Giro: Matthews siegt in Montecassino

Evans Nutznießer der Sturzorgie, Rodriguez muss aufgeben

Foto zu dem Text "Evans Nutznießer der Sturzorgie, Rodriguez muss aufgeben"
Cadel Evans (BMC) | Foto: Cor Vos

15.05.2014  |  (rsn) – Cadel Evans (BMC) ist nach der längsten Etappe des 97. Giro d’Italia erster Kandidat auf den Gesamtsieg. Doch nicht aufgrund einer herausragenden Vorstellung, sondern in Folge eines Massensturzes auf regennassen Straßen rund zehn Kilometer vor dem Ziel, bei dem viele Fahrer zu Boden gingen und fast das gesamte Feld aufgehalten wurde, konnte der Australier im Finale einen deutlichen Vorsprung herausfahren.

Evans hatte im knapp neun Kilometer langen Schlussanstieg hinauf nach Montecassino noch zwei Helfer bei sich – nämlich den Italiener Danilo Oss und den Schweizer Steve Morabito, die für Tempo sorgten und neben ihrem Kapitän noch Michael Matthews (Orica-GreenEdge), den Mann im Rosa Trikot, sowie dessen Teamkollegen Luke Durbridge und Ivan Santaromita, den Belgier Tim Wellens (Lotto Belisol) sowie den Italiener Matteo Rabottini (Neri Sottoli) im Schlepptau hatten.

Bis die Verfolger sich wieder organisiert hatten, vergingen wertvolle Sekunden, die sich in der Endabrechnung in Triest am 1. Juni als die entscheidenden erweisen könnten. Im Ziel sicherte sich der 23-jährige Matthews im Sprint der nun nur noch vierköpfigen Spitzengruppe seinen ersten Giro-Etappensieg vor Wellens, Evans und Rabottini.

„Ich kann gar nicht glauben, was passiert ist. Mein Team hat mich in einer perfekten Position in den Berg hineingefahren, und dann war es an mir, mein Rosa Trikot zu verteidigen. Ich dachte nicht, dass ich auch noch die Etappe würden gewinnen können“, sagte Matthews in einem ersten Kommentar im Ziel, ohne auf den großen Sturz einzugehen.

Das tat dafür Evans in einer von BMC am Abend veröffentlichten Pressemitteilung. „Die Kommunikation im Finale ist nicht klar und in so einer unerwarteten Situation eine rationale Entscheidung zu treffen, ist nicht einfach", sagte Evans. Er habe den Lärm des Sturzes gehört, sich aber nicht umgedreht, um selbst nicht auch zu stürzen. „Unser Job ist es, Rennen zu fahren und das bis ins Ziel. Das ist das Erste, an was wir denken. Was hinten passiert ist, weiß ich nicht, ich habe es nicht gesehen. Leider war es für einige Fahrer kein guter Tag.“

Erst 49 Sekunden nach dem Spitzenquartett kam die erste, 21 Fahrer starke Verfolgergruppe ins Ziel, angeführt von Wilco Keldeman (Belkin), der Siebter wurde. Zeitgleich mit dem jungen Niederländer kamen unter anderem noch der gestrige Etappengewinner Diego Ulissi (Lampre-Merida), Ryder Hesjedal (Garmin-Sharp, Girosieger von 2012), Fabio Aru (Astana), Domenico Pozzovivo (Ag2R, Rigoberto Uran (Omega Pharma QuickStep) oder Rafal Majka (Tinkoff-Saxo) an.

Desaströs endete die 257 Kilometer lange 6. Etappe, die bereits um 10:40 Uhr in Sassano gestartet wurde und wegen eines Erdrutsches um zehn Kilometer verlängert werden musste, für Joaquim Rodriguez und sein Katusha-Team. Der Spanier landete bei dem Massensturz ebenfalls auf dem Asphalt und handelte sich 7:43 Minuten Rückstand ein.

Damit muss der 35-Jährige alle Hoffnungen auf seinen ersten Gesamtsieg bei einer großen Rundfahrt begraben. Schwer verletzte sich sein Teamkollege Giampaolo Caruso. Der Italiener rührte sich minutenlang nicht und musste, nachdem ihm eine Halskrause angelegt worden war, in einem Krankenwagen abtransportiert werden. Mit seinem Landsmann Angel Vicioso verlor Rodriguez, der nach dem Rennen auch ein Krankenhaus aufsuchen musste, auch noch einen zweiten Helfer. Am Abend meldete Katusha die Aufgabe des Katalanen.

Aber Rodriguez war nicht der einzige der Favoriten, für den die längste Etappe des diesjährigen Giro mit einem Desaster endete. Mehr als 15 Minuten Rückstand kassierte beispielsweise der ebenfalls gestürzte Ire Nicolas Roche (Tinkoff-Saxo). Aber auch Michele Scarponi (Astana/+1:37) und Przemyslaw Niemiec (Lampre-Merida/+1:57) kamen mit deutlicher Verspätung ins Ziel.

Dabei hatte zunächst nichts auf ein derart dramatisches Finale hingedeutet. Zwar wurde aus dem Ziel immer wieder Regenfälle gemeldet, doch den größten Teil  der Etappe konnten die Fahrer auf trockenen Straßen absolvieren.

Nach elf Kilometern ließ es die drei Italiener Andrea Fedi (Neri Sottoli), Marco Bandiera (Androni Giocattoli), Edoardo Zardini (Bardiani) und den Kolumbianer Rodolfo Andres Torres (Colombia) ziehen. Stolze 14 Minuten Vorsprung erarbeitete sich das Quartett, doch davon knabberten die zunächst von Orica-GreenEdge und später von Sky angeführten Verfolger Minute und Minute ab, und schließlich wurden alle Ausreißer zwölf Kilometer auf nun bereits nassen Straßen wieder eingesammelt.

Sofort zog BMC das Tempo an der Spitze des Feldes an, das kurz darauf durch die Sturzserie, die vor einer Verkehrsinsel ihren Anfang nahm, in viele Teile auseinandergerissen wurde. Lediglich die Evans-gruppe blieb davon unberührt und nutzte die Chance. Zunächst spannte sich Oss vor die nur noch achtköpfige Gruppe, bevor dann Morabito die Tempoarbeit übernahm. Davon profitierte Matthews, der sich im Windschatten hielt und Kräfte sparen konnte.

Die Verfolger versuchten zwar noch mit aller Macht, die neue Spitzengruppe zu stellen, doch waren sie sich nicht wirklich einig. So versuchten einige Fahrer wie der Kroate Robert Kiserlovski (Trek) vergeblich, als Solist noch nach vorne zu kommen.

Auf dem letzten Kilometer des im Schnitt 5,1 Prozent steilen Anstiegs hinauf nach Montecassino attackierte Evans, doch Matthews hatte keine Mühe, seinem Landsmann zu folgen und diesen im Sprint dann deutlich hinter sich zu lassen. Trotzdem war der BMC-Kapitän der große Gewinner des Tages, denn im Gesamtklassement rückte er auf Rang zwei vor, bei nur noch 21 Sekunden Rückstand auf den 23-jährigen Matthews.

Viel wichtiger war allerdings der Vorsprung, den sich Evans auf seine Konkurrenten wie Uran  herausfahren konnte. Der Kolumbianer, der ebenfalls gestürzt war, weist nun bereits 57 Sekunden auf den Giro-Dritten des vergangenen Jahres auf. „Alle Klassementfahrer außer Evans gingen zu Boden oder wurden aufgehalten. Zum Glück habe ich nur ein paar Kratzer und eine Prellung an meiner linken Seite, am Ellenbogen und der Hüfte. Es ist nichts Ernstes“, gab der Vorjahreszweite, der nun auf Rang drei der Gesamtwertung vorgerückt ist, bereits Entwarnung.

Uran ist jetzt schärfster Widersache von Evans – alle anderen Favoriten weisen teils deutlich größeren Rückstand auf. Nairo Quintana (Movistar) etwa hat auf Position elf des Gesamtklassements bereits 1:47 gegenüber dem 37-Jährigen gutzumachen.

Matthews konnte nicht nur das Rosa Trikot, sondern auch noch das blaue Bergtrikot sowie das Weiße Jersey des besten Jungprofis mit in das Fahrerhotel nehmen. Der Italiener Elia Viviani (Cannondale) behauptete sein Rotes Trikot des punktbesten Fahrers. BMC rückte an die Spitze der Teamwertung vor.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.07.2014Wegmann sitzt wieder auf dem Rad

(rsn) – Der beim Giro d’Italia schwer gestürzte Fabian Wegmann (Garmin-Sharp) hat wieder mit dem Training begonnen. „Gestern saß ich zum ersten Mal wieder auf dem Straßenrad. Letzte Woche fuh

03.06.2014Koch schaffte es beim Giro-Debüt bis nach Triest

(rsn) – Michel Koch hat bei der ersten großen Rundfahrt seiner Karriere das Ziel erreicht. Der 22-Jährige aus Wuppertal stellte sich am Sonntag auf der letzten Etappe des Giro d’Italia noch einm

02.06.2014Katusha früh im Pech, BMC nur im Zwischenhoch

(rsn) - Drei harte Wochen Giro d`Italia liegen hinter den Fahrern. Zeit für radsport-news.com in einer vierteiligen Reihe Bilanz zu ziehen. Welche Teams haben überzeugte, welche sind hinter den Erwa

02.06.2014Bardiani-CSF die Überraschung, Canndondale die Enttäuschung

(rsn) - Drei harte Wochen Giro d`Italia liegen hinter den Fahrern. Zeit für radsport-news.com in einer vierteiligen Reihe Bilanz zu ziehen. Welche Teams haben überzeugte, welche sind hinter den Erwa

02.06.2014Trek überzeugt komplett, FDJ.fr jubelt ein Mal zu viel

(rsn) - Drei harte Wochen Giro d`Italia liegen hinter den Fahrern. Zeit für radsport-news.com in einer vierteiligen Reihe Bilanz zu ziehen. Welche Teams haben überzeugte, welche sind hinter den Erwa

02.06.2014Majka: Magenkrämpfe kosteten die Top Five

(rsn) - Der Traum vom Podium bei der 97. Austragung der Italien-Rundfahrt ist für Rafał Majka im Bergzeitfahren hinauf zum Cima Grappa geplatzt. Der gesundheitlich angeschlagene Pole belegte

02.06.2014Orica-GreenEdge und Giant-Shimano jeweils dreifach erfolgreich

(rsn) - Drei harte Wochen Giro d`Italia liegen hinter den Fahrern. Zeit für radsport-news.com in einer vierteiligen Reihe Bilanz zu ziehen. Welche Teams haben überzeugte, welche sind hinter den Erwa

02.06.2014Uran und Aru: „Quintana hat den Giro-Sieg verdient"

rsn) – Rigoberto Uran (Omega Pharma-Quick Step) und Fabio Aru (Astana) waren beim Giro d’Italia gegen den alle überragenden Nairo Quintana (Movistar) chancenlos. Aber so wie der Kolumbianer mit s

02.06.2014Quintana: Giro-Triumph mit weniger als 100 Prozent

Triest (dpa) - Nairo Quintana (Movistar) hat in 105 Jahren Giro d`Italia als erster Kolumbianer die zweitwichtigste Rundfahrt der Welt gewonnen. Nach 21 Etappen und 3445 Kilometern verwies der 24 Jahr

01.06.2014Mezgec sorgt zum großen Finale für dritten Giant-Shimano-Sieg

(rsn) – Luka Mezgec hat dem Giant-Shimano-Team zum Abschluss der 97. Giro d’Italia den dritten Tagessieg beschert. Der 25 Jahre alte Slowene gewann die 21. und letzte Etappe über 169 Kilometer vo

01.06.2014Quintana: „Ich bin kein Außerirdischer"

(rsn) –Nairo Quintana (Movistar) ist nur noch eine Etappe vom ersten Triumph eines Kolumbianers beim Giro d’Italia entfernt. Und der 24-Jährige schmiedet nach seinen Demonstrationen in den Bergen

01.06.2014Geschke: Noch vor Quintana am Zoncolan im Ziel

(rsn) – Auf der 20. Etappe des 97. Giro d’Italia ging Simon Geschke (Giant-Shimano) nochmals in die Offensive. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Georg Preidler war der Freiburger in der Gruppe des

Weitere Radsportnachrichten

02.07.2025Evenepoel: “Auch bei dieser Tour geht es um Geduld“

(rsn) – Vor seiner zweiten Tour de France gibt sich Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) vorsichtig optimistisch. Nachdem er beim Critérium du Dauphiné gegen Tadej Pogacar (UAE – Emirates –

02.07.2025Thomas will bei seiner Abschieds-Tour nochmals alles geben

(rsn) – Als letztes der 23 Teams hat nun auch Ineos Grenadiers sein Aufgebot für die am 5. Juli in Lille beginnenden 112. Tour de France bekannt gegeben. Der britische Rennstall, der seit 2019, als

02.07.2025Die Teams für die 112. Tour de France

(rsn) – Nach drei Auslandsstarts in Folge (Kopenhagen, Bilbao, Florenz) beginnt die Tour de France erstmals seit dem Jahr 2021 wieder in ihrem Heimatland. Am 5. Juli werden im nordfranzösischen Lil

02.07.2025Giro-Zweiter Del Toro startet bei der Tour of Austria

(rsn) – Es hatte sich bereits angedeutet, aber jetzt wurde von den Organisatoren offiziell bestätigt: Auch der Giro-Zweite Isaac Del Toro (UAE – Emirates - XRG) wird am 9. Uli am Start der Tour o

02.07.2025Giro d`Italia Women im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Erstmals bereits 1988 ausgetragen, zählt der Giro d`Italia Women zu den traditionsreichsten Rennen im Frauenkalender. Radsport-news.com blickt auf die letzten zehn Austragungen der aktuell

02.07.2025Keine Bonussprints bei der Tour de France 2025

(rsn) – Bei den letzten Ausgaben der Tour de France konnten die Fahrer nicht nur im Ziel, sondern auch unterwegs an einigen ausgewählten Stellen Bonussekunden sammeln. Zur diesjährigen 112. Ausgab

02.07.2025Die fünf schweizerischen Starter bei der 112. Tour de France

(rsn) – Mehr als fünf Schweizer bei einer Tour de France gab es zuletzt 2021. Damals waren sechs Eidgenossen am Start des größten Radrennens der Welt. Das ist immer noch weit weg vom Rekordjahr 1

02.07.2025Die drei österreichischen Starter bei der 112. Tour de France

(rsn) – Vom kleinen Zwischenhoch, das 2022 und 2023 gleich sechs österreichische Tour-Starter lieferte – und damit fast so viele wie aus Deutschland – haben sich die Fahrer aus der Alpenrepubli

02.07.2025Das Reglement der Tour de France auf einen Blick

(rsn) – Jeder Radsportfan kennt die Wertungstrikots und weiß meist auch, was sie symbolisieren. Das Gelbe Trikot geht an den Zeitschnellsten, das Grüne an den Punktbesten, das Gepunktete an den F

02.07.2025Das Preisgeld: Wie viel gibt´s wofür bei der Tour de France 2025?

(rsn) - Von Lille nach Paris - über 21 Renntage, zwei Ruhetage und 3338 Kilometer - das ist die Tour de France 2025. Mehr als 80 Stunden Rennzeit werden die Fahrer auf ihrem Weg durch Frankreich im

02.07.2025Die Aufgebote für den 36. Giro d´Italia Women

(rsn) – Mit dem Giro d’Italia Women (6. – 13. Juli / 2.WWT) steht einen Tag nach dem Start der Tour de France der Männer die zweite Grand Tour der Frauen an. Die 36. Ausgabe der Italien-Rundfa

01.07.2025Red Bull - Bora - hansgrohe im Sondertrikot zur Tour de France

(rsn) - Das Team Red Bull - Bora - hansgrohe wird in einem Sondertrikot zur 112. Tour de France antreten. Zu Ehren der ´Grande Nation´ tauscht der deutsche WorldTour-Rennstall sein normales Trikot f

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Course de Solidarnosc (2.2, POL)
  • Sibiu Tour (2.1, ROU)