RSNplusZwei Wochen in Rot machten Lust auf mehr

Auf den Geschmack gekommen: O´Connor erfindet sich neu

Von Tom Mustroph

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Der Sieg, der alles ermöglichte: Ben O´Connor triumphierte auf der 6. Etappe als Solist. | Foto: Cor Vos

09.09.2024  |  (rsn) - Ben O'Connor hat einiges erlebt bei dieser Vuelta a Espana. Er war im siebten Himmel nach der 6. Etappe, als er als Ausreißer das Rote Trikot holte. Er behielt das 'Rojo' 13 Tage lang, viel länger, als er es sich selbst zugetraut hatte. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich es bis so weit in die dritte Woche tragen würde", gab er selbst zu. Und am Ende war er auch wieder glücklich, selbst wenn er das Trikot doch noch an Primoz Roglic abgeben musste. "Dieser zweite Platz fühlt sich für mich wie ein Sieg an", sagte der Australier am Sonntag nach dem Abschluss-Zeitfahren in Madrid.

Im Laufe der Rundfahrt musste er aber auch einige Nackenschläge verdauen. Im Ziel nach der brutalen Etappe zu den Lagos von Covadonga schickten ihn schlecht informierte Mitarbeiter der Vuelta erst ins Tal zur vermeintlichen Siegerehrung. Dann stellte sich aber heraus, dass die doch auf dem Gipfel stattfand. Und er musste wieder hinauf.

"Ich kann euch sagen, dass ich gar nicht glücklich darüber bin. Ich versuche, ein nettes Gesicht zu machen, aber innerlich bin ich einfach sauer", meinte er. Er klagte auch, dass er noch weiter in seinen durchgeschwitzten Rennklamotten steckte und auf eine heiße Dusche verzichten musste. Zu allem Unglück bekam er noch eine Strafe von 1.000 Schweizer Franken und einen Abzug von 20 UCI-Punkten aufgebrummt, weil er die Siegerehrung verpasst beziehungsweise stark verzögert hatte. ___STEADY_PAYWALL___

An den Lagos de Covadonga verteidigte O'Connor sein Rotes Trikot auf der 16. Etappe um fünf Sekunden vor Primoz Roglic. | Foto: Cor Vos

Zum Glück stand nach dieser arg missglückten Regeneration für O'Connor am Folgetag nur eine Sprintetappe an. Und noch zwei weitere Tage konnte er Rot verteidigen, bevor Roglic es ihm auf der drittletzten Etappe endgültig abnahm. "Das hat mich nicht wirklich überrascht. Aber ganz so schlecht hatte ich mich im Finale doch nicht erwartet. Ich war ein bisschen Durchschnitt, ehrlich gesagt", meinte er da.

Die Flüche, die man früher von ihm gewohnt war, die ihm im Netflix-Film über die Tour de France auch den Ruf eingebracht hatten, seine Nerven nicht im Zaume halten zu können und den Vorwurf, mental unreif für eine Grand Tour zu sein – die hörte man nicht mehr.

Gereift und stabil über drei Wochen

Überhaupt zeigte sich der Australier überraschend stabil und ließ gegenüber den anderen Klassement-Aspiranten wie Enric Mas (Movistar) und Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) wenig anbrennen. Den heikelsten Moment in dieser Hinsicht hatte er auf der 18. Etappe zu überstehen, als Carapaz‘ pinke EF-Mannen zum Angriff bliesen. "Als sie das Feuer entfachten, war es sehr, sehr hart. Zum Glück hatten wir Victor Lafay in der Gruppe vorn, der zurückkommen konnte, und bei mir war noch Valentin Paret-Peintre", schilderte er die Situation.

Gut bewacht: Ben O'Connor hatte von seinem Team Decathlon – AG2R gute Unterstützung bei der Verteidigung des Roten Trikots. | Foto: Cor Vos

Paret-Peintre, Etappensieger beim Giro in diesem Jahr, war auch am Folgetag bei seinem Kapitän. Er konnte zwar nicht verhindern, dass Roglic Rot übernahm. Der Franzose tat aber das Seinige, dass O'Connors Abstand auf Mas und Carapaz beruhigend groß blieb. Und am Samstag war der Österreicher Felix Gall, der endlich seine guten Bergbeine der ersten zwei Vuelta-Wochen wieder gefunden hatte, als letzter Mann beim Australier.

Überhaupt machte die Decathlon-Gruppe einen soliden Job bei der zweiwöchigen Verteidigung der Leaderposition. Es sah zwar bei weitem nicht so dominant aus wie bei Jumbo – Visma im letzten Jahr oder UAE Emirates in dieser Saison bei Giro und Tour. Aber die unmittelbaren Konkurrenten wurden – bis auf Roglic – nicht entscheidend weggelassen. Und für die, die als ungefährlich erachtet wurden, gab es den Freifahrtschein für zahlreiche Fluchtgruppen-Erfolge. Das sparte Kräfte im Team.

In Zukunft für Jayco – AlUla auf Podestplatz-Jagd

O'Connor selbst zeigte, dass er nach vierten Plätzen jeweils bei Giro und Tour tatsächlich zum Podiumsanwärter bei Grand Tours gereift ist. "Es ist einfach schön, das Gefühl zu verspüren, eines Tages eine Grand Tour gewinnen zu können", meinte er. An Siege über Pogacar und Vingegaard denkt er dabei nicht. "Die beiden fahren auf einem anderen Level", gestand er. Aber in Abwesenheit der beiden traut er sich den großen Coup inzwischen zu. "Früher hätte ich das für unrealistisch gehalten. Aber jetzt so nahe dran zu sein, ist schon speziell", beschrieb er seine neuen Ambitionen.

Auf dem Podium in Madrid: Der Gesamtzweite Ben O'Connor und Vuelta-Sieger Primoz Roglic gratulieren sich. | Foto: Cor Vos

Die wird er allerdings in anderem Outfit verfolgen. Für die nächsten beiden Jahre hat er beim heimischen Rennstall Jayco - AlUla unterschrieben. Hier bei der Vuelta war er übrigens nur einer aus einer ganzen Schar erfolgreichen Australier. Landsmann Kaden Groves holte drei Tagessiege und das Punktetrikot, Jay Vine schmückte sich mit dem Bergtrikot. Slowenien schaffte zwar das Grand Tour-Triple in den Hauptwertungen. Australien präsentierte sich bei der Vuelta aber auch als tolle Radsportnation.

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