Giro: Thomas verteidigt Rosa vor Roglic

Buitrago ist der König der Drei Zinnen, Kämna jetzt Achter

Von Kevin Kempf

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Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) hat die 19. Giro-Etappe gewonnen. | Foto: Cor Vos

26.05.2023  |  (rsn) – Die Königsetappe des Giro d’Italia endete mit einem Ausreißercoup und wenig Action bei den Favoriten. Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) setzte sich am Ende des 19. Teilstücks nach 183 Kilometern an den Drei Zinnen (Tre Cime di Lavaredo) gegen Derek Gee (Israel – Premier Tech) durch. Der Kanadier lag bis 1,5 Kilometer vor dem Ziel solo in Führung, musste sich letztendlich aber 51 Sekunden hinter Buitrago mit seinem vierten zweiten Rang bei dieser Italien-Rundfahrt zufrieden geben.

Dritter wurde mit 1:46 Minuten Rückstand Magnus Cort (EF Education – EasyPost), der sich knapp vor dem heranstürmenden Primoz Roglic (Jumbo – Visma) ins Ziel rettete und dem Slowenen so vier Bonussekunden wegnahm. Roglic schien zunächst Zeit auf den Gesamtführenden Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) zu verlieren, konnte den Waliser aber im Schlusssprint noch ein- und überholen und Thomas (+1:49) drei Sekunden abnehmen. Joao Almeida (UAE Team Emirates / 2:09) wurde Sechster, Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) fiel als 18. des Tages im Klassement um zwei Positionen auf Rang acht zurück.

Nach Lavarone im Vorjahr jubelte Buitrago nun in Lavaredo. “Ich bin sehr glücklich über diesen Etappensieg. Es war ein schwieriger Giro für mich selbst. Jetzt heute gewonnen zu haben, das ist unglaublich“, so der 23-Jährige nach seinem zweiten Tageserfolg beim Giro. “Das ist der Lohn für all die Arbeit, die ich reingesteckt habe. Für das Team ist es hier gut gelaufen und ich bin froh, noch einen weiteren Etappensieg für uns geholt zu haben“, so der Kolumbianer weiter. Sein Teamkollege Jonathan Milan gewann bereits eine Etappe und ist Führender der Punktewertung, sein Kapitän Damiano Caruso liegt im Klassement nach der Königsetappe wieder auf Position vier.

Gee steht wieder mit leeren Händen da

Am Schlussanstieg sah es lange nach einem Sieg für Gee aus, der Buitrago zwischenzeitlich abgeschüttelt hatte. “Im Finale hatte ich Gee vor mir, das war mein Referenzpunkt. Als ich dann bei ihm war, habe ich einfach alles rausgehauen, was ging“, so der Bahrain-Profi über seine entscheidende Attacke 1,5 Kilometer vor dem Ziel.

Gee gehörte schon zum siebten Mal zu den Ausreißern des Tages. An einen Etappensieg hatte er dabei gar nicht gedacht. “Ich wollte in die Fluchtgruppe, um Punkte für das Sprinttrikot zu holen. Ich dachte, es würde ein GC-Tag werden. Aber dann wurde unser Vorsprung immer größer“, blickte der 25-jährige Neoprofi zurück. “Buitrago ist mit einem unglaublichen Tempo an mir vorbeigeschossen. Ich wusste, dass er vor mir war, aber sonst hatte ich keinen Plan, wie die Abstände zu den anderen Fahrern waren. Also bin ich Vollgas bis ins Ziel gefahren“, beschrieb Gee den Angriff des Siegers und die letzten Meter. Der Kanadier ist nun auch Zweiter der Punktewertung und Zweiter im Bergklassement.

Obwohl Jumbo – Visma vor dem Schlussanstieg noch sechs Fahrer in der Favoritengruppe hatte, zeigten sich die Niederländer den ganzen Tag nicht an der Spitze. Letztendlich fehlten Roglic nur wenige Meter zu Platz drei – und somit zu vier Bonussekunden. Trotzdem holte er drei Sekunden auf den Mann in Rosa auf. “Ich bin zufrieden, meine Beine sind zurück. Morgen heißt es noch mal Vollgas. Natürlich gehe ich mit Selbstvertrauen an den Start“, meinte der 33-Jährige im Ziel-Interview mit Blick auf das Zeitfahren am Samstag, vor dem er noch 26 Sekunden Rückstand auf Thomas hat. Almeida liegt als Dritter schon 59 Sekunden zurück.

