Interview mit dem Stölting-Sportdirektor

Jochen Hahn: "Wir hoffen auf die Ardennen-Klassiker"

Von Joachim Logisch aus Portocolom

Foto zu dem Text "Jochen Hahn:
Stölting-Teamchef Jochen Hahn | Foto: Cor Vos

24.01.2016  |  (rsn) - Der schwere Unfall der Giant-Alpecin-Trainingsgruppe hat auch das deutschen Team Stölting, das sich auf Mallorca im Trainingslager befindet, schwer geschockt. "So etwas ist ganz bitter. Jeder, der ständig auf der Straße unterwegs ist, kann getroffen werden. Wir müssen froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Ich hoffe für alle Beteiligten, dass sie so schnell wie möglich wieder gesund werden und ins Renngeschehen zurückkehren können", erklärte Sportdirektor Jochen Hahn vor dem Interview, das er radsport-news.com im Trainingslager auf Mallorca gab.

Ihr Team Stölting bereitet sich hier in Portocolom auf seine erste Saison vor. Wie ist Ihr Fazit?
Jochen Hahn: Wir haben es optimal getroffen. Das Hotel ist ruhig und steht ganz alleine zu unserer Verfügung. Das Wetter ist gut. Alles bestens!

Dazu passt leider nicht die Nachricht, dass Stölting keine Einladung für Mailand-Sanremo bekommen hat, obwohl Gerald Ciolek das Rennen 2013 gewann...
Hahn: Ja, das macht uns etwas traurig. Sportliche Gesichtspunkte haben dort sicher nicht die einzige Rolle gespielt. Gerald ist in diesem Jahr sehr heiß und hätte sicher um den Sieg mitfahren können.

Welche Rennen könnten ihm stattdessen liegen?
Hahn: Wir werden uns jetzt hinsetzen und eine neue Planung machen. Er wird einige Klassiker fahren, damit er sich dort weiterentwickeln kann. Er bekommt dort alle Freiheiten. Und dann sehen wir mal!

Welche Rolle bekommt Linus Gerdemann?
Hahn: Die Rennen, die ihm liegen, wie im letzten Jahr die Luxemburg-Rundfahrt (die er gewann, d.Red), wird er als Kapitän bestreiten. Ansonsten wird er seine Erfahrung an die jungen Leute weitergeben. Das kann er wirklich sehr gut. Ich bin sehr froh, dass wir ihn in der Mannschaft haben."

Fabian Wegmann?
Hahn: Er ist jetzt der Zweitälteste bei uns. Er hat enorm viel Erfahrung und eine sehr positive Ausstrahlung auf die jungen Fahrer. Fabi kenne ich, seit er Schüler war. Er ist auch eine große Bereicherung.

Wird Wegmann in den Ardennen-Klassikern seine Chance bekommen?
Hahn: Da hoffen wir, größere Aussichten auf eine Wildcard zu haben. Denn das sind die Rennen, die uns liegen. Wenn wir dort fahren, wird er seine Rolle bekommen."

Zu den alten Hasen kommen die großen Talente wie Lennard Kämna. Was kann er mal erreichen?
Hahn: Wir sind da sehr zurückhaltend, weil wir ihn nicht unter Druck setzen wollen. Letztes Jahr hatten wir nur ein Ziel, das war das Abitur. Das hat er geschafft. Und sportlich war es auch nicht schlecht!

Ab jetzt gibt es für ihn nur noch Radsport?
Hahn: Er ist jetzt Profi. Jetzt geht's um's reinschnuppern und lernen, lernen. Ohne Druck, da kann ich mich nur wiederholen.

Es gibt auch Kritik, weil Lennard Kämna noch nicht in der WorldTour fährt.
Hahn: Es gibt im Moment die Tendenz, dass sich WorldTour-Teams junge Fahrer aus Etatgründen holen, weil sie nur das Mindestgehalt kosten. Dabei haben sie die Hoffnung, dass ein paar überleben.

