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06.02.2022 | (rsn) - Warum setzt nun auch Saudi-Arabien auf den Radsport? Zum zweiten Mal wurde die Saudi Tour ausgetragen. Auch andere hochkarätige Sport-Events sollen in den nächsten Jahren in dem Wüstenstaat ausgetragen werden. Unser Reporter Tom Mustroph beleuchtet die Hintergründe, Teil 1:
Der Radsport ist ein zartes Pflänzchen im saudi-arabischen Al Ula. Ein paar Kilometer Fahrradweg sind immerhin schon an den Rand des Wüstenhighways mit Farbe markiert. Und der eine oder andere migrantische Arbeiter aus Bangladesch oder Pakistan benutzte ihn sogar mit seinem Zweirad.
Bei der Saudi Tour, die vom Tour de France-Veranstalter ASO organisiert wurde und die von Dienstag bis Samstag rings um die Oasenstadt Al Ula im Westen des Landes stattfand, kam immerhin sogar zwei Mal so etwas wie Radsportbegeisterung auf. Einmal stürmten von Kopf bis Fuß in schwarzes Textil gekleidete Frauen an die Rennstrecke, dass die Schleier sich wild im Wind bauschten. ___STEADY_PAYWALL___ Auslöser ihrer Freude waren allerdings nicht die dürren Männer aus fremden Ländern, die in viel weniger Textil, und das auch noch bunt, ihren tretenden Beruf hier ausübten. Nein, magnetisch angezogen waren die Damen von einem Kinderrennen. An dem nahmen schließlich ihre Sprösslinge teil.
Das Kinderrennen wurde von einem Angestellten der Fahrradmarke Trek aus der Hauptstadt Riad organisiert. "Alle zwei Tage veranstalten wir ein Kinderrennen. Als Bonus gibt es ein Rad von Trek“, erzählte Hussein Mohammed, eben dieser Trek-Angestellte gegenüber radsport-news.com. Das Feld der 9- bis 13-Jährigen war gemischt. Jungen wie Mädchen saßen auf den Rädern, die Mädchen mit Helm, und ohne jegliche Gesichtsverhüllung.
Die Saudi Tour wurde an fünf Tagen rund um die Oasenstadt Al Ula im Westen des Landes ausgetragen. | Foto: Cor Vos
Das war ein kleines Zeichen dafür, wie der Radsport ein Land verändern kann. In der traditionell stark nach Geschlechtern getrennten Gesellschaft performten Jungs und Mädchen zusammen. Als Tool der Veränderung will auch die Royal Commission of Al Ula den Radsport benutzen. Die Königliche Kommission ist Mitveranstalter der Saudi Tour. "Bei der Saudi Tour geht es uns darum, den Radsport in Saudi-Arabien bekannter zu machen und Jungs und Mädchen zu ermutigen, Rad zu fahren und die Möglichkeiten dieses tollen Sports zu nutzen. Andererseits ist es aber auch unser Weg, Al Ula den internationalen Radsportfans vorzustellen. Sie sollen sehen, was es für eine tolle Gegend ist. Hoffentlich machen sie ein paar Touren in Al Ula“, sagte Philip Jones Radsport-News.
Der Texaner arbeitet seit drei Jahren für die Royal Commission. Die gigantische Summe von 32 Milliarden Euro hat sie zur Verfügung, um binnen zehn Jahren eine Tourismusinfrastruktur hier aufzubauen. Highlight ist die antike Gräberstadt Hegra. Sie ist mittlerweile Weltkulturerbe der UNESCO, und sie ist es zu Recht. Vor etwa 2.000 Jahren hämmerte die Kultur der Nabatäer hier mit Säulen und Portalen verzierte Grabkammern in die Felsen. Die Anlage erinnert an Petra in Jordanien. Das war die Hauptstadt der Nabatäer. Saudi-Arabien will nun das eigene, über viele Jahrhunderte komplett vergessene Kulturgut zum Touristenmagneten machen.
Deshalb fuhren auch die 96 Profis der Saudi Tour durch die Grabanlage. Sie bewältigten da eine Schotterstrecke. Die brachte allerdings nicht die von manchen erwartete, von manchen befürchtete Selektion. Das Feld war 13 km nach dem Gravel fast komplett wieder beieinander. Caleb Ewan gewann vor Bora - hansgrohes aufstrebendem Sprinter Martin Laas und Fernando Gaviria den Sprint um den Etappensieg. Gavirias Anfahrer Felix Groß kam auf einen beachtlichen 6. Rang im ersten Profirennen der Saison.
Sagengafte 32 Milliarden Euro investieren die Saudis in verschiedene Projekte, um das Land zu verändern. | Foto: Cor Vos
Viel Zeit hatten die Fahrer dabei nicht, das Weltkulturerbe eingehend zu betrachten. Die Rundfahrt stößt aber auf durchaus positives Echo. "Ich mag diese Rundfahrt, ich mag die Gegend“, erzählte DSM-Profi Niklas Märkl Radsport-News. "Es ist sicher ein interessantes Fleckchen, gerade mit dem Weltkulturerbe. Für den Urlaub kann man es mal machen“, meinte Roger Kluge von Lotto Soudal zu radsport-news.com. Er fand auch die Eröffnungszeremonie am Elefantenfelsen interessant.
Lasershow und Feuerwerk gab es da mitten in der Wüste an einem Felsen, der tatsächlich wie ein Elefant geformt war. Eine junge Gruppe war extra aus der Hauptstadt Riad eingeflogen worden. "Es ist schade, dass jetzt die Pandemie ist. Sonst wären nicht nur wir Vips hier, sondern viele andere junge Leute“, erzählte Faisal Al Maayouf im Gespräch mit radsport-news.com. Der Mitt-Zwanziger stellte sich als Motorsport-Influencer vor. "Hier beim Radsport bin ich, um auch diesen Sport bekannter zu machen. Ich liebe die Projekte unseres Landes und ich möchte sie so gut wie möglich unterstützen“, sagte er noch. Ein Influencer mit Nationalstolz also, der sich über die großen Events freut, die ins Land kommen.
Maxim van Gils (Lotto Soudal) gewann die 2. Saudi Tour vor Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) und Rui Costa (UAE Emirates). | Foto: Cor Vos
Kurz zuvor ging schließlich die Rallye Paris – Dakar in der saudischen Wüste zu Ende. "Im nächsten Monat kommt die Formel 1 hinzu. Es gab gerade in Riad die Formula E. All diese Events werden für die nächsten zehn Jahre in Saudi-Arabien stattfinden“, erzählt stolz Hussam Al Khalifa vom saudischen Sportministerium radsport-news.com. Das Sportministerium ist ebenfalls Co-Ausrichter der Saudi Tour. "Das Rennen ist Teil der Vision 2030, mit der wir die Wirtschaft unseres Landes diversifizieren wollen. Im Sport wollen wir zeigen, dass wir große Events ausrichten können“, sagt Al Khalifa.
Die Liste der Investitionen ist beachtlich. Auf mehr als 1,5 Milliarden Dollar schätzte im letzten Jahr die unabhängige Organisation Grant Liberty die bisherigen finanziellen Anstrengungen Saudi Arabiens bei der Ausrichtung internationaler Sportevents ein. Neben den bisher genannten Veranstaltungen gehören auch Tennis- und Schachevents, der spanische und der italienische Supercup im Fußball sowie jüngst die Übernahme des Premiere League Klubs Newcastle United zum Portfolio. Die Saudi Tour, die 2020 das erste Mal stattfand, war in der Aufstellung übrigens noch gar nicht enthalten.
Die Events sollen natürlich für schöne Bilder sorgen. "Mit den Menschen etwa, die den Rallye Paris Dakar-Champions in der Wüste halfen“, begeistert sich etwa Ministeriumsvertreter Al Khalifa. Oder auch die Radprofis, wie sie an den Grabtempelanlagen Hegras vorbeifahren. Saudi-Arabien zieht jetzt nach, was andere arabische Länder schon längst gemacht haben. Katar begann 2002 mit der Katarrundfahrt. Der Oman richtet seit 2010 die Tour of Oman aus, beides geschah in Zusammenarbeit mit der ASO. Die Vereinigten Arabischen Emirate holten sich 2014 Giro-Ausrichter RCS ins Boot. Die UAE-Rundfahrt, die in Kürze startet, gilt mittlerweile als wichtigstes Rennen in der Region. Seit 2017 unterhalten die Emirate und Bahrain sogar jeweils einzelne Teams in der WorldTour.
Roger Kluge (Lotto Soudal) sieht noch Entwicklungspotenzial bei der Saudi Tour. | Foto: Cor Vos
Radprofi Kluge, der viele der Wüstenrennen schon mitgemacht hat, sieht im saudischen Vorhaben durchaus Potential. "Die sind jetzt am Anfang. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Tour noch wachsen, vielleicht auch aufsteigen wird von der Kategorie her. Das Land ist riesig. Ich kann mir schon vorstellen, dass es in ein paar Jahren ein paar Etappen mehr geben wird, ähnlich wie in Dubai, und sie noch ein wenig weiter durchs Land fahren“, prognostiziert er.
Auch in Sachen Teamsponsoring kommt Saudi-Arabien gerade aus den Startlöchern. „Wir sind Schultersponsor bei BikeExchange“, erzählt Royal Commission-Manager Jones. "Wir sind jetzt im zweiten Jahr eines dreijährigen Vertrages, und ich kann mir schon vorstellen, dass wir in Zukunft statt eines Schultersponsors der Namenssponsor eines Teams sein können“, sagt er. Der zweite Moment von Fanbegeisterung bei der Saudi Tour war dann auch just der Moment, als Dylan Groenewegen mit dem Al Ula-Logo auf der Schulter, den Sieg der dritten Etappe holte. Bei diesem "Heimsieg“ jubelten die Sponsoren und auch fünf bis acht der einheimischen Fans. Tourismusmanager Jones legt übrigens Wert auf die Feststellung, dass die Royal Commission gegenwärtig einen Rennstall co-sponsert, und später vielleicht sogar als Namenssponsor unterstützt, der ein Männer- und ein Frauenteam unterhält.
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