Bora – hansgrohe war vor dem Start noch zuversichtlich, dass Kämna seinen direkten Gegner auf der Königsetappe Zeit würde abnehmen können. Letztendlich verlor der 26-Jährige aber auf alle Top-Ten-Konkurrenten Zeit - außer auf Laurens de Plus (Ineos Grenadiers), der zuvor viel Arbeit verrichtet hatte. Trotzdem fand Teamchef Ralph Denk im Ziel gegenüber radsport-news.com positive Worte: “Ich denke, die Leistung von Lenni geht schon in Ordnung. Die Entscheidung fällt erst morgen, aber man kann dennoch schon ein Resümee ziehen. Für das Podium hat es nicht gereicht, für die Top Ten wird es sicher reichen. Da kann man schon sagen, dass der erste Auftritt auf der großen Bühne über 21 Etappen schon geglückt ist“, bilanzierte der 49-Jährige.

Weiterer Verlierer neben dem Deutschen war Eddie Dunbar (Jayco – AlUla), der das Ziel erst als Dreizehnter erreichte und mit Caruso die Plätze tauschte. Thibaut Pinot (Groupama – FDJ) schob sich wie Thymen Arensman (Ineos Grenadiers) an Kämna vorbei, der Niederländer überholte auch Andreas Leknessund (DSM), der nun Neunter ist.

An der Spitze der Sonderwertungen blieb alles beim Alten. Milan verteidigte die Führung im Punkteklassement, Pinot ist weiterhin der Erste der Bergwertung. Almeida bleibt im Weißen Trikot des besten Nachwuchsfahrers.

So lief die 19. Etappe des Giro d’Italia:

Die Gruppe des Tages war auf der Königsetappe wie erwartet hart umkämpft. Zunächst machten sich Vejko Stojnic (Corratec – Selle Italia) und Larry Warbasse (AG2R – Citroën) nach 22 Kilometern auf und davon. 14 Kilometer später bekamen sie Gesellschaft von Warbasses Teamkollegen Alex Baudin und Derek Gee (Israel – Premier Tech). Das Feld jagte die Spitzengruppe jedoch weiter, blieb nah dran und ermöglichte so Magnus Cort (EF Education – EasyPost) und dann noch Nicolas Prodhomme (AG2R – Citroën), Vadim Pronskiy (Astana – Qazaqstan), Patrick Konrad (Bora – hansgrohe) sowie Davide Gabburo (Green Project – Bardiani CSF – Faizanè) den Sprung nach vorn. Die mittlerweile neun Ausreißer musste noch einige Kilometer Vollgas geben, bevor das Feld nach rund 55 Kilometern die Verfolgung einstellte.

Santiago Buitrago (Bahrain Victorious), Michael Hepburn (Jayco – AlUla) und Stefano Oldani (Alpecin – Deceuninck) befanden sich noch zwischen den beiden Gruppen, schafften dann allerdings genauso den Anschluss wie später Carlos Verona, José Joaquin Rojas (beide Movistar) und Mattia Bais (Eolo – Kometa), so dass nach 73 Kilometern die Gruppe auf 15 Profis angewachsen war.

Zwei Kilometer zuvor brachte Ben Healy (EF Education – EasyPost) Leben ins Feld. Der Ire griff trotz mehr als 5:30 Minuten Rückstand auf die Ausreißer an und zwang damit Groupama – FDJ um den Träger des Bergtrikots zur Reaktion. Die Franzosen erhöhten das Tempo sofort und teilten damit das Peloton. Nur rund 40 Mann konnten zunächst folgen. Schließlich machte sich Pinot allein auf die Verfolgung. Als er die erfolgreich abgeschlossen hatte, nahm Healy raus und das Feld holte die beiden wieder ein. Kurz danach probierte der EF-Kapitän es erneut, diesmal ließ Pinot sich aber nicht überraschen.

