RSNplusZiel-Drama auf 7. Tour-Etappe

“Drecksberg“ war für Kämna 90 Meter zu lang

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "“Drecksberg“ war für Kämna 90 Meter zu lang"
Lennard Kämna (Bora - hansgrohe) landete auf der 7. Etappe fast den Coup des Tages | Foto: Cor Vos

08.07.2022  |  (rsn) – Es war äußerst dramatisch, was Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) auf den letzten Metern der 7. Etappe der Tour de France widerfuhr. Als letztes Fahrer einer ehemals elfköpfigen Ausreißergruppe bot er nach einer 125 Kilometer langen Flucht den Klassementfahrern einen heroischen Kampf hinauf zur Super Planche des Belles Filles, der auf den letzten 100 Metern im einem K.O.-Schlag für den Deutschen endete.

Denn wenige Meter fehlten ihm bis zur rettenden Zielline, als er von den Gesamtwertungsfavoriten rund um Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) überholt wurde. Nichts wurde es aus dem Etappensieg, am Ende schleppte sich der Deutsche als Vierter über den Zielstrich der schweren Schlussrampe.

"Ich wusste, dass es mit der kleinen Lücke , die wir noch hatten, eng werden würde", erzählte der Giro-Etappensieger im Interview mit der ARD. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Maximilian Schachmann hatte er sich in die Ausreißergruppe des Tages gekämpft, der aber nur rund drei Minuten Vorsprung zugestanden wurde. 90 Sekunden waren es für die vier verbliebenen Ausreißer am Fuß des schweren, sieben Kilometer langen Schlussanstiegs. Dort zeigte sich früh, dass Kämna die meisten Reserven hatte. ___STEADY_PAYWALL___

Als sein Landsmann Simon Geschke (Cofidis) das Tempo erhöhte, sprintete Kämna zu ihm nach vorne, setzte einen Konter und fuhr die letzten Kilometer als Solist hinauf. Bis zum letzten Kilometer hielt er den Vorsprung auf fast einer Minute, doch es wartete noch die steile Schlussrampe hinauf zum Berggipfel. Nimmermüde schien er selbst den schweren Schotterabschnitt zu bezwingen, doch Sekunde um Sekunde schwand von seinem Vorsprung auf das von UAE Emirates angeführte Feld der Favoriten.

Maximilian Schachmann und Lennard Kämna in der Gruppe des Tages | Foto: Cor Vos

"Es war super hart. Ich hatte mich super gefühlt und noch echt Power am Pedal", beschrieb er seine Fahrt hinauf zur Planche, der ersten Bergankunft der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt. Er gab alles, um den Sieg einzufahren: "Ich habe den Funk kaum verstanden, da die Zuschauer am Straßenrand so laut waren. Ich habe gemerkt, dass der Vorsprung ab einen bestimmten Moment deutlich kleiner wurde. Da wusste ich es wird eng."

Nicht einmal die Rote Rückennummer für Kämna

30 Sekunden hatte er noch, als es in den letzten Kilometer ging: "Ich hätte mir gewünscht, dass Ziel wäre früher gewesen", so Kämna, dessen Vorsprung auf der bis zur 24 Prozent steilen Schlussrampe immer weniger wurde. 90 Meter vor dem Ziel zog der Däne Vingegaard an ihm vorbei, der mit Pogacar den Tagessieg aussprintete. Direkt hinter dem Tagesdritten überquerte der Deutsche völlig erledigt als Vierter die Ziellinie. 14 Sekunden hatte ihm das Spitzenduo auf den letzten Metern noch abgenommen.

Eingangs des finalen Berges geht Kämna in die Offensive | Foto: Cor Vos

"Ich kann mir nichts vorwerfen. Ich bin meinen Rhythmus hochgefahren, bin nicht eingebrochen. Aber wenn es so steil wird, dann sind halt 10 Sekunden schnell zugefahren", nahm Kämna das Tagesdrama relativ locker. Sein heroischer Kampf gegen die Klassementfavoriten war dem Tourorganisator nicht die Rote Rückennummer wert. Diese ging an Simon Geschke, der die Gruppe initiert hatte.

Schon vor dem Start erklärte Bora – hansgrohe gegenüber radsport-news.com, dass sie mit der Idee spielen, an der ersten Bergankunft auf Etappensieg zu fahren. Neben Kämna mischte auch Schachmann lange mit, der viel für seinen Teamkollegen bis in den Schlussanstieg arbeitete. "Max ist superstark für mich gefahren. Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Ärgerlich ist nur, dass wir diesen Drecksberg ganz hochfahren mussten", resümierte Kämna, der darauf anspielte, dass es in diesem Jahr wieder ganz hinauf zum Gipfel ging. Denn die meisten Ankünfte an der Planche des Belles Filles endeten zuvor an der Skistation, wo Kämna noch über eine Minute auf das Feld hatte.

