RSNplusKämnas Husarenritt, Vlasov & Hindley stark

Für Bora hätte die Tirreno-Woche kaum besser beginnen können

Von Tom Mustroph aus Lido di Camaiore

Foto zu dem Text "Für Bora hätte die Tirreno-Woche kaum besser beginnen können"
Lennard Kämna (Bora - hansgrohe) im Auftaktzeitfahren von Tirreno-Adriatico | Foto: Cor Vos

06.03.2023  |  (rsn) - Im Auftaktzeitfahren des 58. Tirreno-Adriatico wurde Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) Zweiter hinter Top-Favorit Filippo Ganna (Ineos Grenadiers). Auch seine Co-Kapitäne Jai Hindley und Alexander Vlasov fuhren solide und bescherten dem Bora-Dreizack eine formidable Ausgangsposition im Kampf um die Gesamtwertung.

“Vielleicht haben wir nach dem Zeitfahren ja eine Selektion im Team“, hatte Bora-hansgrohe-Teamchef Ralph Denk an diesem Montagnachmittag bei Regenwetter in der Toskana noch geunkt. Er hatte befürchtet, dass einer seiner drei Rundfahrer ein nicht so gutes Zeitfahren zum Auftakt des Tirreno-Adriatico hinlegen würde.

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Dann aber überraschten ihn seine Profis. Der Australier Jai Hindley und der Russe Alexandr Vlasov kamen nach 11,5 flachen Kilometern fast zeitgleich mit nur einer Sekunde Unterschied auf dem Küstenboulevard am Tyrrhenischen Meer ein. Sie platzierten sich gut im Feld der Klassementfahrer. Eine bzw. zwei Sekunden vor ihnen liegt der dreimalige Vuelta-Sieger Primoz Roglic (Jumbo – Visma), zeitgleich mit Vlasov ist Tausendsassa Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck). Der andere Tausendsassa, Wout Van Aert (Jumbo – Visma) dagegen liegt schon 24 Sekunden dahinter und Thibaut Pinot (Groupama – FDJ), der mit großen Ambitionen nach Italien kam, büßte 20 Sekunden im Vergleich ein. Ein solides Ergebnis des russisch-australischen Duos.

Vlasov und Hindley solide, aber von Kämna übertroffen

Übertrumpft wurden Vlasov und Hindley noch vom Teamkollegen Lennard Kämna. In der letzten Gruppe gestartet, erzielte der 26-Jährige die Bestzeit und musste in der Endabrechnung nur noch den überlegen siegenden Spezialisten Ganna an sich vorbeilassen.

Der Russe Aleksandr Vlasov war im Tirreno-Zeitfahren auf Position 15 zweitbester Bora-Profi und dabei nur eine Sekunde langsamer unterwegs als der dreimalige Vuelta-Champion Primoz Roglic (Jumbo – Visma). | Foto: Cor Vos

Da hatte Denk dann doch seine Selektion, allerdings anders als erwartet. Die 22 bzw. 23 Sekunden Vorsprung, die Kämna auf seine Teamgefährten hat, ändern jetzt aber nicht gleich die Verhältnisse.“ Das ist eine super Ausgangsposition und wir werden natürlich jetzt alles daran setzen, so weit vorne wie möglich zu landen“, sagte der Deutsche Zeitfahrmeister. Und das Wörtchen “wir“ kann man in der Aussage dick unterstreichen. Bora-hansgrohes Spezialität wurde es in der letzten Saison, auf geballte kollektive Feuerkraft zu setzen. So wurde Hindley Giro-Sieger. Und der Australier hält das Konzept auch für diese Saison und für dieses Rennen für tragfähig.

“Wir haben keine Hierarchie im Team“, betonte er. “Bei uns kommt es darauf an, wer die besten Beine hat. Das ist die Ausgangssituation. Wer keine guten Beine hat, stellt sich in den Dienst der anderen. Es ist einfach moderner Radsport, dass Teams bei großen Rennen mit mehreren Leadern an den Start gehen“, meinte der 26-Jährige zu radsport-news.com. Und bei kleineren Rennen wie eben dem Tirreno - Adriatico verfährt man nach dem gleichen Muster.

Denks Lieblingsszenario: Alle drei Kapitäne so lange wie möglich vorne halten

Als Lieblingsszenario stellt sich Teamchef Denk vor, dass alle drei Kapitäne lange in Schlagdistanz um den Gesamtsieg liegen. “Wir wollen uns so viele Optionen wie möglich offen halten“, sagte er. Das Wort Gesamtsieg nimmt der Bayer allerdings nicht in den Mund. “Wir wollen einen Tagessieg und die Top 5. Im letzten Jahr waren wir in den Top 5 (damals mit Hindley, d. Red.), hatten aber keinen Etappensieg. Das wollen wir verbessern“, nannte Denk als Ziele.

Wiederum nur eine Sekunde langsamer als sein Teamkollege Vlasov war Giro-Sieger Jai Hindley. Damit hat sich der Australier ebenfalls eine gute Ausgangsposition im Kampf um die Gesamtwertung verschafft. | Foto: Cor Vos

Seine Rennfahrer sind da schon forscher. “Wir wollen das Rennen für die Farben von Bora-hansgrohe gewinnen“, verkündete Hindley. Auch er sieht die kollektiven Stärken als Basis für diesen Versuch. An den kommenden beiden Tagen will die Bora-Garde in Sachen Klassement aber noch zurückhaltend agieren und vor allem Sprinter Jordi Meeus gut platzieren. “Wir werden in den kommenden Tagen mit Sicherheit nicht irgendwelche Riesenexperimente machen, sondern das erst mal relativ konservativ runterfahren“, blickte Kämna auf die für Sprinter geeigneten Tagesabschnitte zwei und drei voraus.

Jetzt muss Kämna sich am Berg beweisen

Kleine Differenzen in der Form der drei dürfte es aber geben. Kämna und Vlasov bereiten sich auf den Giro vor, haben bereits mehr Rennkilometer absolviert als Hindley, der die Tour de France anpeilt. “Lennard und Alexandr haben schon Höhentrainingslager hinter sich. Wir hoffen, dass das Früchte trägt und dass sie hier auf Topniveau fahren können im Vergleich zur Konkurrenz. Jai hingegen hat noch kein Höhentrainingslager absolviert, weil die Tour de France ja doch ein Stück weit später ist als der Giro. Daher würde ich sagen, Lennard und Alex sind vielleicht ein kleines Stück weiter“, analysierte Denk.

Lennard Kämna stellte seine beiden Co-Kapitäne bei Bora – hansgrohe allerdings in den Schatten und war nach einer beeindruckenden Vorstellung hinter dem souveränen Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) ) “best of the rest“ | Foto: Cor Vos

Für Kämna, derzeit der deutsche Profi mit dem größten Potenzial, handelt es sich ohnehin um eine Schlüsselsaison. Er soll und will seine Qualitäten als Rundfahrer ausloten. Hier beim Tirreno, aber auch später beim Giro. “Ja, es ist der Plan, das auszuprobieren“, bestätigte er gegenüber radsport-news.com. “Wir haben viel in die Richtung gearbeitet. Ich muss jetzt sehen, wo ich am Berg stehe. Damit, wie es derzeit läuft, bin ich sehr zufrieden. Ich freue mich einfach auf die Woche und dann schauen wir mal, was dabei rauskommt“, sagte er.

Besser jedenfalls hätte die Woche kaum beginnen können.

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