Kommentar zur Anwendung bei “Eigenverschulden“

Die 3-Kilometer-Regel braucht weiteres Fein-Tuning

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Die 3-Kilometer-Regel braucht weiteres Fein-Tuning"
Primoz Roglic (Red Bull - Bora - hansgrohe) nach seinem Sturz im Finale der 11. Tour-Etappe. | Foto: Screenshot aus der Live-Übertragung auf Eurosport

11.07.2024  |  (rsn) – 30 Sekunden verlor Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) von der letzten engen Spitzkehre, wo er in der Abfahrt zum Ziel der 11. Etappe der Tour de France weggerutscht und zu Fall gekommen war, bis zur Linie auf seinen vorherigen Begleiter Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step). Der Rückstand auf den Belgier in der Gesamtwertung, und damit auch auf den Podestplatz, er schien wieder anzuwachsen an einem Tag, an dem der Slowene eigentlich so stark gewirkt hatte, wie bisher an keinem anderen bei dieser 111. Frankreich-Rundfahrt.

Einige Minuten nach Roglics Ankunft aber gab es Entwarnung: Die Jury wertete ihn mit derselben Zeit, wie Evenepoel, nur 25 Sekunden hinter Tagessieger Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike). Die 3-Kilometer-Regel war angewendet worden, der Sturz abgesehen von oberflächlichen Blessuren ohne Konsequenzen geblieben.

Dass es so kam, das war für viele Beobachter eine große Überraschung. Doch in Le Lioran handelte es sich eben um keine Bergankunft und so hielt man sich beim Tour-Veranstalter und der UCI-Jury die Option offen, den eigentlich einst für Gruppenankünfte auf Flachetappen eingeführten Regel-Paragraphen anzuwenden. Bei der Tour 2024 gilt die Regel nur in den Zeitfahren sowie bei den Bergankünften auf den Etappen 14, 15, 17, 19 und 20 nicht, an allen anderen Tagen nach Artikel 20 des Tour-Reglements aber schon.

Damit, dass man die 11. Etappe als eine auserkor, bei der die Regel greifen durfte, hat die ASO ganz offensichtlich der abenteuerlich geplanten Ankunft im Zentralmassiv Tribut zollen und Kritik aus dem Weg gehen wollen. Denn die Abfahrt vom letzten Bergpreis 2,8 Kilometer vor dem Ziel am Col de Font de Cère hinunter in den Ski-Ort war einem Tour de France-Etappenfinale eigentlich kaum würdig: ein schmales, brüchiges Asphaltband durch den Wald. Wäre da eine größere Ausreißer- oder Favoritengruppe um den Sieg hinuntergesaust – keine schöne Vorstellung!

Insofern war die Option, die 3-Kilometer-Regel anzuwenden, auf dieser 11. Tour-Etappe wichtig und richtig, keine Frage! Trotzdem muss man sich fragen: War die Anwendung letztlich im Sinne des Sports?

Die Regel wurde einst eingeführt, um die Sicherheit bei Massenankünften zu erhöhen und Fahrer zu schützen, die unverschuldet in einen Massensturz verwickelt beziehungsweise durch ihn aufgehalten werden oder einen Defekt erleiden. Unlängst wurde dem UCI-Regelwerk – und das ist wirklich zu begrüßen – sogar die Option hinzugefügt, aus der 3- eine 5-km-Regel zu machen, wenn es die Beschaffenheit der Zielanfahrt erfordert.

Roglic aber stürzte 1,5 Kilometer vor dem Ende der 11. Etappe ohne fremdes Zutun. Der Slowene fuhr die extrem enge Spitzkehre schlicht falsch an und rutschte deshalb weg – ein simpler Fahrfehler, wenn auch bei einer unwürdigen Zielanfahrt.

Das Problem lag in Le Lioran bei der Streckenführung

Sicher: Auf diesem Sträßchen war es 'weise Voraussicht', die 3-Kilometer-Regel zu ermöglichen. Aber wenn in Zukunft ein Fahrer innerhalb der letzten drei Kilometer den Anschluss an seine Gegner zu verlieren droht, wirft er sich dann Reißnägel vors Vorderrad, um im Ziel bei etwaigem Rückstand der Jury einen Defekt vorweisen zu können?