Das Profil der 19. Giro-Etappe | Foto: RCS Sport

Die maximal 18 zu vergebenden Punkte am Passo Campolongo (2.Kat.) holte sich Gabburo. Seine Gruppe lag hier, 95 Kilometer vor dem Ziel, 5:40 Minuten vor dem Peloton. Am einer kurzen Abfahrt folgenden Passo Valparola (1.Kat.) wuchs der Abstand auf gut acht Minuten an. Rojas und Stojnic mussten inzwischen die Segel streichen, während Gee sich den Bergpreis der 1. Kategorie und damit 40 Punkte sicherte.

46 Kilometer vor dem Ziel griff Verona im zehn Kilometer langen und neun Prozent steilen Passo Giau (1.Kat.) seine Begleiter an. Buitrago, Gee, Hepburn und Cort konnten dem Spanier folgen, ehe der Israel-Profi sich am Gipfel wieder die maximal möglichen 40 Punkte zu holen und sich in der Bergwertung auf den dritten Platz zu verbessern. Das von Ineos Grenadiers angeführte Feld lag nun rund sieben Minuten hinten.

In der Abfahrt nach Cortina d’Ampezzo machten zunächst Pronskiy und Prodhomme den Rückstand zur Spitze wieder wett. Kurz vor dem von Gee gewonnenen Zwischensprint kamen auch Konrad, Gabburo, Warbasse und Oldani wieder ran, ehe es 22 Kilometer vor dem Ziel in den Passo Tre Croci (2.Kat.) ging. Warbasse schlich sich auf den ersten ansteigenden Metern des acht Kilometer langen vorletzten Berg des Tages weg. Als er 45 Sekunden Vorsprung hatte, konterte bei einsetzendem Regen Buitrago mit Cort am Hinterrad. Warbasse konnte dem Tempo im Gegensatz zum unermüdlichen Gee, der sich mit dem Gewinn des Bergpreises auf den zweiten Platz der Bergwertung verbesserte, und Hepburn nicht folgen und fiel zurück.

Roglic und Thomas schütteln Almeida ab

Nach einer Attacke des Australiers setzten sich der Jayco-Profi, Buitrago, Gee und Cort noch vor dem offiziellen Beginn des Schlussanstiegs ab. Im unteren Teil des Schlussanstiegs zu den Drei Zinnen attackierte Gee an einer flacheren Passage. Buitrago schüttelte am nächsten Steilstück Cort und Hepburn ab und kam dem Spitzenreiter wieder näher. Gee aber steckte nicht auf und vergrößerte seinen Vorsprung wieder.

In der extrem steilen Schlusspassage hinauf zu den Drei Zinnen machte Buitrago dann doch Meter um Meter gut. Rund 1,5 Kilometer vor dem Ziel schloss er zu Gee auf und ließ mit einer beeindruckenden Tempobeschleuingung gleich weit hinter sich ließ. Kurz davor war bei den Favoriten, die 3:30 Minuten zurücklagen, Kämna ebenso Ilan van Wilder (Soudal – Quick-Step) und Laurens De Plus (Ineos Grenadiers) zurückgefallen. Wenig später reduzierte sich sich die Gruppe weiter, als Roglic attackierte und zunächst nur Thomas folgen konnte. Almeida und kurz danach Damiano Caruso (Bahrain Victorious) und Thymen Arensman (Ineos Grenadiers) schafften dann zwar wieder den Anschluss.

Doch dann bließ Thomas auf dem letzten Kilometer zur Attacke blies. Roglic hielt zunächst das Hinterrad, büßte dann doch aber einige Meter ein. Mit einem starken Finale kämpfte er sich aber wieder zum Mann im Rosa Trikot vor und ließ Thomas im Schlussprint nicht nur hinter sich, sondern knöpfte ihm auch noch drei Sekunden ab. Zu mehr reichte es aber nicht mehr, da Cort sich knapp den dritten Platz und damit weitere vier Bonussekunden sicherte.

Zuvor hatte Buitrago die Etappe gewonnen. Gee wurde Zweiter und Cort rettete sich wenige Meter vor Roglic als Dritter ins Ziel und nahm dem Slowenen so die Bonussekunden weg.

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