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22.12.2014 | (rsn) – Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. In seinem Beitrag erinnert sich Thomas Goldmann an den Tour de France-Sieg von Vincenzo Nibali, bei der sich der „Hai von Messina“ in der „Hölle des Nordens“ als Favoritenkiller entpuppte.
Mein persönliches Highlight der Saison 2014 beginnt am 28. Juni im Nonstal. Jenes Datum markiert die Auferstehung eines fast schon totgeschriebenen Tourfavoriten.
Froome oder Contador? Für viele Experten war vor der Tour de France klar, dass einer der beiden Rundfahrten-Tenöre die Schleife durch Frankreich für sich entscheidet. Der Name Vincenzo Nibali fiel nur selten. Zu schwach waren die Auftritte des Italieners in der Vorbereitung bei Paris-Nizza oder der Tour de Romandie.
Dass der Sizilianer am 27. Juli in Paris die Tour de France gewinnen würde, ließ sich erst bei den nationalen Titelkämpfen am 28. Juni erahnen. Die Art und Weise, wie Nibali an diesem Tag mit der Konkurrenz spielte, mehrfach attackierte und den jungen Davide Formolo im Zweiersprint spielend in die Schranken verwies, war beeindruckend. Es war der erste Lichtblick in Nibalis Tourvorbereitung - in Italien glaubte man wieder an den Toursieg, denn das Jahr 2014 begann für Nibali zäh wie Kaugummi.
Die Geburt seiner Tochter Emma und eine anstrengende Vorsaison, als der Italiener den Giro gewann und die Vuelta auf Platz zwei beendete, sorgten dafür, dass der „Hai von Messina“ die Zügel in der Vorbereitung schleifen ließ. Mit einigen Kilos zu viel kam Nibali zum Start von Paris-Nizza. Dementsprechend lieferte er mit Rang 21 in der Gesamtwertung ein Ergebnis unter ferner liefen ab. Und spätestens nach dem biederen Abschneiden bei der Romandie-Rundfahrt fragte man sich: Wie soll dieser Mann im Juli jenseits der Baumgrenze zur Attacke blasen?
Nach über vier Wochen ohne Renneinsatz bot sich beim Critérium du Dauphiné ein anderes Bild – Nibali zeigte sich in guter Verfassung. Sein Auftritt bei den italienischen Meisterschaften bestätigte schließlich den Eindruck eines stark verbesserten Tourfavoriten.
Bereits beim ersten Härtetest der Tour 2014 setzte der Sizilianer ein fettes Ausrufezeichen. Contador und Froome betrieben auf dem Weg nach Sheffield Manndeckung, der Italiener nutzte die Gunst der Stunde, nahm sein Herz in die Hände und gewann die Etappe. Keine drei Tage später sollte sich der „Hai von Messina“ in der „Hölle des Nordens“ als Favoritenkiller entpuppen. Auf der 5. Etappe holte Nibali zum Rundumschlag aus. Ein denkwürdiger Tag, an den man sich als Radsportenthusiast noch in vielen Jahren erinnern wird.
Auf den gefürchteten Pavé-Sektionen von Paris-Roubaix stellte Nibali die Weichen auf Gesamtsieg und begrub zugleich die Ambitionen seiner beiden schärfsten Konkurrenten. Während Contador aufgrund einer vorsichtigen Fahrweise fast zweieinhalb Minuten auf Nibali verlor, musste Chris Froome noch vor der ersten Kopfsteinpflasterpassage in den Mannschaftswagen steigen und das Rennen aufgeben.
Viele kritische Stimmen sprachen bei den infernalischen Bedingungen auf den Straßen Nordfrankreichs von einem Lotteriespiel, doch Nibalis herausragende Leistung in der „Hölle des Nordens“ war keinesfalls ein Zufallsprodukt. Seine technischen Fähigkeiten, die vielen Winter-Trainingseinheiten auf dem Mountainbike, die Inspektion der Strecke und der Verzicht auf High-End-Material sorgten an diesem Tag für eine Vorentscheidung im Kampf um den Toursieg.
Für mich waren es nicht Nibalis Siege bei den Bergankünften, die so beeindruckend waren, es war dieser Tag auf dem Weg nach Arenberg, der mir in Erinnerung bleibt. Es war beeindruckend zu sehen, mit welcher Eleganz und Leichtigkeit Nibali seine Maschine über das Pflaster manövrierte – als wenn man Federer beim Tennis, Zidane beim Fußball- oder Mozart beim Pianospielen zusehen würde - Arbeitsgerät und Künstler verschmolzen zu einer Einheit. Dass Nibali auf dem Kopfsteinpflaster sogar die Spezialisten Cancellara und Sagan stehen lässt, hätte er sich wohl selbst nicht erträumt. Contador und alle anderen Favoriten litten an diesem Tag, bei Nibali konnte man sogar Freude an der Schinderei erkennen.
Nachdem mit Chris Froome der Vorjahressieger frühzeitig die Segel streichen musste, blieb nur noch Alberto Contador als ernsthafter Herausforderer für Nibali. Würde es der Spanier schaffen, dem Italiener über zweieinhalb Minuten abzunehmen? Das bleibt Spekulation - schließlich musste der „Pistolero“ in den Vogesen das Rennen nach einem Horrorcrash verlassen - eines steht aber fest: Bis Paris hätte es einen Kampf auf Biegen und Brechen gegeben.
Immerhin, in Teil eins konnte Contador einen Punktsieg verzeichnen. Bei der Mini-Bergankunft in Gérardmer La Mauselaine nahm er Nibali am Ende ein paar Sekunden ab. Für mich bleibt diese Etappe ein Highlight der Tour 2014, weil sich ein Vergleich zweier völlig unterschiedlicher Fahrstile bot. Contador beackerte seine Maschine wie ein Boxer einen Sandsack und prügelte das Rad regelrecht die steile Rampe zur Skistation hoch, Nibali blieb dagegen geschmeidig wie eine Katze im Sattel sitzen, hielt den Oberkörper starr wie einen Granitblock und taxierte den Spanier immer wieder.
Nach Contadors Ausscheiden stellte sich, wie befürchtet, im Kampf um den Toursieg Langeweile ein. Bereits am Planche des Belles Filles zeigte Nibali der Konkurrenz, wo der Hammer hängt. Weder das Ag2R-Duo Péraud-Bardet, noch Frankreichs große Hoffnung Thibaut Pinot konnten Nibali in den Bergen in Schwierigkeiten bringen. Der Italiener fuhr ein taktisches Rennen, blieb stets Herr der Lage, ließ die Konkurrenz ihre Spielchen spielen, attackierte, wenn es notwendig war, fuhr aber keine astronomischen Abstände heraus – wie es früher oft der Fall war.
Nibali zeigte, dass er, was den Renninstinkt betrifft, ein ganz Großer ist. Bezeichnend ist für mich eine Szene auf der 15. Etappe nach Nîmes. Nibali fährt an ca. 20. Position, BMC versucht eine Windstaffel zu bilden, der Italiener bemerkt die Gefahr, überholt seine eigenen Mannschaftshelfer und schleust sich in die BMC-Phalanx an der Spitze des Feldes ein. Bei einer ähnlichen Aktion hatte Chris Froome 2013 panisch zum Funkgerät gegriffen und Zeit gegen Alberto Contador auf einer Windkante eingebüßt.
Bezeichnend ist für mich auch, dass Nibali sich aus den Massenstürzen heraushielt. Natürlich ist das auch Glück, aber mit einer aufmerksamen Fahrweise lässt sich das Risiko zumindest ein wenig minimieren.
Natürlich will ich Nibali, was das Doping-Thema angeht, nicht freisprechen, ganz im Gegenteil, kritische Fragen tun dem Radsport gut – und anderen Sportarten auch. Die jüngsten Erfahrungen haben uns gelehrt, dass viele Toursiege letztlich Etikettenschwindel waren. Das kann auch beim Italiener der Fall sein. Die Enthüllungen um das Astana-Team, im Zusammenhang mit Dr. Ferrari, werfen kein gutes Licht auf den Sizilianer. Auch, dass sein Coach Paolo Slongo Kontakte zum berüchtigten „Preparatore“ gepflegt haben soll, macht Nibalis Leistungen nicht glaubwürdiger.
Der Italiener wird mit den Zweifeln leben müssen, denn gerade im Radsport, das hat die Vergangenheit allzu oft gezeigt, taugen negative Dopingkontrollen nicht mehr als moralischer Unschuldsbeweis. Es ist jedoch bedenklich, dass bei all dem Wirbel um Astana vergessen wird, dass Nibali, stand heute, in den Akten der Staatsanwaltschaft nicht auftaucht und sich auch sonst keine Verfehlungen in Sachen Doping geleistet hat.
Sportlich gesehen war Nibalis Toursieg die Folge einer konsekutiven Entwicklung. Der Italiener hat sich in seiner Karriere Schritt für Schritt an die Weltspitze herangearbeitet. Bei der Vuelta feierte er 2010 seinen ersten Sieg bei einer dreiwöchigen Landesrundfahrt, 2013 folgte der Giro und jetzt die Tour. Neben Merckx, Hinault, Anquetil, Contador und Gimondi ist er erst der sechste Fahrer, der Giro, Tour und Vuelta gewinnen konnte.
Ein Makel bleibt jedoch: Nibali hat die Tour nicht im Kampf Mann gegen Mann mit Contador und Froome gewonnen. Deshalb wünsche ich mir für 2015, wie wohl die meisten Radsportfans, einen spannenden Fight der stärksten Fahrer um den Toursieg. Und wer weiß? Vielleicht steht Nibali ja auch dann wieder mit seinem Glücksbringer, dem „Maglia Tricolore“, am Start.
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