Cravens Marokko-Tagebuch / 9. + 10. Etappe

Zur Belohnung gab's 350 Euro und eine Pizza

Von Dan Craven

Foto zu dem Text "Zur Belohnung gab's 350 Euro und eine Pizza"
Dan Craven (Bike Aid) | Foto: Team Bike Aid

16.04.2014  |  (rsn) - Wir haben uns während der Rundfahrt ständig daran erinnert, dass wir nur heil durchkommen müssen, um etwas sehr wichtiges zu schaffen: nämlich den Formaufbau für die kommenden Rennen und Monate voranzutreiben. Wir mussten nur durchhalten bis Casablanca, nicht krank werden oder uns zu dolle verletzen, um davon in den nächsten Wochen profitieren zu können.

Teilweise war dies Taktik um uns abzulenken, teilweise aber auch einfach die Wahrheit. Ich bin zuvor schon zwei Rundfahrten über jeweils zehn Tage gefahren, den Baby Giro 2006 und die Tour of Quinghai Lake 2009 und wusste genau, wie lange so ein Rennen werden kann und dass es unglaublich hilft, auf irgendeine Belohnung hinzuarbeiten.

Geld wird diese Motivation nicht gewesen sein, denn für meinen fünften Gesamtrang gab es insgesamt 350 Euro, die natürlich unter den sechs Fahrern und unseren Betreuern aufgeteilt wurden. Am Abend der 9. Etappe haben wir während des Abendessens zugesehen, wie die Kanadier ihre Pizza vom Lieferservice auspackten und verschlangen. Also hatten wir plötzlich noch eine Belohnung, die in Casablanca auf uns wartete – nämlich eine Pizza.

Aber zunächst einmal mussten wir überhaupt dort hinkommen. Nach meinen Horror-Klettervorstellungen in den vergangenen Tagen hatte ich vor der letzten Bergwertung der Rundfahrt auf der 9. Etappe richtig Angst und fragte vor dem Rennen meine Physiotherapeutin in Namibia, was ich denn tun könne. Sie gab mir den Ratschlag, einen Test zu machen und rauszufinden, ob irgendwelche „Muskellinien“ gerade Schwächen zeigten. Ich war total verblüfft zu sehen, dass genau dies der Fall war. (mehr zu dem Test unter http://www.lynosport.co.za/the-bunkie-test/).

Nach meinen schlimmen Krämpfen auf der 3. Etappe und dem schweren Sturz am sechsten Tag litten einige meiner Muskeln so sehr, dass sie kaum noch mein Körpergewicht halten konnten. Mit dem Test als Aufwärmprogramm lief es im Rennen dann aber viel besser und den letzten Berg der Rundfahrt konnte ich endlich wieder ganz vorne überqueren. Meine Teamkollegen konnten tief durchatmen, dass sie nicht wieder alles in Grund und Boden fahren mussten, um mich wieder zurück ins Feld zu bringen.

Das Finale endete im Sprint, also ging es für uns ohne Stress zu. In den Kampf um das Gelbe Trikot war allerdings noch keine Ruhe eingekehrt. Die ersten Drei der Gesamtwertung waren so nahe beieinander, dass bei den Zwischensprints um die Zeitbonifikationen gekämpft wurde. 15 Marokkaner fuhren den ganzen Tag von vorne, um für ihren Kapitän das Gelbe zu holen, was ihnen letztlich auch gelang. Aber die Art und Weise hatte uns nicht gefallen.

Zeit für die letzte Etappe – nicht mehr weit bis nach Casablanca. Aber es war alles andere als einfach. Am zehnten Tag haben wir in der ersten Rennstunde 57 Kilometer absolviert. Zum einen dank Rückenwind, aber auch, um den Marokkanern ihre Grenzen aufzuzeigen.

Auf der linken Straßenseite war das Feld in die Länge gezogen und immer wieder sind wir um Haaresbreite an geparkten Autos vorbeigebrettert, so dass viele Fahrer im Feld sich fragten, wieviel denn das Rennen wert sei und letztlich zu dem Schluss kamen: nicht so viel wie ihr Leben!

