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08.05.2019 | (rsn) – Mit 51 Fahrern stellt der Gastgeber fast ein Drittel des gesamten Fahrerfeldes des 102. Giro d’Italia. Doch ein Blick auf die Favoritenliste genügt, um zu sehen, dass wohl ein einziger einheimischer Profi in Sachen Gesamtsieg alle Hoffnungen der Tifosi schultern muss. Vincenzo Nibali (Bahrain - Merida) ist der Mann, auf den die Italiener setzen. Der Sizilianer gewann schon alle drei Landesrundfahrten, siegte 2013 und 2016 beim Giro und feierte Erfolge bei den Monumenten.
In diesem Jahr holt er wohl noch einmal zum Schlag aus, um sich zum dritten Mal in seiner Karriere in Rosa feiern zu lassen. Der 34-Jährige aus Messina hat in diesem Frühjahr das gleiche Programm gewählt, wie 2016, als er letztmals die Italien-Rundfahrt gewann. Während er sich bei der UAE Tour sowie bei Tirreno-Adriatico noch einrollte, zeigte er sich schon bei Mailand-Sanremo sehr aktiv. Zwar konnte er seinen Vorjahressieg nicht wiederholen, aber auf Platz acht kam er zeitgleich mit Sieger Julian Alaphilippe (Deceuninck - Qucik-Step) ins Ziel. Danach ging der Italiener in die Höhe, feilte an seiner Form und an seinem Giro-Team.
Zuletzt zeigte sich Nibali bei der Tour of the Alps stark, attackierte täglich und stellte seine Form unter Beweis. Zwar musste er sich dem jungen Duo Pavel Sivakov und Tao Geoghegan Hart (beide Ineos) noch geschlagen geben, aber nun warten drei schwere Wochen auf das Fahrerfeld. Da sollte Nibalis Erfahrung der Trumpf gegenüber den ungestümen, jungen Wilden des britischen Rennstalls sein. Mit Rang acht bei Lüttich-Bastogne-Lüttich unterstrich der Italiener, dass er weiterhin zur absoluten Weltspitze gehört.Â
Nibali fehlten seine Tifosi 2018
"Im letzten Jahr stand ich nicht am Start und mir ist etwas abgegangen: Die Aufmerksamkeit und die Unterstützung der Tifosi vor allem. Es ist großartig, nun wieder zurück zu sein und um das Maglia Rosa zu kämpfen. Ich will es zum dritten Mal gewinnen, aber das wird nicht einfach und es war auch noch nie einfach. Der Giro wird ein harter Kampf, aber darum liebe ich GrandTours", erklärte der Kapitän von Bahrain – Merida, der auch der letzte große italienische Rundfahrer seiner Art zu sein scheint.
Nibali gehört zu den älteren Profis im Feld. Mit dem 36-jährigen Domenico Pozzovivo hat er noch einen starken Bergfahrer an seiner Seite. Wie sein Chef kommt auch er aus dem Süden Italiens und beendete schon fünfmal den Giro in den Top Ten. Seine eigenen Ambitionen wird Pozzovivo aber für Nibali sicherlich zurückschrauben.
Elf Girosiege in Folge für Italiens Radprofis von 1997 bis 2007
Die beiden sind die letzten Überbleibsel einer starken Generation italienischer Rennfahrer, die den Giro in den letzten zwei Jahrzehnten dominiert haben. Immerhin viermal stand in den letzten zehn Austragungen ein Fahrer aus dem Veranstalterland auf dem obersten Podest. Neben Nibali gelang dies Ivan Basso und dem mittlerweile verstorbenen Michele Scarponi - auch wenn letzterer den Sieg 2011 durch die nachträgliche Disqualifikation von Alberto Contador nur erbte. Aber auch schon diese Generation konnte die Hoffnungen der Tifosi nicht ganz erfüllen. Denn die Italiener sind siegverwöhnt beim Giro.
