in Ordnung, nicht enttäuschend. Ich will einen siebten Platz nicht schlechtreden, aber ich habe eben höhere Ziele und will letztendlich um die Medaillen mitfahren."

Zuerst fit werden - dann zu Klassikern, Tour, Bahn-EM und Zeitfahr-WM?

Für 2022 lautet das erste Ziel genau wie 2021: Klassiker-Saison. Dort will Klein, die noch ein Jahr Vertrag beim deutschen Women's WorldTeam Canyon – SRAM hat und dort inzwischen die einzige Deutsche im Kader ist, wieder in Top-Form sein, um in Flandern und Roubaix angreifen zu können. Außerdem dürfte auch die Bahn-EM in München im Sommer mit dem Olympia-Vierer ein Ziel werden, und natürlich würde Klein – wie so ziemlich jede Straßenfahrerin – bei der Tour de France-Premiere Ende Juli gerne dabei.

Aber über alledem stehen für sie zwei grundsätzliche Dinge: "Mein erstes Ziel ist, fit zu werden – dass die Schulter hält", erklärte Klein. "Und dann ist mir wichtig, dass ich dem Team etwas zurückgeben kann. Sie haben mir für die Bahn den Rücken freigehalten und haben nichts in Frage gestellt. Der Olympiasieg ist dabei herausgekommen und dafür bin ich sehr dankbar. Deshalb will ich nächstes Jahr natürlich auch fürs Team da sein, in welcher Rolle ich auch immer eingesetzt werde", sagte sie.

Ein persönliches Ziel für das Jahresende aber hat sie trotzdem auch schon im Kopf: Das WM-Einzelzeitfahren von Wollongong. Der Kurs dort soll nicht allzu profiliert sein und vor allem zahlreiche Kurven bieten. "Ich kann Kurven normalerweise mit dem Zeitfahrrad fast so gut fahren, wie mit meinem Straßenrad. Der Kurs sollte daher gut für mich sein", vermutete sie.

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