RSNplusDenz, Gee, Dunbar und der Sky-Train

Entdeckungen und Ãœberraschungen: Die Geschichten des Giro

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Entdeckungen und Ãœberraschungen: Die Geschichten des Giro"
Nico Denz (Bora - hansgrohe) lässt sich am Ende des Bergzeitfahrens am Monte Lussari von den Fans feiern. | Foto: Cor Vos

29.05.2023  |  (rsn) – Vor dem 106. Giro d’Italia schien die Ausgangsposition klar zu sein: Es würde ein Duell um den Gesamtsieg zwischen Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) und Primoz Roglic (Jumbo – Visma) geben, in den Sprints war Mads Pedersen (Trek – Segafredo) nominell der zu schlagende Mann. Doch rückblickend kann man 24 Tage später feststellen: Alles kam anders! Durch das frühe Ausscheiden von Evenepoel und Pedersen ergaben sich zusätzliche Chancen für Außenseiter.

Zehn Etappen wurden von Ausreißern gewonnen, sieben von Sprintern, nur vier – inklusive der drei Zeitfahren – blieben den Klassementfahrern. So schob sich Mitte der Rundfahrt ein Profi in den Fokus, der es in seinen neun Jahren als Berufsradfahrer auf nur drei Siege gebracht hatte. Innerhalb von drei Tagen fügte er seinem Konto zwei weitere - und die bis dato größten - hinzu.

Die Rede ist von Nico Denz (Bora – hansgrohe), der als Ausreißer sowohl das 12. als auch das 14. Teilstück für sich entschied und damit seinem Team nach dem Ausscheiden von Kapitän Aleksandr Vlasov den Giro rettete, bevor Lennard Kämna als Gesamtneunter noch für ein gutes Klassement sorgte.

___STEADY_PAYWALL___

Tragischer Held und Neuentdeckung

Während Denz seine beiden Fluchtversuche erfolgreich abschloss, wurde ein anderer Fahrer zum tragischen Helden des Giro. Von Derek Gee (Israel – Premier Tech) hatte vor der Italien-Rundfahrt wohl kaum jemand gehört. Als Berufsradfahrer hatte der Neoprofi noch kein einziges Top-Ten-Resultat erzielt, auch in der Zeit in den unteren Kategorien konnte der 25-Jährige wenige Erfolge sammeln. Zu einem Sieg reichte es bei seiner Grand-Tour-Premiere zwar noch nicht, trotzdem ist der Kanadier zweifellos die Neuentdeckung der Rundfahrt.

Der Ausreißerkönig des Giro d'Italia und wohl auch die Entdeckung der letzten zwei Wochen: Derek Gee (Israel - Premier Tech). | Foto: Cor Vos

Nach einer unauffälligen ersten Woche gehörte er auf den letzten 14 Etappen des Rennens siebenmal zu den Ausreißern des Tages. Auf vier Abschnitten kam er als Zweiter ins Ziel, zweimal wurde er Vierter, nur zum Monte Bondone wurde sein Versuch vom Feld vorzeitig gestoppt. So wurde Gee auch Zweiter in der Berg- und der Punktewertung.

Die einzige Chance auf einen ersten zwischen all den zweiten Plätzen war zum Giro-Abschluss, dass er auf dem Weg nach Rom die Wertung der Zwischensprints – für die es kein Trikot gibt – anführte. Doch als sein erster Verfolger Toms Skujins (Trek – Segafredo) auf dem Schlussakt angriff, reagierten weder Gee noch seine Mannschaft, sodass der Lette noch am Kanadier vorbeiziehen konnte. Der Israel-Profi schloss auch diese Wertung als Zweiter ab.

