RSN-Serie: Die Erben von Cancellara & Boonen

Tiesj Benoot: Riesentalent mit nur einer Schwäche

Von Daniel Brickwedde

Foto zu dem Text "Tiesj Benoot: Riesentalent mit nur einer Schwäche"
Tiesj Benoot (Lotto Soudal) | Foto: Cor Vos

23.03.2017  |  (rsn) - Als Tiesj Benoot das erste Mal bei der Flandern-Rundfahrt vor Ort ist, wird er Zeuge von etwas Großem: Tom Boonen, die große Hoffnung der Flamen, erfüllt endlich die Sehnsucht seiner Landsleute und feiert unter frenetischen Anfeuerungen 2005 seinen ersten von drei Siegen bei der "Ronde". Ausnahmezustand in Flandern. Mittendrin der 11-jährige Benoot, der an diesem Tag das Geschehen am Eikenberg verfolgt. Kurz darauf beginnt er selber mit dem Radsport.

Eine Dekade später steht die schillernde Karriere von Boonen unmittelbar vor ihrem Ende, der neue Hoffnungsträger der Flamen heißt Benoot. Zumindest haben seine ersten beiden Profi-Jahre höchste Erwartungen geweckt – vor allem in Belgien.

Benoot wächst im Herzen von Flandern in Gent auf. Entsprechend groß ist die Anziehungskraft der "Ronde" auf ihn. "Es ist das größte Rennen in meiner Region und jenes, von dem ich immer geträumt habe", so der Flame, der nebenbei in seiner Heimatstadt immer noch ein Wirtschafts-Studium absolviert.

Paukenschlag bei seiner ersten "Ronde“

Der Traum von seiner ersten Teilnahme erfüllte sich schließlich 2015 – und übertraf im Ergebnis die kühnsten Erwartungen. Benoot war gerade 21 Jahre, Neo-Profi bei Lotto Soudal, fuhr sein erstes Monument und beendete die Flandern-Rundfahrt inmitten der etablierten Cracks wie John Degenkolb oder Peter Sagan auf Platz fünf. Ein Paukenschlag. Seine Landsleute waren begeistert – und übertrieben. "Die Presse stellt Vergleiche an und schreibt, dass ich die Nachfolger von Boonen antrete, das ich ihm folgen muss, sonst kann es kein anderer in Belgien", äußerte sich Benoot damals bedenklich.

Eine Erwartungshaltung, die für ihn im zweiten Profi-Jahr kaum zu bestätigen war. Benoot stürzte 2016 bei der Flandern-Rundfahrt und musste den Rest der Klassiker-Saison abschreiben. Der mediale Hype wurde daraufhin kleiner. "In der Wahrnehmung der Medien bist du raus. Aber insgesamt war mein Level sogar besser als im Vorjahr", erklärt er und führt Top-Ten-Ergebnisse beim Omloop Het Nieuwsblad (Platz drei), der Strade Bianche (sieben) und dem E3 Harelbeke (acht) an – allesamt im Vorlauf zur "Ronde“. Der Sturz war dennoch der Beginn einer harten Zeit für ihn, der er rückblickend aber auch viel Positives abgewinnen kann. "Ich habe gerade mental in dieser Phase viel gelernt. Es hat mich als junger Profi nach vorne gebracht“, glaubt er.

Auf den Spuren von Van Avermaet

Die mentale Stärke und Disziplin seines Schützlings lobt auch Kurt Van de Wouver. Er begleitet Benoot als Sportlicher Leiter seit dessen Anfängen 2013 im U23-Team von Lotto Soudal. Als Riesentalent galt der dort allerdings zu Beginn nicht. "Er war 'normal', nicht gerade der Beste in Belgien und kein Siegfahrer", berichtet Van de Wouver. Benoot konnte diesen ersten Eindruck allerdings schnell revidieren. "Ich erinnere mich an eines seiner ersten Rennen. Er nahm am Circuit des Ardennes teil, ein ziemliches schweres Rennen im U23-Bereich. Aber er fuhr jeden Tag unter die ersten fünf und da wussten wir, dass wir etwas ganz Besonderes besaßen", blickt Van de Wouver zurück.

Das Team weiß, was es an Benoot hat, und verlängerte seinen Vertrag mittlerweile bis 2019. Er gilt mit anderen aufstrebenden belgischen Talenten wie Tim Wellens und Sean De Bie als kommende Achse des Teams. Für Van de Wouver ist er dabei nicht nur auf Flandern zu reduzieren: "Er kann auch bei den Ardennen-Klassikern was erreichen. Außerdem ist er ein passabler Kletterer, der sich in den Bergen verteidigen kann, und er kann ordentlich sprinten." Statt der vielen Vergleiche mit Boonen wirkt Benoot eher wie ein junger Greg Van Avermaet. Van de Wouver widerspricht dem nicht.

Einzige Schwäche: Kein Siegergen

Bennots einziges Problem bisher: Er gewinnt keine Rennen. "Das muss sein nächster Schritt sein. Er ist immer da, ist konstant – aber gewinnen ist bislang schwierig für ihn", erklärt sein Sportlicher Leiter. Auch Benoot sieht dieses Problem: "In den Rennen bin ich manchmal zu enthusiastisch. Ich muss mehr mit meinen Kräften haushalten“.

Große Karrieren leben von großen Siegen. Daran kommt auch Benoot nicht vorbei. Aber mit gerade mal 23 Jahren hat er noch viel Zeit, an diesem Makel zu arbeiten. Die Fähigkeiten dazu besitzt er. Schließlich gewann Boonen seine erste "Ronde" auch erst mit 24 Jahren. Damals, 2005, vor den Augen von Benoot.

 

Mit Tom Boonen verlässt ein Jahr nach Fabian Cancellara die andere große Klassiker-Figur des vergangenen Jahrzehnts die Radsport-Bühne. Unmittelbare Nachfolger wie Peter Sagan oder John Degenkolb haben sich längst positioniert – aber wer besitzt noch das Potenzial, die kommende Dekade auf dem Pavé zu prägen? In der Serie "Die Erben von Cancellara & Boonen“ stellt radsport-news.com fünf junge interessante und vielversprechende Profis vor, die großes bei den Klassikern erreichen können.

Weitere Radsportnachrichten

10.03.2025Dicke Luft bei Lidl – Trek nach verpatztem Paris-Nizza-Auftakt

(rsn) –Vor der 1. Etappe von Paris-Nizza (2.UWT) sagte Mads Pedersen (Lidl – Trek) im Interview, dass er diesen Auftakt beim ´Rennen zur Sonne´ gerne gewinnen und erster Gesamtführender werden

10.03.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum RSN-Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über d

09.03.2025Jochum fährt auf Rhodos den ersten Podestplatz der Saison ein

(rsn) - Am Wochenende standen die deutschen KT-Teams in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Kroatien und Griechenland an der Startlinie. Dabei fuhr Ben Jochum für Lotto – Kern Haus – PSD Bank

09.03.2025Strade-Sturz als Abmahnung für Pogacars Roubaix-Träume

(rsn) – Die Begeisterung über die möglichen Startabsichten von Tadej Pogacar (UAE Emirates- XRG) beim WorldTour-Klassiker Paris-Roubaix hält sich zumindest bei seinem Teammanagement im Grenzen.

09.03.2025Della Casa: “Wir wollen das Labor der UCI sein“

(rsn) - Keine Überraschung brachte der Kongress des Europäischen Radsportverbandes UEC in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Wie erwartet, wurde der Italiener Enrico Della Casa als Präsident w

09.03.2025Merlier holt sich Paris-Nizza-Auftakt, Walscheid Zehnter

(rsn) – Alles beim Alten, oder zumindest wie vor zwei Jahren. Damals gewann Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) den Auftakt von Paris-Nizza in La Verrière. Dieses Mal gelang es dem Europameister au

09.03.2025Auch Mitfavoriten Vacek und Scaroni gaben bei Strade Bianche auf

(rsn) – Sieger Tadej Pogacar war bei der 19. Strade Bianche (1.UWT) nicht der einzige Fahrer, der Bodenkontakt aufgenommen hatte. Wie so oft bei Rennen über unbefestigte Straßen kam es auch in der

09.03.2025Ohne “Big Four“ ein offenes Rennen zwischen den Meeren

(rsn) – Beim 60. Tirreno-Adriatico (2. UWT) wird der Nachfolger von Jonas Vingegaard gesucht (Visma – Lease a Bike). Der Däne gewann im vergangenen Jahr nach O Gran Camino auch die seine zweite R

09.03.2025Kitzkis und Le Roux´ Nachfolger gefunden

(rsn) – In vier Folgen wurde in diesem Winter die zehnte Zwift-Academy ausgetragen. Neben dem Titel des Siegers stand erneut ein Vertrag bei einem der großen Development Teams auf dem Spiel. Vier M

09.03.2025Großschartner: “Geschenkt wird uns nichts“

(rsn) – Als 2016 Fabian Cancellara zum dritten Mal in seiner Karriere Strade Bianche gewann, war Felix Großschartner (UAE - Emirates – XRG) schon mit dabei. Seitdem ist der Österreicher das Renn

09.03.2025De la Parte beendet seine Karriere

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

08.03.2025Niewiadoma gibt Entwarnung: “Mir geht es gut“

(rsn) – Für das deutsche Team Canyon – SRAM – zondacrypto ist der toskanische Schotterklassiker Strade Bianche (1.WWT) am Samstag zur großen Enttäuschung geworden. Anstatt mit Tour-de-France-

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Paris-Nice (2.UWT, FRA)
  • Tirreno-Adriatico (2.UWT, ITA)