Oder, viel realistischer: Was wäre eigentlich passiert, wenn Roglic sich verbremst, aber mit gutem Bikehandlung irgendwie auf dem Rad gehalten hätte und so eine Lücke zu Evenepoel aufgegangen wäre, die er bis zum Ziel nicht mehr geschlossen hätte? Hätte man ihm dann auch die Zeit des Belgiers gegeben oder wäre er fürs Vermeiden eines Sturzes "bestraft" worden, indem er Sekunden kassiert hätte?

Eigenverschulden sollte bei Bewertung eine Rolle spielen

Dass ein Fahrer, der ohne das Mitwirken von anderen einen Fahrfehler macht und stürzt, am Ende keine Zeit verliert, kann nicht im Sinne des Sports sein!

Übrigens gilt dieses Gedankenspiel auch anders herum: Wenn am Samstag am Pla d'Adet oder kommenden Mittwoch in Superdevoluy eine Favoritengruppe gemeinsam ankommt und im Sprint um den Sieg in den dort jeweils rund 100 Meter vor der Bergankunft wartenden Rechtskurven ein Fahrer einen anderen abräumt, wieso gilt die 3-Kilometer-Regel dort dann für das "Opfer" des Manövers explizit nicht?

Der Faktor "Eigenverschulden" sollte bei der 3-Kilometer-Regel doch eine Rolle spielen – in beide Richtungen!

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.11.2024Cavendish gewinnt in Singapur den letzten Sprint seiner Karriere

(rsn) – Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) hat das letzte Rennen seiner Karriere standesgemäß beendet. Der 39-jährige Brite ließ in Singapur beim von der ASO organisierten Prudential Critérium i

24.07.2024Geschke würde “gerne nochmal zur WM fahren“

(rsn) – Simon Geschke hat seine letzte Tour de France beendet. Bei zwölf Teilnahmen gelang ihm 2015 in Pra-Loup einer seiner drei Profisiege der Karriere, die zum im Oktober ihr Ende finden wird. V

24.07.2024Wirbelfraktur bei Roglic

(rsn) – Die 12. Etappe der Tour de France 2024 wird Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch länger in Erinnerung bleiben. Nicht nur, dass sein Sturz weniger Kilometer vor dem Ziel in V

23.07.2024Nach Tour-Aus noch Fragezeichen hinter Roglics Vuelta-Start

(rsn) – Nachdem er die Tour de France in Folge von zwei Stürzen binnen 24 Stunden vorzeitig verlassen musste, befindet sich Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch in der Erholungsphas

23.07.2024Tour-Dritter Evenepoel: “Noch etwas größer als der Vuelta-Sieg“

(rsn) – Nach seinem erfolgreichen Tour-de-France-Debüt blickt Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) zuversichtlich nach vorn. “Ich denke, dieser Podestplatz bedeutet für meine Zukunftspläne,

22.07.2024Titelverteidiger bezwungen, zwei Topteams gehen leer aus

(rsn) – In Nizza endete am Sonntag die 111. Austragung der Tour de France. Das Rennen rund um Frankreich, welches heuer erstmals in Italien begann, sorgte für viel Action, Dramatik, Freude und Trä

22.07.2024Pogacar: “Superdumm, etwas zu nehmen, was Dich gefährdet“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nicht nur den Giro d’Italia, sondern auch die Tour de France fast nach Belieben dominiert. Der Slowene gewann beide Rundfahrten dank jeweils sechs Et

22.07.2024Pogacar und UAE auch im Preisgeld-Ranking der Tour Nummer 1

(rsn) – UAE Team Emirates hat bei der 111. Tour de France dank Tadej Pogacar auch beim Preisgeld groß abgesahnt. Dagegen ist das deutsche Team Red Bull – Bora – hansgrohe das Schlusslicht des

22.07.2024Pogacar kehrt auf den Thron zurück, Girmay Afrikas Radsportheld

(rsn) – Drei Wochen Tour de France sind am Sonntagabend in Nizza zu Ende gegangen. Erstmals fand das Finale des größten Radrennens der Welt nicht in der französischen Hauptstadt Paris statt, son

21.07.2024Auch ohne Etappensieg eine Tour-Bilanz mit Erfolgen

(rsn) – Acht deutsche Fahrer starteten vor drei Wochen in Florenz in die 111. Tour de France und sieben davon erreichten das Ziel in Nizza. Zwar müssen die deutschen Fans weiter auf den ersten Eta

21.07.2024Tadej, der Gnadenlose: Pogacar unterwirft sich die Tour

(rsn) - Die Geschichte kennt Iwan, den Schrecklichen, Vlad, den Pfähler und Eddy, den Kannibalen. Mit ersterem ist nicht der frühere Giro-Sieger Ivan Basso gemeint, sondern der grausame Zar, der sei

21.07.2024Vingegaard: “Unter normalen Umständen wäre ich enttäuscht“

(rsn) - Mit seinem sechsten Etappensieg vollendete Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nicht nur das Double aus Giro d´Italia und der Tour de France, sondern stellte auch seine Anzahl an Tageserfolgen

Weitere Radsportnachrichten

23.11.2024Britisches Duo fordert Lavreysen und Andrews heraus

(rsn) – Mit Ausnahme der fehlenden deutschen Stars um die zweimalige Olympiamedaillengewinnerin Lea Sophie Friedrich hält die Auflistung der Athletinnen und Athleten der diesjährigen Sprintsaison

23.11.2024Iserbyt krönt cleveres Zusammenspiel mit Vanthourenhout

(rsn) – Nachdem Fem van Empel (Jumbo – Visma) im Frauenrennen ihren Vorjahressieg wiederholen konnte, hat auch Eli Iserbyt (Pauwels Sauzen – Bingoal) beim Excact Cross in Kortrijk seinen Titel v

23.11.2024Van Empel ist bereit für den ersten Cross-Weltcup

(rsn) – Fem van Empel (Jumbo – Visma) hat nach ihrer Rennpause schnell wieder in die Erfolgsspur zurückgefunden. Die Weltmeisterin gewann wie bereits im vergangenen Jahr den Exact Cross in Kortri

23.11.2024Dank Freiheiten bei Stevens für vier Teams im Einsatz

(rsn) – Hinter Tillman Sarnowski liegen zwei turbulente U23-Jahre. Der U19-Bundesliga-Gesamtsieger von 2022 hatte sich im Jahr darauf dem Team Dauner Akkon angeschlossen, das dann aber doch nicht wi

23.11.2024Red-Bull-Neuzugang Pithie will van der Poel herausfordern

(rsn) – Laurence Pithie gewann im Januar mit dem Cadel Evans Great Ocean Road Race sein erstes WorldTour-Rennen und beeindruckte bei den Frühjahrsklassikern. Der 22-jährige Neuseeländer belegte b

23.11.2024Olympia-Reservistin Pröpster: Gelingt bei TCL der nächste Schritt?

(rsn) – Mit drei Rennsiegen, dem zwischenzeitlichen Tragen des Führungstrikots und schließlich Gesamtrang zwei in der Sprint League hat Alessa-Catriona Pröpster bei der Track Champions League 202

23.11.2024Track Champions League: Format, Kalender, Punktesystem

(rsn) – Nach Olympia in Paris im Sommer und den Weltmeisterschaften im Oktober im dänischen Ballerup endet das internationale Bahnjahr an den kommenden drei Wochenenden mit der Track Champions Leag

23.11.2024Scott David: Trotz Traumwerten keine WorldTour

(rsn) – “Mein Ziel ist ein WorldTour- oder ProTeam-Vertrag. Ich habe mir ein Limit von zwei Jahren gesetzt, so lange möchte ich es auf Kontinental-Niveau versuchen“, hatte Scott David im letzte

23.11.2024Wafler: Rückkehr nach Paris weckt Olympia-Erinnerungen

(rsn) - Tim Wafler hat es erstmals in das illustre Feld der Ausdauerfahrer der UCI Track Champions League geschafft. Der Österreicher startet am Samstagabend im Velodrome National in Saint-Quentin-en

23.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

22.11.2024Top-Favoritin? Archibald nach schwerem Jahr eine “7 von 10“

(rsn) – Katie Archibald ist die Königin der Track Champions League. 2021 und 2023 gewann sie jeweils souverän den Titel in der Endurance League und auch 2022 wäre das wohl gelungen, wenn sie dama

22.11.2024Spiegel will “versuchen, ´die Großen´ etwas zu ärgern“

(rsn) – Luca Spiegel wird am Samstag sein Debüt in der Track Champions League geben. Der 20-jährige U23-Europameister im Sprint will auf der Bahn, auf der er im Sommer zu den jüngsten Olympia-Sta

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine