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09.04.2023 | (rsn) – Die Königin der Klassiker gibt sich die Ehre: Das Oster-Wochenende steht ganz im Zeichen von Paris-Roubaix. Am Samstag werden die Frauen zum dritten Mal durch die sogenannte Hölle des Nordens rauschen, bevor am Sonntag die 120. Auflage des großen Kopfsteinpflaster-Klassikers für die Männer auf dem Programm steht.
Während es im Verlauf der Woche in Nordfrankreich immer wieder regnete, ist für beide Rennen kein Niederschlag mehr angesagt und es dürfte zwei weitgehend trockene Rennen geben. Das Wetter spielt in diesem Jahr daher eine eher untergeordnete Rolle, da auch kein allzu starker Wind vorhergesagt wurde. Doch an interessanten Themen mangelt es für den Weg zum Velodrome von Roubaix trotzdem nicht.
radsport-news.com hat sieben Fragen herausgearbeitet, die Paris-Roubaix beantworten soll: ___STEADY_PAYWALL___
Das seit Jahren beste Team im Frauen-Radsport hat in Roubaix bisher einen Makel: Die Königin der Klassiker konnte die Mannschaft von Manager Danny Stam bislang nicht gewinnen. Sowohl bei der Premiere im Oktober 2021 als auch im vergangenen Jahr jubelte Trek – Segafredo – erst mit Lizzie Deignan, dann mit Elisa Longo Borghini. Im Frühjahr 2023 aber schien SD Worx bislang nahezu unschlagbar.
Lotte Kopecky (SD Worx) ist als Vorjahreszweite nach ihrem Flandern-Sieg die Top-Favoritin bei den Frauen. | Foto: Cor Vos
"Nur ein Sieg ist gut genug für uns. Wenn wir das nicht schaffen, werde ich anschließend enttäuscht sein", machte Lotte Kopecky im Vorfeld daher klar. Die Belgierin, die am vergangenen Sonntag erneut die Flandern-Rundfahrt gewann, war im Vorjahr Zweite und verpasste das Double damals nur knapp. Diesmal soll es gelingen und auch wenn Gent-Wevelgem-Siegerin Marlen Reusser fehlt, ist SD Worx erneut bestens aufgestellt.
Nahezu alles hat sie in ihrer langen Laufbahn schon gewonnen und eigentlich darf Paris-Roubaix in den Palmares von Marianne Vos (Jumbo – Visma) auch nicht fehlen: Der Parcours liegt der achtmaligen Cross-Weltmeisterin und bei der Premiere vor anderthalb Jahren war sie hinter Deignan bereits Zweite. 2022 galt Vos als Top-Favoritin, bis sie am Morgen des Rennens ihren Start wegen eines positiven Corona-Tests absagen musste.
Marianne Vos (Jumbo – Visma) hat nicht mehr viele Rechnungen offen – eine in Roubaix aber auf jeden Fall. | Foto: Cor Vos
Doch leider lief auch das Jahr 2023 bislang nicht wie geplant: Mitte Februar musste sie sich an der Beckenarterie operieren lassen, nachdem eine dortige Verengung ihr im Winter immer wieder Probleme bereitet hatte. Erst mit der Trofeo Alfredo Binda stieg Vos am 19. März in die Straßensaison ein. Immerhin wurde sie zehn Tage danach bereits Dritte bei Dwars door Vlaanderen (1.Pro). Ihre Form kann also nicht allzu schlecht sein – aber ist sie gut genug für den Roubaix-Sieg?
Als Deignan 2021 zum Sieg in Roubaix stürmte, hatte sie sich schon auf dem allerersten Pavé-Sektor von der Konkurrenz abgesetzt und im Regen ein episches 82-Kilometer-Solo mit dem Sieg gekrönt. Dabei profitierte sie davon, dass in der Verfolgerinnengruppe immer wieder durch Stürze Zeit liegen gelassen wurde.
Lizzie Deignan gewann für Trek - Segafredo 2021 das erste Paris-Roubaix der Frauen. | Foto: Cor Vos
2022 setzte sich Deignans Teamkollegin Longo Borghini 34 Kilometer vor Schluss ab und zog bis ins Velodrome alleine durch. Bislang war ein langes Solo bei Paris-Roubaix Femmes also der Schlüssel zum Sieg. Doch bleibt das auch diesmal so oder sehen die Fans vor Ort erstmals den Sprint einer Kleingruppe im altehrwürdigen Beton-Oval?
96 Kilometer dauert es, bis im Rennen der Männer am Sonntag der erste Kopfsteinpflaster-Sektor erreicht wird. In der Geschichte des Rennens setzte sich in der Anfangsphase meist eine auf den ersten Blick ungefährliche Gruppe aus dem Peloton ab, aus der heraus einzelne Fahrer dann aber doch sehr weit kamen – mit dem Sieg von Matthew Hayman (Orica – GreenEdge) 2016 als Krönung.
Matthew Hayman (Orica – GreenEdge) gewann 2016 sensationell: Er war Teil einer frühen Gruppe und hielt sich im Finale bei den Top-Favoriten, um dann Tom Boonen zu schlagen. | Foto: Cor Vos
In den vergangenen Jahren aber hatten es frühe Ausreißer immer schwerer, weil das Peloton schon in den ersten zwei Rennstunden Vollgas fuhr und kaum jemanden weit weg ließ. Dieser Trend bestätigte sich auch bei der Flandern-Rundfahrt am vergangenen Sonntag wieder. Deshalb stellt sich die Frage: Gibt es diesmal überhaupt eine solche Gruppe oder sind auf dem Pavé von Beginn an die Favoriten vorne?
Während Roubaix-Titelverteidiger Dylan van Baarle (Jumbo – Visma) bei der Flandern-Rundfahrt am vergangenen Wochenende krankheitsbedingt fehlte, ließen mit Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) und Arnaud De Lie (Lotto – Dstny) zwei Mann, die für Roubaix zum Favoritenkreis zählen, die Ronde ganz bewusst aus, um sich auf den Ostersonntag zu konzentrieren.
Ausgeruht nach Compiegne? Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) verzichtete auf die Flandern-Rundfahrt. | Foto: Cor Vos
Ganna beispielsweise besichtigte die Strecke von Paris-Roubaix sogar schon vor einer Woche, als sich alle anderen Augen noch in Richtung Oude Kwaremont, Koppenberg & Co. richteten, um dann noch einmal in die Heimat zu fliegen und sich dort in aller Ruhe vorzubereiten. Er und der belgische Lotto-Youngster De Lie dürften daher so ausgeruht zum Start in Compiegne kommen wie kaum ein anderer unter den Top-10-Kandidaten. Die Frage ist: Hat sich das gelohnt und springt daher nun der große Erfolg für sie heraus?
Die Gelb-Schwarzen waren das Team des Frühjahrs: Jumbo – Visma dominierte die flämischen Klassiker und gewann ein Rennen nach dem anderen. Doch ausgerechnet beim großen Highlight Flandern-Rundfahrt verpasste man das Podium, Wout van Aert wurde in Oudenaarde nur Vierter. Dass sich die Über-Mannschaft des Frühjahrs bei der Ronde die Butter vom Brot nehmen ließ, lag – so analysierten wir danach – wohl auch daran, dass Jumbo - Visma dort nie in die Situation kam, den Ton so anzugeben, wie bei den anderen Rennen zuvor. Das Team reagierte mehr, als es agierte.
Wout van Aert (links) und sein Team Jumbo – Visma bei der sehr Streckenbesichtigung am Donnerstag. | Foto: Cor Vos
Deshalb stellt sich vor dem dritten Monument der Saison nun die Frage, ob man daraus gelernt hat und bei Paris-Roubaix wieder in die Rolle der das Geschehen bestimmenden Mannschaft zurückkehren kann, indem man gefährliche Fahrer früh in die Offensive schickt, so dass Kapitän van Aert am Ende nicht auf sich allein gestellt ist.
Acht Jahre ist es inzwischen her, dass John Degenkolb im Velodrome die Arme in die Höhe riss und für Giant – Alpecin das damalige Paris-Roubaix gewann. Zuvor hatte das 119 Jahre kein Deutscher geschafft. Ein Österreicher stand bei der Königin der Klassiker noch nie ganz oben auf dem Podest und mit Francois Faber gelang das 1913 auch nur einmal einem Luxemburger. Die Schweiz bringt es dank Heiri Suter (1923) und Fabian Cancellara (2006, 2010 & 2013) auf vier Roubaix-Siege.
Stefan Küng (Groupama – FDJ, Mitte) gehört zum Favoritenkreis für das 120. Paris-Roubaix. | Foto: Cor Vos
Bei der 120. Austragung nun steht gleich eine ganze Reihe deutschsprachiger Fahrer am Start, die von diesem großen Coup träumen. Der Schweizer Stefan Küng (Groupama – FDJ) gehört als Vorjahresdritter sogar zum engsten Favoritenkreis. Doch auch Silvan Dillier (Alpecin – Deceuninck) war 2018 bereits Zweiter im Velodrome – und Nils Politt (Bora – hansgrohe) gelang dasselbe ein Jahr später. Neben ihnen gelten auch Max Walscheid (Cofidis), Jonas Rutsch (EF Education – EasyPost) und Degenkolb (DSM) sowie Marco Haller (Bora – hansgrohe) als Top-10-Kandidaten, da sie alle ein starkes Frühjahr hinter sich haben.
Kann einer von ihnen dafür sorgen, dass auf dem Podium im Velodrome Deutsch gesprochen wird?
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