Ich hielt mich sicherheitshalber ganz vorne auf und half dabei zwangsläufig den Franzosen bei ihrer Jagd auf das Gelbe Trikot, weil ich ja bei deren Tempo meine Position halten wollte.

Während ich glimpflich durchkam, hatten meine Teamkollegen weniger Erfolg. Yannick Mayer durfte zwei Mal feststellen, wie hart der Asphalt war. Trotz vieler Schürfwunden ist er aber mit einem Lächelns ins Ziel gerollt.

In den Zwischensprints konnten die Franzosen keine Zeit auf den Marokkaner gutmachen, aber im Zielsprint gewann Loubet und nahm so dem Marokkaner noch das Gelbe Trikot ab. Ob der Portugiese Cardoso, der überragende Sprinter im Rennen, tatsächlich geschlagen worden ist oder sich schlagen ließ, wird man wohl nie erfahren.

Damit ist die Rundfahrt vorbei und wir sind zum Glück recht heil durchgekommen. Es war viel härter, als ich es mir vorgestellt hatte, aber das tut auch gut mit Blick auf die Rennen in Europa, denn die werden keinesfalls leichter sein und wir sind darauf gut vorbereitet. Ich werde mich jetzt zunächst etwas von den Strapazen erholen und dann geht es schon wieder weiter mit Rennen in den Niederlanden und am Ostermontag bei Rund um Köln.

Ich freue mich richtig drauf, wieder Rennen in Europa, vor allem in Deutschland, fahren zu können. Mal sehen, was dort gehen wird.

Bis zum nächsten Tagebuch
Euer Dan

Mehr Informationen zu diesem Thema

12.04.2014Ich wollte nur noch, dass der Schmerz aufhört

(rsn) - Heute Morgen saßen Daniel Bichlmann und ich vor unserem Hotel und schauten uns die Landschaft an und meinten beide, dass es hier sehr schön ist. Die Landschaften sind sehr unterschiedlich, a

11.04.2014Auf dem libyschen Leihrad ging's bergab noch schlechter

(rsn) - Die Rennen hier scheinen immer gleich abzulaufen. Es folgt einfach Attacke auf Attacke – jeden Tag. Am ersten Berg des Tages ging es mir richtig schlecht, so dass ich in der dritten Gruppe Ã

11.04.2014Hümbi war mein Licht im Dunkeln

(rsn) – Die 6. Etappe war mit 137 Kilometern die bisher kürzeste der Rundfahrt, dazu war es auch sehr flach. Wir sind hier aber in Marokko, es gibt also keine lockeren Tage – vor allem weil es im

09.04.2014Was bloß hatte die Nummer 83 im Kopf?

(rsn) - Radsport ist wie ein Schachspiel. Gestern verlor ich zehn Minuten auf den neuen Leader. Obwohl dieser mir am ersten Berg schon davon gefahren war – mein Diesel-Motor musste sich erst mal war

08.04.2014Dieses Rennen ist einfach nur verrückt

(rsn) – Dieses Rennen ist einfach nur verrückt. Spaßig, aber verrückt. Vor der Etappe hatten wir einen Transfer von 220 Kilometern zurückzulegen und direkt nach dem Start ging es in einen acht K

07.04.2014Auf den zweiten Gesamtrang hochgerutscht

(rsn) - Wenn man nach fünfzig Kilometern meint, dass es keinen Meter bei dieser Geschwindigkeit mehr weiter geht, dann ist es kein gutes Zeichen. Besonders, wenn es noch 120 Kilometer ins Ziel sind.

