Teo Tigers Tour-Tagebuch 10

Bourg de Peage - Mende: Lolo Jaja

Foto zu dem Text "Bourg de Peage - Mende: Lolo Jaja"
Der kleine Tiger auf dem Weg nach - ja wohin denn nun? Illustration: Janosch film & medien AG

17.07.2010  |  (rsn, tt) – Braungebrannt, mit einer weißen Sonnenbrille aus der eigenen Kollektion stand der Namenspatron am Freitag höchstselbst an der „Montée Laurent Jalabert“ und hielt Ausschau nach den Führenden. Ob die sich an seinen Tipp halten, erst am Schluss anzugreifen? „Der Anstieg ist verdammt steil. Und lang“, hatte Laurent Jalabert zuvor in seinen zahlreichen Sendungen auf RTL France immer wieder verkündet, „das hab ich 1995 knallhart erfahren“.

Contador hielt sich an Laurents Hinweis. Er konnte zwar nicht gewinnen (trotz - oder wegen? - Contas Kopfschütteln ließ ihm sein Landsmann und Freund Rodriguez im Zielsprint keine Chance), aber er nahm seinem Hauptkonkurrenten Andy Schleck zehn Sekunden ab. Der hatte es zu früh versucht und war dann verhungert. „Jajas Tip war gut“, sagte Conta später. Jaja? So nennen seine Fans Laurent Jalabert. Seine Freunde nennen ihn Lolo.

Lolo Jajas großer Tag war der 14. Juli 1995. Am Nationalfeiertag der Franzosen greift er im Schlussanstieg zum Flugplatz Mende auf seine unnachahmliche Art an, distanziert die Spitzengruppe um Basso und Voigt klar – und muss kämpfen: „10 bis 15 Prozent auf diese Länge sind brutal“, erinnert Jaja sich später. Aber er beisst sich durch, siegt - und ist seitdem Nationalheld. War jaja immerhin Nationalfeiertag.

Ja, ja, so kann's gehen: Einmal gewonnen, und schon wird ein ganzer Berg nach ihm benannt. Der Bürgermeister von Mende, Alain Bertrand, hatte vor fünf Jahren anläßlich der Rückkehr der Tour die großartige Idee, die wenig attraktive, steile Straße zum örtlichen Flughafen „Montée Laurent Jalabert“ zu taufen. Und auch gleich eine Gedenktafel aufzustellen, zu deren Einweihung er natürlich Jaja einlud. Oder darf er ihn seitdem Lolo nennen?

Ja, ja, er machte es seinen Landsleuten nie leicht, der drahtige Südfranzose. Jahrelang war Jaja ihre große Hoffnung auf einen Tour-Triumph – der letzte von Bernard Hinault im Jahr 1985 lag schon eine Weile zurück. Doch Lolo kam beim Grand Boucle über ein paar Etappensiege und undankbare 4. Plätze in der Gesamtwertung nie hinaus. Dann kam zum Pech auch noch ein Unglück dazu: Bei der Rundfahrt 1994 wurde Jaja von einem fotografierenden Polizisten im Massensprint mit 70 km/h vom Rad geholt und verletzte sich schwer. Viele glaubten an das Ende seiner Karriere. Doch Jaja kämpfte sich zurück, wie es so seine Art war.

Ja, ja, das Jajahr darauf wurde das erfolgreichste seiner Karriere: Erstmals Nummer eins der UCI-Rangliste (und danach vier weitere Jahre in Folge), Erster bei der Vuelta, bei Mailand - San Remo und beim Flèche Wallone, Tour-Etappensieg am Nationalfeiertag und Grünes Trikot in Paris – Jaja on Top. Doch Lolo sah seine Leistungen in der französischen Presse nicht ausreichend gewürdigt, war hinfort beleidigt, und kündigte den Reportern das „Lolo“. Da er für ONCE fuhr, hielt er seine Pressekonferenzen zudem nur noch auf Spanisch ab, und gab französischen Journalisten keine Interviews mehr.

Ja, ja, es kam noch besser. Bei der „Skandal-Tour“ 1998, als die Franzosen in Sachen Doping erstmals durchgriffen, macht er sich zum Anführer des Fahrer-Streiks: „Man behandelt uns wie Tiere, also verhalten wir auch so“, verkündet er damals über die Lautsprecher des Wagens der Rennleitung, den er gekapert hatte. Aber auch die Sitz- und Bummelstreiks helfen nix, die Durchsuchungen gehen weiter. ONCE reist empört ab, und Jaja bezeichnet die UCI-Kommissare als „Vampire“ und „Neonazis“.

Ja, ja, er entschuldigt sich später, doch das Band ist zerschnitten: Leblanc kündigt ihm seinerseits den „Lolo“. Jaja tritt aus dem französischen Radsportverband aus, zieht in die Schweiz und fährt in Frankreich keine Rennen mehr. Dass er aus dem Verband ausgetreten ist, um der engmaschigen medizinischen Langzeit-Überwachung der Franzosen zu entgehen, behaupten nur freche Journalisten, die ihn nicht Lolo nennen dürfen. Meint der Tiger.

Ja, ja, dann das Doping-Chaos bei ONCE. Jaja zieht 2001 die Notbremse, und  wechselt zu Bjarne Riis' CSC-Equipe. Dann schult er nochmal um: Aus dem knallharten Sprinter wird ein zäher Bergspezialist – was aber wieder vor allem die Presse-Schmierer wundert, mit denen Jaja sowieso nicht redet. Und die ihn vermutlich nicht mal Jaja nennen dürfen. Wie auch immer – zweimal gewinnt der gewandelte Jaja das Bergtrikot der Tour und ist damit neben Merckx und Hinault in dem exklusiven Trio, das sowohl die Punkte- als auch die Bergwertung der Frankreich-Rundfahrt gewinnen konnte.

Ja, ja, so war das. Immerhin hat die Geschichte noch so etwas ähnliches wie ein Happy End. Bei der Straßen-WM in Zolder 2002 beendet Jaja seine Radsportkarriere. Zum Abschluss hatte er nochmal das rot gepunktete Trikot der Tour gewonnen. Seitdem widmet er sich dem Triathlon und dem Marathonlauf: In New York durchbricht er 2005 die magische 3-Stunden-Marke.

Ja, ja, und dann noch seine neue Karriere bei RTL France, als Radsport-Journalist. Während der Tour hat er drei Sendungen täglich, bei denen er auch wieder mit französischen Kollegen redet. Ob die ihn mittlerweile schon Lolo nennen dürfen, war bis Redaktionsschluss nicht zu ermitteln. Franzosen-Präsi Sarko darf es bestimmt. Den hat Lolo 2007 bei der Tour interviewt. Im Wagen des neuen Renndirektors Christian Prudhomme. Der darf seitdem wohl auch Lolo zu ihm sagen.

Das war's für heute. Vielen Dank, dass Sie bis hierher mitgejajat haben. Und klicken Sie auch morgen wieder rein, wenn Teo Tiger sich so seine Gedanken macht. Dann garantiert Lolo-frei. Versprochen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

26.07.2010Longjumeau - Paris: Die härteste Etappe

(rsn, tt) – Schon wieder drei Wochen vorbei, schoss es dem Tiger gestern Nachmittag durch den Kopf, als das Peloton um viertel nach Vier zum ersten Mal auf die Tschämps Ileises (Cavendish) einbog u

25.07.2010Bordeaux - Paulliac: Der Brillen-Onkel

(rsn, tt) – Werden Sie ihn auch nicht wirklich vermissen, den Brillen-Onkel? "Hallo, ich bin Tyler Farrar. Sprinter im Team Garmin-Transitions. Für optimale Leistung... bla blubber bla…" Und das

22.07.2010Pau: Arbeit am Ruhetag

(rsn, tt) – „Der zweite Ruhetag der Tour ist der einzige Tag im Jahr, an dem die Fahrer wirklich arbeiten müssen“, sagt Quick Step-Manager Patrick Lefevere mit einem Augenzwinkern: „Da geht´

20.07.2010Pamiers - Bagnères: Ausreißer mit Hirn

(rsn, tt) – „Die Fahrer heute müssen nicht mehr nachdenken“, beklagte Joop Zoetemelk kürzlich in einem Interview. Der Holländer, der von 1970 bis 1986 jedes Jahr die Tour finishte (Rekord bis

15.07.2010Chambéry - Gap: Allons Enfants…

14. 07. 2010 - (rsn, tt) – … de la Patrie, le Jour de Gloire est arrivé. Auf, Kinder des Vaterlands, der glorreiche Tag ist da. Recht feierlich beginnt die französische Landeshymne, die gestern

12.07.2010Rousses - Morzine: It Ain´t Over ´til it´s Over

12.07.2010 - (rsn, tt) – Es ist erst aus, wenn´s aus ist, sülzte vor ein paar Jahren Lenny Kravitz, der alte Hippie. Ob Lance Armstrong den Song seines New Yorker Freundes auf dem Eipott hat? Dann

09.07.2010Montargis - Gueugnon: Heulende Höllenhunde

(rsn, tt) – Tour-Pedaleure sind ja schon harte Hunde. Fahren mit gebrochenem Schlüsselbein Etappen zu Ende, springen nach Massenstürzen mit Prellungen und Abschürfungen schnell wieder aufs Rad, u

08.07.2010Cambrai - Reims: Auferstanden?

(rsn, tt) – Kaum hatte das Peloton gestern die schöne Champagner-Stadt Cambrai verlassen, konnten sich unter Führung des AG2R-Fahrers Dimitri Champion sechs Ausreißer vom Feld absetzen. Unter ihn

07.07.2010Wanze - Arenberg: Blutbad und Pflaster

(rsn, tt) – War das nun wirklich ein „Blutbad“, wie Lance Armstrong befürchtet hatte? Muss man wegen eines gebrochenen Schlüsselbeins (nicht schön, klar...) und diverser Prellungen die Renn-V

06.07.2010Brüssel - Spa: Wer ist der Patron?

(rsn, tt) – Was wäre die Tour ohne ihren Patron? Er führt das Peloton wie ein Feldherr seine Truppen, definierte einst Jaques Anquetil: „Ohne Widerspruch!“ Und lange herrschten die Tour-Patron

05.07.2010Rotterdam - Brüssel: Hunde-Rennen

(rsn, tt) – Hunde sind des Menschen bester Freund, sagen Hundebesitzer. Oder war´s umgekehrt? Egal. Des Radfahrers bester Freund sind Hunde eher nicht. Es gibt wohl kaum einen Rennradler, der da ni

04.07.2010Prolog: Warten mit Tony Martin

(rsn, tt) – Warten kann ja ganz schön sein. Auf die Freundin, das erste Kind oder auch auf die Rente. Auf Fabian Cancellara, den Mann mit dem Motor zu warten, ist im Rennen nicht nur ein seltenes V

Weitere Radsportnachrichten

31.03.2025“Großvater“ Kristoff landete fast nochmal auf dem Podium

(rsn) – Zwei Monumente konnte Alexander Kristoff (Uno-X Mobility) in seiner Karriere schon gewinnen, aber auch bei Gent-Wevelgem in Flanders Fields war der mittlerweile 37-jährige Norweger schon e

31.03.2025Jakobsen muss unters Messer und steht vor langer Zwangspause

(rsn) – Spätestens nach der Saison 2022 schien der Horror-Sturz von Fabio Jakobsen (Picnic - PoostNL) aus der Polen-Rundfahrt aus dem Jahr 2020 endgültig vergessen, der heute 28-Jährige fuhr mit

31.03.2025Tudor, TotalEnergies und Uno-X bekommen die Tour-Wildcards 2025

(rsn) – Kaum hat die UCI die Bestätigung einer möglichen dritten Wildcard für die Grand Tours im Jahr 2025 bekanntgegeben, ist auch die ASO als Veranstalterin der Tour de France nun bereits vorge

31.03.2025Wiebes‘ unglaubliche Statistiken: Die Zahlen hinter der “100“

(rsn) – Ihren ersten UCI-Sieg feierte Lorena Wiebes im Jahr 2018. Das war damals im Mai beim Dorpenomloop in Aalburg, einem Rennen, das heute nicht mehr ausgetragen wird. Damals war sie 19 Jahre alt

31.03.2025UCI bestätigt Erweiterung der Grand-Tour-Pelotons auf 23 Teams

(rsn) – Nachdem sich das Professional Cycling Council (PCC) bereits für ein zusätzliches 23. Team bei den Grand Tours ausgesprochen hatte, hat nun auch das UCI Management Komitee die Entscheidung

31.03.2025Kool schafft bei Gent-Wevelgem den Befreiungsschlag

(rsn) – Auch wenn die Weltklasse-Sprinterin Charlotte Kool (Picnic – PostNL) beim überlegenen Sieg von Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) bei Gent-Wevelgem (1.UWT) chancenlos aussah, war die 25-

31.03.2025Keßler holt dritten Platz auf Schlussetappe der Olympia´s Tour

(rsn) - Für die Teams Lotto – Kern Haus – PSD Bank und Rembe – rad-net ist mit unterschiedlichen Gefühlen eine insgesamt erfolgreiche Olympia´s Tour zu Ende gegangen und Run & Race - Wibatech

31.03.2025Kooij erleidet Schlüsselbeinbruch bei Gent-Wevelgem

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat sich bei seinem Sturz 72 Kilometer vor dem Ziel bei Gent-Wevelgem (1.UWT) das Schlüsselbein gebrochen. Das bestätigte das niederländische Team vi

31.03.2025Haller fehlte ein halbes PS bei Pedersens Attacke

(rsn) – Durch die immer früheren Attacken der Favoriten bei den belgischen Frühjahresklassikern hat sich die Taktik, über die frühe Ausreißergruppe vor das Rennen zu kommen, in den letzten Jah

31.03.2025Dwars door Vlaanderen im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Dwars door Vlaanderen (1.UWT) ist eines der kürzesten flämischen Eintagesrennen des Frühjahrs. Im vergangenen Jahr etwa betrug die Distanz "nur" 183,7 Kilometer. Für die Fahrer ist das

30.03.2025Pedersen: “Erwartet das nicht immer von mir“

(rsn) – Es war schon eine sehr eindrucksvolle Show, die Mads Pedersen (Lidl – Trek) mit seiner 56 Kilometer langen Soloflucht beim 87. Gent-Wevelgem in Flanders Fields bot. Als wäre nichts weiter

30.03.2025Degenkolb: “Als Mads losfuhr, hatte keiner die Beine“

(rsn) – John Degenkolb (Picnic – PostNL) hat beim 87. Gent-Wevelgem (1.UWT) eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er trotz seiner 36 Jahrebei harten, langen Eintagesrennen immer noch mit der

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine