Das Graue Trikot – Teil 15

Wolf im Schlafrock

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Wolf im Schlafrock"

Lance Armstrong (Astana)

Foto: ROTH

20.07.2009  |  (rsn) - Die Bergankunft in Verbier hat nicht nur die Kräfteverhältnisse im Team Astana offenbart, sondern auch in der Ü35-Senioren-Wertung. Selbst der wacker kämpfende Schorse Hincapie hat zweieinhalb Minuten auf den Lance eingebüßt und kann nur noch zaghaft als Verfolger bezeichnet werden. Aber am Ruhetag will die Jury erneut intensiv beraten, ob Armstrong überhaupt noch tragbar ist für das Graue Trikot, das er nun wiederum trägt. Ein Schatten lastet auf seiner Leistung. Aber das kennt man ja eigentlich gar nicht anders.

2:28 Minuten trennen Schorse vom Lance im Ü35-Klassement. Stephane Goubert liegt sechs weitere Minuten zurück, kam aber gestern rund 50 Sekunden vorm Schorsch ins Ziel. Der Kampf um Platz zwei ist also voll entbrannt. Goubert scheint stärker am Berg zu sein und wird wohl als Leutnant für Rinaldo Nocentini fungieren.

Das bedeutet, er muss am letzten Berg lange beim Italiener bleiben. Hincapie dagegen hat gleich drei potenzielle Kapitäne: Kim Kirchen, Tony Martin und Maxime Monfort, die alle noch unter die ersten Zehn fahren können. Dazu gibt es das Sprintmonster Cavendish, das umsorgt werden will. Viel Arbeit für den US-Amerikaner, doch sechs Minuten Polster sind auch nicht zu verachten.

Möglicherweise wird das Duell Hincapie-Goubert ja sogar das Entscheidende um den Sieg in der Wertung Graues Trikot. Denn spätestens morgen Abend soll das Urteil über den Lance gesprochen werde. Zur Erinnerung: Es geht um den faulen Lenz, den sich die Dopingkontrolleure im Astana-Hotel gemacht haben. Armstrong droht der Ausschluss aus der Ü35-Wertung. Wenn er Glück hat, kommt er mit einer Zeitstrafe davon.

Noch ein Wort zur Leistung des Texaners gestern. Er war ja ganz flott unterwegs. Aber man hat auch gemerkt, dass unter der harten Schale des Pudels weicher Kern steckt. Lance ist ein Sensibelchen. Er fuhr sehr ordentlich, bis ihn auch die letzten Mitkonkurrenten um Platz zwei hinter Alberto Contador verlassen haben. Als Carlos Sastre und Cadel Evans nach vorn wegfuhren, büßte Armstrong, obwohl es flacher wurde, noch mal 30 Sekunden ein. Sogar Hilde Klöden distanzierte sich schließlich von ihm. Man konnte glauben, der Lance müffelt.

Er kann mit solchen Situationen einfach nicht umgehen. Wie auch? Er hat sie ja fast nie erlebt bisher. Und wenn, dann wurden ulkige Ausreden erfunden. Hungerast am Joux Plane im Jahr 2000, vergammeltes Essen im Hotel vor der Züri Metzgete 2000, schleifende Bremse in Alpe d’Huez 2003 und die famose Dehydrierung im Zeitfahren nach Cap Decouverte 2003: Die Maschine hat nicht genug geölt – wer’s glauben mochte.

Das ist irgendwie das Schöne seit der Rückkehr des Siebenmaligen. Er braucht dieses Gefasel nicht mehr. Jetzt kann er das Alter vorschieben. Das macht er ja auch ganz geschickt: In TV-Interviews rückt er immer seine Schläfen ins rechte Bild, um zu dokumentieren, dass es dort schon graut. Wem vor einem erneuten Ritt Armstrongs in Gelb graute, sollte aber jetzt noch nicht zu tief durchatmen. Vor allem Contador nicht.

Denn dem Lance ist nicht über den Weg zu trauen. Er tut einsichtig, bietet sich als Helfer an. Doch der Blick aufs Klassement macht es deutlich: Er hat 1:37 Rückstand. In der Tour de France ist das doch fast nichts. Der führt `was im Schilde, der graue Wolf im Schafspelz.

Diese Redewendung hat Lance übrigens von Hilde gelernt. Da sein Deutsch schlecht ist, kam es gestern Abend zu einem peinlichen Auftritt. Lance wollte eine kleine Warnung in Contys Richtung demonstrieren. Dummerweise verwechselte er „Schafspelz“ mit „Schlafrock“ und erschien im Satin-Morgenmantel zum Abendbrot. Mit nichts darunter. „Unpassend“ lautete die meistgebrauchte Vokabel in der Hotel-Lobby.

SN-Wertung Graues Trikot:
1. Lenz*
2. Schorse Hincapie +2:28
3. Stephane Goubert +8:25
4. Voigte +29:31
5. Christophe Moreau +30:35
6. Jose-Luis Arrieta +1:05:30
7. Marzio Bruseghin +1:08:54
8. Bingen Fernandez +1:13:04
9. Joan Horrach +1:08:03
10. Inigo Cuesta +1:10:50
11. Matteo Tosatto +1:23:32
12. Stu O'Grady +1:24:52
13. Steven de Jongh +2:09:13
*Es laufen Verhandlungen am grauen Tisch, ob Lenz wegen unsportlichen Verhaltens in der Ü35-Wertung disqualifiziert werden muss. Das Ergebnis ist offen.

Etappensiege Ü35:
Levi 2, Hincapie 6, Voigte 1, Moreau 1, O’Grady 1, de Jongh 2, Lenz 1, Astana: 1

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