Von 1997 bis 2007 gab es gleich elf italienische Gesamtsiege in Folge. Und mit Ausnahme von 2002 fanden sich dabei auch immer mindestens fünf einheimische Fahrer unter den Top Ten. Pantani, Garzelli, Simoni, Savoldelli oder Cunego – die Helden sind auch trotz ihrer teilweise dunkleren Geschichte unvergessen bei den Tifosi. Doch seit dieser Goldenen Ära gab es nur mehr wenige Fahrer, die in die Top Ten einer GrandTour vorstoßen konnten.Â
Aru fährt Erwartungen hinterher und pausiert nun verletzt
Einer davon war Fabio Aru (UAE - Team Emirates). Der Sarde musste seine Teilnahme am diesjährigen Giro aber früh absagen. Eine Operation an der Beckenarterie im linken Bein zwang ihn zu einer längeren Pause. Jahrelang war er der ausgemachte Kronprinz im Schatten Nibalis, aus dessen er trotz seines Vuelta-Sieges 2015 nie wirklich getreten ist.
Einer der jüngeren Italiener, die sich zuletzt ins Rampenlicht fuhren, war Fausto Masnada mit seinen beiden Etappenerfolgen bei der Tour of the Alps. Im vergangenen Jahr beendete er den Giro auf Rang 26. Das Ziel des 25-Jährigen werden aber Etappensiege sein. Seit drei Jahren fährt er für das Androni Giocattoli – Sidermec Team von Gianni Savio. Wohl auch ein Grund für den Schwund an heimischen Rundfahrern liegt darin, dass es derzeit kein einziges italienisches Team auf der WorldTour gibt. Die kleineren ProContinental-Mannschaften sind daher auf Wildcards angewiesen und mit Neri Sottoli – Selle Italia – KTM wurde sogar ein Zweitdivisionär gar nicht eingeladen.
Nur wenige Klettertalente
Ein weiterer Punkt für das Fehlen der nationalen Talente ist auch, dass von 2013 bis 2016 der Baby Giro aufgrund finanzieller Probleme nicht ausgetragen wurde. 2011 war Mattia Cattaneo der letzte italienische Sieger und das Nachwuchsrennen war oft die erste Bühne für die großen Namen des Radsports der Stiefelhalbinsel. So starteten Moser, Battaglin, Belli, Casagrande oder Pantani und Simoni ihre Karrieren mit Siegen beim Baby Giro.
Dass er zu den größten Klettertalenten gehört, unterstrich Giulio Ciccione (Trek – Segafredo) schon vor drei Jahren, als er die 10. Etappe von Campi Bisenzio nach Sestola für sich entscheiden konnte. Seit dieser Saison fährt er für den US-amerikanischen Rennstall Trek - Segafredo, den Gerüchten zufolge im nächsten Jahr auch Nibali bereichern wird.
Und das Werksteam des Herstellers aus Wisconsin hat sich auch die Fähigkeiten eines weiteren Talents gesichert. Seit 2017 steht Nicola Conci als Profi unter Vertrag. Er könnte einer der zukünftigen Stars des italienischen Radsports sein, gewann bei den Junioren und in der Klasse U-23 schon einige Rennen. Mit Luca Covili (Bardiani – CSF) gibt es noch einen zweiten starken Kletterer dieser Altersklasse. Wie Conci gibt er sein Giro-Debüt in Bologna. Im Gegensatz zu seinem Landsmann aber fehlen ihm auch die Siege im Nachwuchs.Â
Formolo das hoffnungsvollste Talent?
Wenn man die Frage nach einem Kronprinzen und zukünftigen Rundfahrtstar aber beantworten will, dann kommt derzeit nur Davide Formolo (Bora – hansgrohe) in Frage. Denn eigentlich bringt der Venetier alle Vorraussetzungen für ein Top-Ergebnis mit. Zweimal wurde er schon Gesamtzehnter beim Giro, viermal insgesamt hat Formolo die Rundfahrt schon bestritten. In punkto Rennerfahrung muss sich der 26-Jährige nichts nachsagen lassen. Mit seinem zweiten Platz bei Lüttich-Bastogne-Lüttich stellte Formolo zuletzt seine Form eindrucksvoll unter Beweis.
Seine Schwächen hat er sicherlich auf den drei Zeitfahrprüfungen, allerdings sollte ihm das eher hügeligere Terrain dann besser entgegenkommen, als wäre es bretteben. Einen Etappensieg beim Giro konnte er auch schon verbuchen und sollte er einmal in das Rosa Trikot schlüpfen, dann wird es sicher schwierig, es Formolo wieder zu entreißen.
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