RSNplusTeam der Uni Gent erstellt Datenbank

Weniger Stürze mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz?

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "Weniger Stürze mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz?"
In hart umkämpften Sprints - so wie hier bei der Ungarn-Rundfahrt 2024 - kommt es immer wieder zu schweren Stürzen. | Foto: Cor Vos

20.05.2024  |  (rsn) - Der Radsport wird technologisch immer ambitionierter. Das betrifft etwa die Materialentwicklung. Fünf Ingenieure sitzen etwa bei Colnago ganzjährig daran, die Arbeitsgeräte von Tadej Pogacar und Kollegen zu optimieren, erzählte ein Sprecher des Fahrradherstellers RSN am Rande des Giro. Auch Ernährungsspezialisten hat jedes Team. Vermessen werden Radprofis fast wie Astronauten auf dem Orbit um die Erde.

Nur in einem Punkt ging es bislang noch recht rustikal und altmodisch zu, in der Analyse von Stürzen und Sturzursachen. Das ändert sich jetzt. An der Universität Gent arbeitet ein Team um den promovierten Informatiker und Videoanalysten Steven Verstockt an einer durch Künstliche Intelligenz erstellten Sturzstatistik. Und mit Bild-KIs analysiert Verstockt auch schon Rennstrecken auf potentielle Gefahrenstellen.

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“Wir bauen eine Datenbank über Stürze und Sturzursachen im Straßenradsport auf. Mehr als 1000 Datensätze haben wir schon“, erzählte Verstockt gegenüber RSN. Verstockt ist selbst vom Radsport angefixt. Auslöser dafür, seine berufliche Qualifikation mit seiner Leidenschaft zu verbinden, gab der Horrorcrash von Fabio Jakobsen bei der Polen-Rundfahrt 2020. Da bemerkte er, dass es noch nicht einmal eine richtige Sturzstatistik beim Weltverband UCI gab. Gut, die Fahrerinnengewerkschaft The Cyclists Alliance erfasst seit einigen Jahren über Fragebögen viele Stürze im Frauenradsport. Zu einer zentralen Datensammlung bei der UCI hat diese Initiative aber – leider – noch nicht geführt.

Lassen sich mit Hilfe von KI schwere Stürze wie der von Fabio Jakobsen bei der Polen-Rundfahrt 2020 künftig verhindern – oder zumindest ihre Anzahl reduzieren? | Foto: Cor Vos

Verstockts Ansatz ist mindestens originell. Denn sein Team wertet Beiträge auf X – ehemals Twitter – nach Sturznachrichten aus. “Wir wählen Accounts aus, die häufig Informationen über Stürze posten. Derzeit sind es etwa 250“, erklärte er. Die Daten werden dann aufbereitet und strukturiert und, so vorhanden, mit Fotos und Videos verknüpft. Denn die Bilder können auch Auskunft über die Schwere der Stürze geben, etwa durch die Wucht des Aufpralls oder die Zeit, in der ein Fahrer am Boden lag.

“Sturz-Datenbank“ liefert erste Erkenntnisse

Als häufigste Sturzursachen lassen sich aus den Datenätzen laut Verstockt gefährliche Abfahrten, Probleme bei unterschiedlichem Fahrbahnbelag, etwa beim Wechsel von Asphalt zu Pflasterstein oder Kies, dann die Massensprints und schließlich Fahrfehler als Ursachen herauslesen.

Hundertprozentig wird das Sturzgeschehen damit natürlich nicht abgebildet. “Bei uns finden ja nur Stürze Eingang, die eine gewisse Aufmerksamkeit erlangt haben und die in den Sozialen Medien auftauchen. Deshalb wird die Datenbank auch manuell durch die UCI ergänzt“, erklärte er. Als Entscheidungstool taugen die Datenbank und die daraus abgeleiteten Erkenntnisse schon jetzt.

Die Daten stellt sein Team der UCI zur Verfügung. “Sie können zum Screening von Rennstrecken genutzt werden. Wo gibt es zum Beispiel eine Kombination aus Abfahrt, wo das Peloton sehr schnell ist, und einem Wechsel des Fahrbahnbelags? Da können wir die Organisatoren informieren und sie die Stelle entweder besser kennzeichnen oder den Kurs ändern. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz kann man auch regelmäßige Berichte über das Sturzgeschehen veröffentlichen. Informationen dieser Art gibt es bislang nicht“, betonte Verstockt. Sein Team filmt auch Rennstrecken ab und analysiert sie hinsichtlich potentieller Gefahrenpunkte.

 

Der Herbstklassiker Il Lombardia gehört zu denjenigen Rennen, für die Verstockt und sein Team Videoanalysen von Gefahrenpunkten erstellen. | Foto: Cor Vos

Die Resonanz der Organisatoren ist unterschiedlich. “Mit einigen Organisatoren arbeiten wir schon zusammen, andere machen selbst ähnliche Dinge“, sagte Verstockt. Für 50 Renntage, darunter Etappen bei Il Lombardia, der Polen-Rundfahrt, der Tour de Romandie und der Eneco Tour, habe sein Team schon solche Videoanalysen von Gefahrenpunkten erstellt, erzählte Verstockt. Die Grand Tours allerdings waren da noch nicht dabei.

KI kann die Intelligens der Streckenplaner nicht komplett ersetzen

Der Informatiker sieht den Radsport im Wandel. Und er betont, dass die Künstliche Intelligenz (KI) nicht die menschliche Intelligenz der früheren Radprofis, die jetzt den Parcours für die Rundfahrten planen, komplett ersetzen wird. “Aber maschinelle Intelligenz kann ein gutes Werkzeug sein.“

Ein weiteres Anwendungsgebiet Künstlicher Intelligenz könnte die Auswertung von Videosequenzen von Massensprints sein. “So könnte man feststellen, welcher Fahrer seine Linie verließ und daher sanktioniert werden muss. Man könnte das auch mit früheren Sprints vergleichen, wo Fahrer ebenfalls sanktioniert wurden. Das wäre objektiver als jetzt ein Jury-Entscheid, und die Fahrer würden es vielleicht auch besser nachvollziehen können“, argumentierte er.

Zahlreiche Spin Offs könnte es also bei der Uni Gent geben. Die Radsportindustrie muss nur aufgeschlossen sein für solche Neuerungen.

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