06.04.2014Mit der späten Attacke habe ich mir keinen Gefallen getan

8rsn) - Es ist erstaunlich, wie gut es sich anfühlt, eine Etappe erst um 13 Uhr starten zu können. Es heißt zwar, dass es danach wenig Zeit gibt - aber das ist auch nicht so schlecht. Du musst nich

05.04.2014Das ganze Feld an der Nase herumgeführt

(rsn) - Die Kamerun-Rundfahrt liegt keine drei Wochen zurück und da bin ich schon wieder -diesmal melde ich mich von der zehntätigen Tour du Maroc. Aus unserem Team von Kamerun ist nur Daniel Bichlm

Weitere Radsportnachrichten

31.03.2025Jakobsen muss unters Messer und steht vor langer Zwangspause

(rsn) – Spätestens nach der Saison 2022 schien der Horror-Sturz von Fabio Jakobsen (Picnic - PoostNL) aus der Polen-Rundfahrt aus dem Jahr 2020 endgültig vergessen, der heute 28-Jährige fuhr mit

31.03.2025Tudor, TotalEnergies und Uno-X bekommen die Tour-Wildcards 2025

(rsn) – Kaum hat die UCI die Bestätigung einer möglichen dritten Wildcard für die Grand Tours im Jahr 2025 bekanntgegeben, ist auch die ASO als Veranstalterin der Tour de France nun bereits vorge

31.03.2025Wiebes‘ unglaubliche Statistiken: Die Zahlen hinter der “100“

(rsn) – Ihren ersten UCI-Sieg feierte Lorena Wiebes im Jahr 2018. Das war damals im Mai beim Dorpenomloop in Aalburg, einem Rennen, das heute nicht mehr ausgetragen wird. Damals war sie 19 Jahre alt

31.03.2025UCI bestätigt Erweiterung der Grand-Tour-Pelotons auf 23 Teams

(rsn) – Nachdem sich das Professional Cycling Council (PCC) bereits für ein zusätzliches 23. Team bei den Grand Tours ausgesprochen hatte, hat nun auch das UCI Management Komitee die Entscheidung

31.03.2025Kool schafft bei Gent-Wevelgem den Befreiungsschlag

(rsn) – Auch wenn die Weltklasse-Sprinterin Charlotte Kool (Picnic – PostNL) beim überlegenen Sieg von Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) bei Gent-Wevelgem (1.UWT) chancenlos aussah, war die 25-

31.03.2025Keßler holt dritten Platz auf Schlussetappe der Olympia´s Tour

(rsn) - Für die Teams Lotto – Kern Haus – PSD Bank und Rembe – rad-net ist mit unterschiedlichen Gefühlen eine insgesamt erfolgreiche Olympia´s Tour zu Ende gegangen und Run & Race - Wibatech

31.03.2025Kooij erleidet Schlüsselbeinbruch bei Gent-Wevelgem

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat sich bei seinem Sturz 72 Kilometer vor dem Ziel bei Gent-Wevelgem (1.UWT) das Schlüsselbein gebrochen. Das bestätigte das niederländische Team vi

31.03.2025Haller fehlte ein halbes PS bei Pedersens Attacke

(rsn) – Durch die immer früheren Attacken der Favoriten bei den belgischen Frühjahresklassikern hat sich die Taktik, über die frühe Ausreißergruppe vor das Rennen zu kommen, in den letzten Jah

31.03.2025Dwars door Vlaanderen im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Dwars door Vlaanderen (1.UWT) ist eines der kürzesten flämischen Eintagesrennen des Frühjahrs. Im vergangenen Jahr etwa betrug die Distanz "nur" 183,7 Kilometer. Für die Fahrer ist das

30.03.2025Pedersen: “Erwartet das nicht immer von mir“

(rsn) – Es war schon eine sehr eindrucksvolle Show, die Mads Pedersen (Lidl – Trek) mit seiner 56 Kilometer langen Soloflucht beim 87. Gent-Wevelgem in Flanders Fields bot. Als wäre nichts weiter

30.03.2025Degenkolb: “Als Mads losfuhr, hatte keiner die Beine“

(rsn) – John Degenkolb (Picnic – PostNL) hat beim 87. Gent-Wevelgem (1.UWT) eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er trotz seiner 36 Jahrebei harten, langen Eintagesrennen immer noch mit der

30.03.2025Clever und stark: Roglic nach Katalonien bereit für den Giro

(rsn) - Primoz Roglic (Red Bull - Bora - hansgrohe) hat mit seinem Gesamtsieg bei der Katalonien-Rundfahrt eindrucksvoll bewiesen, dass er in bestechender Form ist. Der 35-jährige Slowene zeigte nic

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine