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18.01.2020 | (rsn) - Zur Saison 2020 stellen wir in einer Serie die diesmal 19 WorldTour-Teams vor. Dazu gehören neben einem Rückblick auch die Analyse der Personalpolitik sowie die Beurteilung der Aussichten für das anstehende Radsportjahr.
Teil 9: Lotto Soudal
Rückblick 2019: Für das belgische Team zahlte sich vor allem die Verpflichtung von Caleb Ewan aus. Der kleine Australier erzielte zehn Saisonsiege, darunter zwei auf Etappen des Giro d’Italia und gleich drei Tageserfolge bei der Tour de France – inklusive der prestigeträchtigen Schlussetappe in Paris. Zuvor hatte bereits Thomas De Gendt für den ersten Tagessieg des Teams bei der Tour seit 2016 gesorgt. Schlagzeilen machte auch der erfolgreiche Stundenweltrekordversuch von Victor Campenaerts im April, eine bemerkenswerte Leistung vollbrachte Carl Fredrik Hagen als Achter der Vuelta a Espana. Nur bei den Frühjahrsklassikern blieb das Team blass, Tim Wellens sorgte als Dritter bei Gent-Wevelgem für den einzigen Podiumsplatz. Immerhin gewann Jelle Wallays im Herbst mit Paris-Tours noch ein großes Eintagesrennen. All diese Ergebnisse traten jedoch angesichts des Todes von Björg Lambrecht in den Hintergrund: Der junge Belgier starb an den Folgen eines Sturzes bei der Polen-Rundfahrt.
Die wichtigsten Zu- und Abgänge: Lotto Soudal hat seine Klassikerfraktion umgebaut. Tiesj Benoot galt lange als großer belgischer Hoffnungsträger für die Frühjahrrennen, stagnierte jedoch zuletzt in seinen Leistungen. Er setzt seine Karriere bei Sunweb fort. Mit Jens Keukeleire (EF) und Lawrence Naesen (AG2R) verließen zwei weitere Klassikerspezialisten das Team. Außerdem zog es Campenaerts zum Team NTT und Jelle Vanendert zum Zweitdivisionär Wallonie – Bruxelles. Maxime Monfort und Adam Blythe beendeten ihre Karrieren.
Dafür investierte die Teamleitung in zwei routinierte Klassikerspezialisten: Philippe Gilbert (37, Deceuninck - Quick-Step) und John Degenkolb (30, Trek - Segafredo) werden Lotto Soudal im Frühjahr anführen. Daneben erhielten Gerben Thijssen und Kobe Goossens aus dem eigenen Nachwuchs die Beförderung zu den Profis – insbesondere Goossens verbuchte in den Nachwuchskategorien einige gute Resultate. Der Belgier Steff Cras kam von Katusha - Alpecin.
Im Fokus: Für Philippe Gilbert ist es eine Rückkehr nach acht Jahren. Bereits zwischen 2009 und 2011 gehörte der Belgier zum Team, reifte damals endgültig zum Weltklasse-Profi und gewann zweimal Il Lombardia, Lüttich-Bastogne-Lüttich sowie etliche weitere Klassiker. Inzwischen sind mit der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix zwei weitere Monumente hinzugekommen, so dass Gilbert nur noch Mailand-Sanremo in dieser Sammlung fehlt. Der Weltmeister von 2012 gehört zweifellos zu den erfolgreichsten Profis der Gegenwart und ist in Belgien extrem populär, nicht unwichtig für ein belgisches Team wie Lotto Soudal. Gerade wegen seiner üppigen sportlichen Vita und seinem Standing dürfte Gilberts Verpflichtung für gleich drei Jahre jedoch kostspielig gewesen sein – und angesichts seiner 37 Jahre nicht ohne Risiko. Mindestens eine herausragende Saison sollte Gilbert aber noch in den Beinen haben. Die Teamleitung wird es hoffen.Â
Aufgepasst auf … Stan Dewulf. Lotto Soudal legt viel Wert auf die Nachwuchsarbeit, unter anderem stammten Wellens und Benoot aus dem sogenannten Farmteam. Dewulf könnte das nächste erfolgreiche Eigengewächs werden: In seiner U23-Zeit beeindruckte er mit vielseitigen Fähigkeiten, gewann die U23-Austragung von Paris-Roubaix und feierte diverse Etappensiege und erzielte gute Gesamtplatzierungen bei hügeligen Rundfahrten. Seine erste Profisaison im Vorjahr war in erster Linie ein Lehrjahr auf jedem Terrain, in Zukunft soll Dewulf sich auf die Klassiker spezialisieren, sowohl auf dem Pavé als auch in den Ardennen. Möglicherweise liefert der 22-Jährige schon 2020 die ersten vielversprechenden Resultate.
Ausblick 2020: Die Ambitionen bleiben unverändert: Lotto Soudal konzentriert sich in erster Linie auf Eintagesrennen und Etappensiege, Klassement-Ambitionen spielen hingegen kaum eine Rolle. Diese Strategie funktioniert seit Jahren und sollte sich auch 2020 auszahlen. Insbesondere Ewan blühte in neuer Umgebung auf und dürfte auch in der kommenden Saison dem Team eine zweistellige Anzahl an Siegen bescheren. Für den 25-Jährigen steht erneut der Doppelstart beim Giro und der Tour an, bei beiden Rundfahrten sind Tagessiege realistisch. Ein großes Plus ist sein eingespielter Sprintzug um Jasper De Buyst und Roger Kluge, auch Degenkolb kann sich hier als sinnvolle Verstärkung erweisen – und unter Umständen auch die eine oder andere Chance bekommen.
Der Deutsche schultert mit Gilbert in erster Linie aber die Hoffnungen im Team, künftig bei den Frühjahrsklassikern wieder eine bedeutendere Rolle einzunehmen. Zwar befindet sich Gilbert im Spätherbst seiner Karriere und Degenkolb ist seit seinem schweren Trainingssturz 2016 nicht mehr der Siegfahrer früherer Jahre. Trotzdem kann diese Kombination für Lotto Soudal funktionieren. Beide wissen, wie man große Klassiker gewinnt, und gerade Gilbert zeigte zuletzt keinerlei Anzeichen von Müdigkeit. Einziges Manko: Durch die vielen Abgänge hat Lotto Soudal für die flämischen Klassiker an (Helfer)-Qualität verloren.
Ein Mann für fast jedes Terrain bleibt Wellens: Der Belgier fährt jede Saison zuverlässig seine Siege ein, nur der karrieredefinierende Erfolg fehlt ihm noch in seiner Vita – das Potenzial dafür besitzt der 28-Jährige allemal. Für Furore werden wieder die Auftritte von De Gendt sorgen, der als einer der profiliertesten Fluchtspezialisten gilt und immer für einen Sieg gut ist. Auch Wallays ist in der Hinsicht zu beachten. Interessant dürfte zudem Hagens weitere Entwicklung sein: Der 28-Jährige ist als Kletterer eine Ausnahme im Team und wird zeigen müssen, ob er seine überraschenden Leistungen der vergangenen Spanien-Rundfahrt wiederholen kann.
Das Aufgebot von Lotto Soudal überzeugt eher in der Spitze als in der Breite. Dennoch ist damit eine erfolgreiche Saison möglich – die Vorjahre haben es gezeigt.
Eckdaten:
Land: Belgien
Hauptsponsor: Lotto, Soudal
Branche: Nationallotterie, Klebstoffe
Teamchef: Marc Sergeant
Radausrüster: Ridley
Teamranking-Platzierung 2019: 9
Fahrer im Aufgebot: 28
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