Im Hintergrund droht das Unheil in Form von Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma) | Foto: Cor Vos

Zeitverlust ändert nichts an Vlasovs Kapitänrolle

"Wir haben alles probiert, jeden Trick versucht", meinte Kämna, der mit Schachmann 70 Kilometer vor dem Ziel die Ausreißergruppe auf wenige Mann verkleinerte. Am Ende wäre der Plan fast aufgegangen für den 25-Jährigen, der zuletzt bei den Deutschen Meisterschaften wieder nach einer einmonatigen Pause im Anschluss an den Giro wieder ins Renngeschehen zurückgekehrt war. "Die erste Woche war nicht besonders einfach für mich, aber langsam bin ich im Rhythmus", erzählte der Bremer.

Hinter dem dreifachen Vuelta-Sieger Roglic schleppt sich Kämna über die Ziellinie | Foto: Cor Vos

Den Rhythmus berghoch fand sein Teamkollege Aleksandr Vlasov hingegen nicht. Gezeichnet von seinem Sturz am Vortag verlor der Mannschaftskapitän 1:39 Minuten auf Pogacar, rutschte in der Gesamtwertung auf den zwölften Platz zurück. Damit ist er nur eine Minute besser platziert als Kämna, der auf Rang 17 (+3:26) nun der beste Deutsche im Klassement ist.

"Ich glaube nicht, dass ich jetzt Kapitän bin", ließ Kämna keine Zweifel an der Hierarchie im Team aufkommen. "Es war hart für mich, vor allem im letzten Teil des Rennens. Ich versuchte nicht zu viel Zeit zu verlieren", erklärte Vlasov im Ziel. Doch der Russe schaute gleich wieder nach vorne: "Es war ein schlechter Tag für mich. Ich hoffe, dass ich mich jetzt schnell erhole."

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.07.2023Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg

(rsn) – Es hat nicht viel gefehlt, um das Märchen perfekt zu machen. Am 7. Juli 2007 gab Mark Cavendish, damals noch im Trikot von T-Mobile, sein Debüt der Tour de France. Den Prolog in London bee

12.06.2023Van Aert kritisiert Netflix-Serie: “Zielt auf Aufreger ab“

(rsn) – Am vergangenen Donnerstag ist die von vielen Fans lange erwartete Netflix-Serie ´Tour de France: Unchained´ veröffentlicht worden, die hinter die Kulissen der Frankreich-Rundfahrt 2022 bl

02.03.2023Trailer zur Netflix-Serie über die Tour de France veröffentlicht

(rsn) – Den Titel, “Tour de France: Unchained“, hatte Netflix bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Jetzt folgte auch der erste Trailer zu der Doku-Serie, die aus acht Teilen bestehen und v

16.12.2022Sagan hat van Aert noch nicht vergeben

(rsn) – In einem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung Gazzetto dello Sport hat Peter Sagan (TotalEnergies) deutlich gemacht, dass er Wout van Aert (Jumbo – Visma) noch nicht für dessen ve

23.11.2022Aktivisten der “Letzten Generation“ bekommen 500-Euro-Strafe

(rsn) – Dreimal kam das Peloton bei der Tour de France 2022 aufgrund von Protesten durch Klima-Aktivisten und Klima-Aktivistinnen kurz zum Stillstand: Zunächst auf der 10. Etappe auf dem Weg nach M

17.11.2022Pogacar: “Evenepoel ist vielleicht sogar stärker als ich“

(rsn) – Mit nicht weniger als 16 Siegen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch im Jahr 2022 eine der dominierenden Figuren des Radsports. Der 24-jährige Slowene gewann bedeutende Eintagesrennen

03.11.2022CAS bestätigt Quintanas Tour-Disqualifikation

(rsn) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Entscheidung des  Radsportweltverbands UCI bestätigt, der Nairo Quintana (Arkea – Samsic) nachträglich von der Tour de France 2022 disquali

29.08.2022Geschke: “Jedes Bergtrikot am Straßenrand motivierte mich“

(rsn) - Ganz allein erreichte Simon Geschke, der Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, das Ziel der finalen 4. Etappe in Stuttgart. Der Freiburger kam 7:07 Minuten nach Tagessieger Pello Bilbao (

13.08.2022Von Corona genesen: Froome und Woods starten bei Vuelta

(rsn) – Sowohl Chris Froome als auch Teamkollege Michael Woods haben sich von ihrer Corona-Infektion erholt, die sie sich bei der Tour de France zugezogen hatten. Die beiden Fahrer von Israel - Prem

05.08.2022Zwei Wochen vor Vuelta-Start: Roglic trainiert wieder

(rsn) – Zwei Wochen vor dem Start der Vuelta a Espana hat Primoz Roglic wieder das Straßentraining aufgenommen. Der dreimalige Gesamtsieger der Spanien-Rundfahrt war auf der 5. Etappe der Tour de

31.07.2022Van Vleuten auf völlig anderem Level - wie geht das?

(rsn) – Der Solo-Coup von Annemiek van Vleuten (Movistar) auf der Königsetappe der Tour de France der Frauen hat bei den Beobachtern einmal mehr für große Augen und offene Münder gesorgt. Die 3

31.07.2022Von einem “toten Fisch“ und völlig leergefahrenen Körpern

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen hat für riesige Abstände unter den Protagonistinnen gesorgt. Annemiek van Vleuten (Movistar) scheint ihren Gesamtsieg schon vorzeitig perfek

Weitere Radsportnachrichten

04.06.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

04.06.2025Tritt Almeida bei der Tour de Suisse in die Fußstapfen von Yates?

(rsn) – Das am 8. Juni beginnende 77. Critérium du Dauphiné kann mit dem letztjährigen Tour-de-Franc-Podium Tadej PoGacar (UAE – Emirates- XRG), Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) und Re

04.06.2025Vingegaard: “Muss besser sein als vor zwei Jahren“

(rsn) – Sowohl im vergangenen Jahr als auch in dieser Saison wurde Jonas Vingegaards Vorbereitung auf die Tour de France durch Stürze kräftig aus dem Tritt gebracht. Doch konnte der Kapitän von V

04.06.2025Bauhaus kommt nicht mehr an Groenewegen vorbei

(rsn) - Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) hat zum Auftakt der 31. Slowenien-Rundfahrt (2.Pro) knapp seinen ersten Saisonsieg verpasst. Der 30-jährige Kölner musste sich auf der 1. Etappe über 168,

04.06.2025Kanter: “Das war mein bisher erfolgreichster Giro“

(rsn) – Nach seinem vierten Giro d’Italia gönnte sich Max Kanter noch einen Tag “Sightseeing“ in der “Ewigen Stadt“. Am Sonntag hatte der XDS-Astana-Sprinter in Rom auf der abschließende

03.06.2025Kudus gibt in Slowenien Comeback nach vier Monaten

(rsn) - Merhawi Kudus wird am Mittwoch bei der Tour of Slovenia (2.Pro) ins Peloton zurückkehren. Der Eritreer, der am 2. Februar beim Grand Prix La Marseillaise in einer Abfahrt schwer gestürzt war

03.06.2025Evenepoel-Coach sieht seinen Schützling stärker als vor einem Jahr

(rsn) – Remco Evenepoel ist Anfang Juni 2025 vor seinem Start beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) am kommenden Sonntag besser in Form, als Anfang Juni 2024. Das hat sein Trainer Koen Pelgrim in ein

03.06.2025Belgien schickt komplette Delegation zur WM nach Ruanda

(rsn) - Der Belgische Radsportverband wird an den Straßen-Weltmeisterschaften vom 20. bis 29. September in Ruanda in allen Kategorien - von Junioren und Juniorinnen über die U23 bis zur Elite - teil

03.06.2025Bauhaus in Slowenien Road Captain und Sprinter zugleich

(rsn) –18 Tage nach seinem krankheitsbedingten Ausscheiden bei der Ungarn-Rundfahrt (2.Pro) kehrt Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) am Mittwoch ins Renngeschehen zurück und will bei der fünftägig

03.06.2025Groenewegen und Großschartner die Favoriten für Sprint und Berg

(rsn) – Mit der Tour of Slovenia (2.Pro) beginnt am Mittwoch die erste der verschiedenen ´Vorbereitungs-Rundfahrten´ für die Tour de France. Das fünftägige Event, das bislang Mitte Juni ausgetr

03.06.2025Jakobsen hofft nur noch ganz leise auf den Tour-Start

(rsn) – Fabio Jakobsen (Picnic – PostNL) ist seit knapp zwei Wochen wieder auf dem Rad unterwegs und trainiert – zuletzt auch auf Teneriffa. Doch ob der 28-jährigen Niederländer, der Ende Mär

03.06.2025Gee: “Toll, dass es noch viel Verbesserungspotential gibt“

(rsn) – Zwei Jahre nachdem er als Ausreißerkönig mit vier zweiten Etappenplätzen zum Shootingstar des Giro d´Italia 2023 geworden ist, hat Derek Gee (Israel – Premier Tech) bei seiner zweiten

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour du Cameroun (2.2, CMR)
  • Mercan Tour Classic (1.1, FRA)
  • Tour of Lithuania (2.2, LTU)
  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)
  • Tour of Slovenia (2.Pro, SLO)