Ãœberraschende Mannschaften

Auch wenn sein Team in dieser Situation geschlafen hatte, fuhr der Zweitdivisionär Israel - Premier Tech einen starken Giro. Mit Domenico Pozzovivo wollte man aufs Klassement gehen, doch der 40-Jährige schied nach der 9. Etappe aus. Die Reaktion der anderen Sieben konnte sich aber sehen lassen, sie setzten nun voll auf Angriff. Neben Gee fiel vor allem Marco Frigo auf, der es dreimal in die Gruppe des Tages schaffte und dort mit starken Leistungen und einem dritten, einem fünften und einem sechsten Rang überzeugte. Auch Matthew Riccitello, der dritte Neoprofi im Bunde, deutete mit Platz 11 im Bergzeitfahren am Monte Lussari sein Potenzial an. Die jungen Wilden haben den Routiniers in einer Mannschaft voller Altstars in Italien gezeigt, wie es geht - auch wenn es nicht zu einem Sieg gereicht hat.

Davide Bais gewann für Eolo - Kometa die erste Giro-Bergankunft am Gran Sasso und trug danach lange das Bergtrikot. | Foto: Cor Vos

Ein Tageserfolg und acht Etappen im Bergtrikot sind die Bilanz von Eolo – Kometa. Beides wurde von Davide Bais erreicht, der auf dem Weg zum Gran Sasso d’Italia der Beste der Ausreißer war und das dort übernommene Blaue Trikot danach schlau verteidigte. Wenn man bei dieser Italien-Rundfahrt das Budget der Mannschaften in Verhältnis zu den Erfolgen sieht, kommt wohl keine Equipe in der Kosten-Nutzen-Rechnung am italienischen Zweitdivisonär vorbei – und das, obwohl ihr Kapitän Lorenzo Fortunato, dem man die Top Ten zutrauen konnte, enttäuschte.

Ineos Grenadiers erinnerte an den Sky-Train

Aus einem ganz anderen Holz sind die Männer von Ineos Grenadiers geschnitzt. Sie galten schon vor der Rundfahrt als stärkstes Team neben Jumbo – Visma. Doch was die Briten beim Giro auf den Asphalt zauberten, erinnerte an ihre besten Sky-Train-Zeiten. Nach dem Ausscheiden von Evenepoel lagen sie mit Tao Geoghegan Hart und Geraint Thomas auf Podiumskurs.

Auch dezimiert noch bärenstark: Ineos Grenadiers hatte für Geraint Thomas lange Zeit alles unter Kontrolle - Laurens De Plus (vorne) und Thymen Arensman (dahinter) fuhren beide noch in die Top Ten der Gesamtwertung. | Foto: Cor Vos

Gerade der Engländer machte einen starken Eindruck, bis er auf der 11. Etappe verletzt aufgeben musste. Pavel Sivakov riss er mit sich, der Franzose fuhr noch sechs Tage weiter, bevor auch er in den Teamwagen stieg. Vor jenem Sturz hatte Ineos fünf Fahrer unter den besten Elf der Gesamtwertung. Sie beendeten das Rennen mit Thomas, Thymen Arensman und Laurens de Plus in den Top 10. Der 37-Jährige Thomas verlor den Giro um nur 14 Sekunden, nachdem er dieses Jahr noch keine nennenswerte Vorleistung erbracht hatte.

Die Klassementfahrer

Nach den Aufgaben von Evenepoel, Geoghegan Hart, Vlasov, Pozzovivo, Sivakov und Rigoberto Uran (EF Education – EasyPost) gab es in den Top Ten Platz für andere Namen. Sensationell gelandet ist dort niemand, aber die Leistung von Eddie Dunbar (Jayco – AlUla), der erst auf den letzten beiden Teilstücken seinen vierten Rang einbüßte und letztendlich Siebter wurde, beeindruckte doch sehr. Zu Dunbars Erfolgsstory gehörte übrigens auch sein Edelfelfer Filippo Zana. Der Italienische Meister war viel in Fluchtgruppen, arbeitete anschließend noch als perfekte Relais-Station wie am Monte Bondone für Dunbar und belohnte sich schließlich mit dem Etappensieg im Val di Zoldo.