Ein geschützter Bereich ist für Talente besser?
Hahn: Es gibt zwei Aspekte. Der eine ist physiologischer Natur. Wir sind ein Ausdauersport. Sich einzubilden, dass man da Wunder vollführen kann, ist aus meiner Sicht völlig unlogisch. Ich bin Physiker. Die Gefahr, dass junge Fahrer zu viel machen, ist viel zu groß. Für Lennard wäre es auch im Kontinental-Bereich noch okay gewesen. Es ist jetzt ein Glück für ihn, dass wir den Weg mit dem Pro-KT gehen können, wo er wirklich eine geschützte Position hat. Es ist nicht unmöglich, das auch in der WorldTour zu tun. Es ist aber unwahrscheinlicher, dass es funktioniert. Von Sponsoren in der WorldTour kam der Druck auf, Kämna zu holen. Aber auch Sportliche Leiter haben gesagt, es sei kompletter Wahnsinn, ihn jetzt in die WorldTour zu schicken."

Kann man richtig gute Ausdauerleistungen erst erbringen, wenn man älter ist?
Hahn: Wenn man es sauber machen will, muss man sich Zeit lassen. Natürlich hängt es auch von physischen Voraussetzungen ab. Aber gute Ausdauerleistungen haben immer etwas mit einer langsamen Belastungssteigerung zu tun.

Zu Indurains Zeiten hieß es, dass der Leistungshöhepunkt für Ausdauerleistungen mit 28 Jahren erreicht wird.
Hahn: Das ist ein Durchschnittswert. Die Sportwissenschaft hat sich nicht geändert, der Körper ist auch 20 Jahre später noch der gleiche.

Nur mit Unterstützungsmitteln kann man das beschleunigen?
Hahn: Ja, das war ein Weg, aber nicht meiner.

Sie waren Physiker, was genau haben Sie gemacht?
Hahn: Ich habe Physik studiert und als Physiker im Bereich der Opto-Elektronik gearbeitet. Aber nur bis zur Wende (1989/90, d. Red.).

Was heißt Opto-Elektronik?
Hahn: Das letzte, was ich gemacht habe, war die Entspiegelung von Flüssigkristall-Displays im VEB-Werk für Fernsehelektronik. Ich war dann bei vollen Bezügen freigestellt und habe als Rad-Amateur die Welt gesehen.

Welche weiteren Talente gibt es neben Kämna im Stölting-Team?
Hahn: Mads Pedersen, Sven Reutter, Jonas Tenbrock. Außerdem Rasmus Guldhammer, der aber schon älter ist. Der ist ja schon im letzten Jahr bei einigen WorldTour-Rennen unter die besten Zehn gefahren. Von allen werden wir hoffentlich noch viel hören!"

Mehr Informationen zu diesem Thema

25.02.2016Stölting-Sponsor Mosbacher: "Wir wollen noch größer werden"

(rsn) - Bei der Tour of Qatar und der Tour of Oman im Nahen Osten war das  Team Stölting Service Group schon unterwegs. Im "nahen Westen" wurde der neue deutsche Zweitligist heute in Düsseldorf auc

28.01.2016Gerdemann: "Meine Karriere ist noch nicht zu Ende"

(rsn) - Das Team Stölting steht vor seiner ersten Saison in der zweithöchsten Division des Radsports. Im Gespräch mit radsport-news.com erklärte Kapitän Linus Gerdemann im Trainingslager auf Mall

25.01.2016Darum heißt Guldhammer jetzt Bieber

(rsn) - Trotz bis zu sieben Stunden Training täglich finden die Fahrer des neuen deutschen Rennstalls Stölting Service Groupe auf Mallorca noch Zeit für Späße. So bekam Rasmus Guldhammer von sein

23.01.2016Stölting bereitet sich in Portocolom auf die Saison vor

(rsn) - Portocolom liegt etwa 45 Autominuten entfernt von Palma de Mallorca. Hier bereitet sich das Team Stölting nach dem turbulenten Start im Dezember, als Cult Energy Knall auf Fall die Sponsorver

15.01.2016Große Kreul: "Die Planungen für 2017 laufen bereits"

(rsn) - Nach kräfteraubenden Wochen der Planung blickt Stölting-Teammanager Christian Große Kreul zuversichtlich in die Saison 2016, die sein Rennstall erstmals mit einer ProConti-Lizenz im Gepäck

12.01.2016Stölting: Team-Präsentation findet in Düsseldorf statt

(rsn) – Das Team Stölting wird sich am 25. Februar der Öffentlichkeit präsentieren – und zwar in Düsseldorf, dem Startort der Tour de France 2017. Der neben Bora-Argon 18 zweite deutsche Renns

Weitere Radsportnachrichten

13.05.2024Mit Rouvy Grand-Tour-Recon im Wohnzimmer?

(rsn) - Analoge und digitale Welten verschränken sich immer mehr, auch beim Radsport. Auf besondere Weise dreht Rouvy mittlerweile die Schraube weiter. Auf der 2017 von den Brüdern Petr und Jiri Sam

13.05.2024Erholter Démare kehrt in Dünkirchen ins Feld zurück

(rsn) – Nachdem er aufgrund von Erschöpfungserscheinungen seine Klassikerkampagne bereits nach Gent-Wevelgem am 27. März hatte beenden müssen, kehrt Arnaud Démare (Arkéa - B&B Hotels) in seiner

13.05.2024Bergankunft Nr. 3: Kurze Etappe, langer Schlussanstieg

(rsn / ProCycling) – Schon in der ersten Woche des 107. Giro d´Italia hat es Ausreißversuche gegeben, die von Erfolg gekrönt waren. Doch erst die 10. Etappe durch den südlichen Apennin weist ein

13.05.2024Thomas kritisiert Neapels Straßen: “War ein absolutes Gemetzel“

(rsn) – Ein astreiner Massensprint und breite Straßen auf den letzten Kilometern: Auf den ersten Blick war das Finale der 9. Etappe beim Giro d´Italia in Neapel nichts Besonderes. Doch im Peloton

13.05.2024Die letzten Hügel taten Milans Beinen weh

(rsn) – Im vergangenen Jahr musste sich Jonathan Milan in Neapel am Ende der damaligen 6. Giro-Etappe Mads Pedersen geschlagen geben. Damals stand der Italiener noch bei Bahrain Victorious unter Ver

13.05.2024Bringt der Flèche du Sud den erhofften “Bumms“?

(rsn) - Gleich fünf der neun deutschen Kontinental-Teams waren in der vergangenen Woche beim Fléche du Sud (2.2) dabei. In Luxemburg standen sie allerdings zumeist im Schatten ihrer für internatio

12.05.2024Trotz widriger Umstände rast Kooij beim Giro zum ersten Sieg

(rsn) - Die ersten beiden Massensprints des diesjährigen Giro d’Italia (2. UWT) liefen nicht nach dem Geschmack von Olav Kooij und seinem Team Visma – Lease a Bike. Doch die dritte Chance konnte

12.05.2024Krieger bei Sturz auf 9. Giro-Etappe schwer verletzt

(rsn) – Nach einem schweren Sturz im Finale der 9. Etappe musste Alexander Krieger mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Wie sein Team Tudor am Abend auf X mitteilte, sei der St

12.05.2024Auch ohne Sieg ist Buchmann ein Gewinner der Ungarn-Rundfahrt

(rsn) – Den Frust über seine Giro-Ausbootung hat Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) in viel Angriffslust umgewandelt. Nachdem er bereits am 1. Mai bei Eschborn-Frankfurt (1.UWT) mit einer offens

12.05.2024Kooj triumphiert im Sprint-Krimi von Neapel vor Milan

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat die 9. Etappe des 107. Giro d’Italia im Massensprint gewonnen. Nach 214 Kilometern mit Start in Avezzano und Ziel in Neapel jagte er auf den letzten

12.05.2024Flèche du Sud: Teutenberg-Team am Schlusstag auf 1-2-3

(rsn) – Der Flèche du Sud (2.2) ist für viele der deutschsprachigen Fahrer und Teams erfreulich zu Ende gegangen. Am Schlusstag feierte Tim Torn Teutenberg mit seinem Team Lidl – Trek Future Ra

12.05.2024Narvaez: “Manchmal klappt es und manchmal nicht“

(rsn) – Rund 30 Meter fehlten Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) im Finale der 9. Etappe des Giro d’Italia (2.UWT) – stattdessen ging der Sieg an Olav Kooij (Visma – Lease a Bike). Die letzte

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)