Die Kletter-Entdeckung des Giro: Eddie Dunbar (links). Und mit seinem Edelhelfer Filippo Zana steht bei Jayco - AlUla auch der nächste große italienische Star wohl in den Startlöchern. | Foto: Cor Vos

Auch Andreas Leknessund (DSM) überraschte viele – unter anderem sich selbst. Als Ausreißer schlüpfte er ins Rosa Trikot. Doch während er in der ersten Woche noch viel Zeit verloren hatte, konnte er seinen Verlust danach beschränken und während viele darauf warteten, dass er durchgereicht würde, blieb er immer bei der Musik. Mit seinem achten Gesamtrang machte der Norweger, der schon lange als Toptalent gilt, viele Erwartungen für die Zukunft schon jetzt war.

Mehr Informationen zu diesem Thema

27.05.2024Pogacar nach Giro-Triumph entspannt zur Tour

(rsn) – Die 107. Austragung des Giro d´Italia stand ganz im Zeichen von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). Der Slowene drückte der Rundfahrt vom Start weg seinen Stempel auf, gewann fast ein Drit

23.11.2023Buitrago will erstmals zur Tour und um das Weiße Trikot kämpfen

(rsn) – Nach zwei Giro-Etappensiegen in den beiden vergangenen Jahren hofft Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) in der kommenden Saison auf sein Tour-de-France-Debüt. Dann möchte der Kolumbiane

31.07.2023Baudin nach Tramadol-Missbrauch vom Giro disqualifiziert

Neo-Profi Alex Baudin (AG2R - Citroen) ist nachträglich vom Giro d´Italia 2023 ausgeschlossen worden. Das teilte die UCI am Montag mit. Grund dafür ist der Fund des Schmerzmittels Tramadol in den B

04.06.2023ASO plant Corona-Protokoll für die 110. Tour de France

(rsn) – Nachdem beim diesjährigen Giro d’Italia zahlreiche Fahrer wegen Corona-Infektionen ausschieden, werden die Organisatoren der Tour de France laut der französischen Nachrichtenagentur AFP

01.06.2023“Fanboy“ Heßmann zitterte mit Roglic am Monte Lussari

(rsn) – Viel besser hätte das Grand-Tour-Debüt für Michel Heßmann (Jumbo – Visma) nicht laufen können. Während der Deutsche mit einigen Teamkollegen auf dem Monte Lussari wartete, sicherte s

31.05.2023Thomas enttäuscht, “dass ich es nicht vollenden konnte“

(rsn) – Um ganze 14 Sekunden musste sich Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) beim 106. Giro d´Italia Primoz Roglic (Jumbo – Visma) geschlagen geben. Der 33-jährige Slowene nahm dem Briten am vorle

31.05.2023Startet Giro-Sieger Roglic auch bei der Tour de Suisse?

(rsn) – Giro-Sieger Primoz Roglic wurde am Dienstag in Amsterdam von seinem Team Jumbo – Visma mit einer großen Feier geehrt. Die Veranstaltung nutzte der niederländische Fernsehsender NOS, um d

30.05.2023Pinot will nach dem Giro auch die Abschieds-Tour

(rsn) – Nach seiner erfolgreichen Abschiedsvorstellung beim Giro d’Italia, den er auf Rang fünf beendete, will Thibaut Pinot (Groupama – FDJ) nun auch ein letztes Mal bei der Tour de France sta

29.05.2023Kriegers Giro-Leiden wurden mit Rang fünf in Rom belohnt

(rsn) - Alexander Krieger (Alpecin - Deceuninck) beendete den mit vielen Tiefschlägen verbundene 106. Giro d`Italia mit einem sportlichen Ausrufezeichen. Der Stuttgarter belegte auf der Schlussetappe

29.05.2023Ackermanns Traum vom Sieg beim Giro-Finale endete in der Bande

(rsn) - Vor drei Jahren gewann Pascal Ackermann (UAE Team Emirates) in Madrid die Schlussetappe der Vuelta a Espana. Das Kunststück wollte der Pfälzer auch beim 106. Giro d’Italia beim Finale in R

28.05.2023Thomas lotst Cavendish in Rom zum letzten Etappensieg

(rsn) – Sieben Sprints hatte der 106. Giro d’Italia und jedes Mal gab es einen anderen Sieger. Beim letzten Akt spurtete Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) in Rom nach 126 Kilometern mit großem Vo

28.05.2023Cavendish: “Meine Jungs und ... meine Freunde waren super“

(rsn) - Der Weg zur Siegerehrung in Rom wurde für Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) zum Gratulations-Parcours! Fast jeder Fahrer, dem er begegnete, beglückwünschte den Manx Man zum Gewinn der 21. E

Weitere Radsportnachrichten

09.10.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

09.10.2024Selig beendet nach der Tour of Guangxi seine Karriere

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

09.10.2024Wiebes holt sich gegen Balsamo ihren 20. Saisonsieg

(rsn) – Nachdem sie im Zeitfahren zum Auftakt der 26. Simac Ladies Tour (8. – 13. Okt / 2.WWT) noch fast mit einem ihr entgegenkommenden Radler zusammengestoßen wäre, hielt sich Lorena Wiebes (

09.10.2024Im Überblick: Die Transfers der Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

09.10.2024Saison beendet: Roglic verzichtet auf Il Lombardia

(rsn) – Während Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) am 12. Oktober bei Il Lombardia (1.UWT) ein letztes Mal in dieser Saison aufeinander treffen, wird Prim

09.10.2024Reichen Evenepoels Batterien noch für Il Lombardia?

(rsn) – Nicht nur Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) kann auf eine herausragende Saison zurückblicken. Auch Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) fuhr auf höchstem Niveau, was nicht nur bisher ne

09.10.2024Simac-Leaderin Bäckstedt ohne Teamkolleginnen

(rsn) - Schlechte Nachrichten gab es schon vor dem Start der 2. Etappe der Simac Ladies Tour für Auftaktsiegerin Zoe Bäckstedt. Die 20-jährige Britin hatte mit Alex Morrice nur noch eine Teamkolleg

09.10.2024Pogacar: “Die Form ist immer noch sehr gut“

(rsn) – Tadej Pogacar (UEA Team Emirates) hat beim italienischen Herbstklassiker Il Lombardia (1.UWT) eine makellose Bilanz vorzuweisen. Bei bisher drei Teilnahmen gelangen dem Slowenen drei Siege i

09.10.2024Die Aufgebote für das 118. Il Lombardia

(rsn) – In Italien steht am Wochenende das letzte der fünf Radsport-Monumente auf dem Programm. Bei der 118. Ausgabe von Il Lombardia (1.UWT), die zudem die Serie der dortigen Herbstklassiker absch

08.10.2024Geisterfahrer! Wiebes kommt mit dem Schrecken davon

(rsn) – Top-Sprinterin Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) belegte im Zeitfahren zum Auftakt der 26. Simac Ladies Tour (8. – 13. Okt / 2.WWT) mit 44 Sekunden Rückstand auf Etappensiegerin Zoe BÃ

08.10.2024Zoe Bäckstadt gelingt gegen Top-Konkurrenz der erste Profisieg

(rsn - Zoe Bäckstedt (Canyon – SRAM) hat in den Niederlanden zum Auftakt der 26. Simac Ladies Tour (8. – 13. Okt / 2.WWT) ihren ersten Sieg bei den Profis gefeiert und dabei die Top-Favoritinnen

08.10.2024Tre Valli Varesine wegen extremer Regenfälle abgebrochen

(rsn) – Aufgrund extremer Regenfälle ist die 103. Ausgabe von Tre Valli Varesine 109 Kilometer vor dem Ziel abgebrochen worden. Wegen des Dauerregens im Norden Italiens war zuvor bereits das Rennen

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine