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04.07.2021 | (rsn) – An einem erneut völlig verregneten Tag sicherte sich Ben O’Connor (AG2R – Citroën) als Solist die 9. Etappe der Tour de France über 145 Kilometer von Cluses nach Tignes. Erst 5:07 Minuten hinter dem Australier überquerte der Italiener Mattia Cattaneo (Deceuninck – Quick-Step als Zweiter die Ziellinie der zweiten Alpenetappe, die über insgesamt 4.600 Höhenmeter führte. Dritter wurde dessen Landsmann Sonny Colbrelli (Bahrain Victorious / +5:34) vor dem Franzosen Guillaume Martin (Cofidis / +5:36).
Tadej Pogacar (UAE – Emirate) setzte sich rund vier Kilometer vor dem Ziel von den anderen Favoriten ab und baute als Tagessechster seine Führung im Gesamtklassement aus. Dagegen büßte der bisherige Gesamtzweite Wout Van Aert (Jumbo – Visma) 31 Minuten ein und fiel im Klassement weit zurück. Mit dem bisher größten Erfolg seiner Karriere rückte O’Connor auf den zweiten Platz vor und ist mit 2:01 Minuten Rückstand auf Pogacar dessen nächster Verfolger.
“Es war eine verrückte Etappe, die Bedingungen waren scheußlich“, sagte der 25-jährige O’Connor im Ziel. “Ich sollte eigentlich gar nicht angreifen. Aber es gab eine große Gruppe, ich fuhr nach vorn und wusste gar nicht so genau, was ich machen sollte. Dann wurde der Abstand immer größer und ich wusste, dass ich an einem so langen und harten Tag letztendlich immer gewinnen kann.“ Dass der Tag außergewöhnlich hart war, war schon zur Mitte des Rennens deutlich geworden. Die Profis tauschten Trikots und Handschuhe gegen trockene Exemplare, entkräftete und durchgefrorene Fahrer verloren plötzlich den Anschluss an ihre Gruppen.
O'Connor mit 17-km-Bergauf-Solo zum Triumph
Am Ende trotzte O‘ Connor den extremen Umständen am erfolgreichsten. “Das war immer mein Traum. Schon hier dabei zu sein war schon ein Traum. Ich danke allen, die immer an mich geglaubt haben. Es war ein wilder Ritt, um bis hierhin zu gelangen. Ich habe jeden einzelnen Moment genossen. Es war etwas ganz Besonderes“, so der Neuzugang von AG2R, der früh im 21 Kilometer langen Schlussanstieg mit dem entkräfteten Sergio Higuita (EF Education – Nippo) auch den letzten seiner Konkurrenten abgeschüttelt hatte. Kurz zuvor war bereits Nairo Quintana (Arkea – Samsic) das gleiche Schicksal widerfahren. Das Trio hatte sich zuvor aus einer früh entstandenen 42-köpfigen Spitzengruppe gelöst und gemeinsam den Anstieg nach Tignes erreicht.
Hinter der großen Spitzengruppe hatte der Mann im Gelben Trikot erneut alles im Griff. Pogacar ließ seine Mannschaft den ganzen Tag das Feld kontrollieren und griff schließlich selber an. Niemand konnte ihm dabei folgen und so erreichte er das Ziel als Sechster mit 6:03 Minuten hinter dem Tagessieger – aber 32 Sekunden vor seinen gefährlichsten Kontrahenten. Rigoberto Uran (EF Education – Nippo) ist als Dritter 5:18 Minuten hinter dem Slowenen nun der aussichtsreichste Fahrer aus diesem Kreis.
Dennoch litt auch der 22-Jährige Pogacar bei Nässe und Kälte. "Das Wetter war wirklich schrecklich. Gestern war es schon schlecht, aber heute war es noch viel schlimmer – superkalt und den ganzen Tag hat es geregnet. Ich bin nur froh, dass es vorbei ist und morgen der Ruhetag kommt", so der Titelverteidiger.
Kelderman behauptet Platz sieben
Wilco Kelderman hielt sich lange gut und verlor auf den letzten Metern nur 13 Sekunden auf seine Widersacher. Der Kapitän von Bora – hansgrohe behauptete so seinen siebten Rang in der Gesamtwertung. Bester Deutscher war auf Rang 26 Jonas Rutsch (EF Education – Nippo), der sich lange in der Favoritengruppe halten konnte. Der Österreicher Patrick Konrad (Bora – hansgrohe) gehörte zu den Ausreißern und erreichte das Ziel als Sechzehnter.
Ebenfalls in der Spitzengruppe mit dabei war zunächst Simon Geschke (Cofidis), der aber dann zunächst ins Feld und dann noch weiter zurückfiel. “Bei mir ist immer der Ofen schnell aus, wenn mir kalt wird. In der langen Abfahrt habe ich fast gar nichts gesehen, weil ich so gezittert habe. Es war ein Kampf ums Überleben. Schön war das nicht heute“, sagte der Deutsche gegenüber radsport-news.com.
Colbrelli und Michael Matthews (BikeExchange) rückten durch die Plätze 1 und 2 beim Zwischensprint in der Punktewertung näher an den führenden Mark Cavendish (Deceuninck – Quick-Step) heran. Colbrelli sammelte als Tagesdritter im Ziel weitere 15 Zähler. Der Brite, der früh den Anschluss an das Feld verlor, aber im Zeitlimit blieb, liegt jetzt noch 38 Punkte vor Matthews. Colbrelli ist mit 47 Punkten Rückstand Dritter dieser Wertung. Pogacar verteidigte neben dem Gelben auch das Weiße Trikot. Quintana übernahm nach erbittertem Kampf das Bergtrikot.
So lief das Rennen:
Erneut war die Startphase von hohem Tempo und diversen vergeblichen Ausreißversuchen geprägt. Aus solch einer kurzlebigen Gruppen heraus gewann Pierre – Roger Latour (TotalEnergies) im Dauerregen fünf Bergpunkte an der Côte de Domancy (3.Kat), Michael Woods (Israel Start-Up Nation) sicherte sich hier einen Punkt und schloss damit zu Wout Poels (Bahrain Victorious) auf. In dieser Phase setzten sich 42 Fahrer aus dem Feld ab, darunter auch Nairo Quintana (Arkea – Samsic), Simon Geschke (Cofidis), Nils Politt, Patrick Konrad (beide Bora – hansgrohe) und Poels. Martin und Ben O’ Connor waren mit jeweils rund acht Minuten Rückstand die in der Gesamtwertung bestplatzierten Fahrer dieser Gruppe.
Den Zwischensprint nach 33 Kilometern sicherte sich wie schon auf der 8. Ertappe der auch heute wieder sehr aktive Colbrelli vor Matthews. Im Col de Saisies (1.Kat.) fiel die erste Gruppe nach einer Attacke von Poels auseinander. Aus der ersten Verfolgergruppe heraus attackierte Quintana auf dem letzten Kilometer und schloss fast noch an der Bergwertung zu Poels auf. Im Sprintduell blieb der Niederländer aber mit einer Reifenbreite vorn.
In der Abfahrt bildete sich eine neue Spitzengruppe mit Poels, Quintana, O’Connor Woods, Lucas Hamilton (BikeExchange) und Higuita. Poels hatte sich aber bei seinen vorherigen Attacken offensichtlich übernommen, er musste seine Konkurrenten schon vor Beginn des Col de Pré (HC) ziehen lassen, um dann nach einigen Kilometern nochmals kurzzeitig den Anschluss zu schaffen.
Nach einer weiteren Tempoverschärfung durch Woods war es um den Träger des Bergtrikots dann aber endgültig geschehen. Drei Kilometer vor der Bergwertung konnte auch Hamilton dem Tempo der Spitzengruppe nicht mehr folgen. Quintana attackierte seine Begleiter knapp zwei Kilometer vor dem Gipfel und sicherte sich so die maximale Ausbeute von 20 Punkten. Dadurch übernahm er hier die virtuelle Führung im Bergklassement vor Woods, der dort Dritter wurde.
O'Connor verliert den Anschluss und kämpft sich wieder heran
Der Kanadier hatte dabei aber alle seine Körner verschossen. Quintana, Higuita und O‘ Connor bildeten so das neue Spitzentrio und überquerten in dieser Reihenfolge 50 Kilometer vor dem Ziel den Cormet de Roselend (2.Kat.). In der Abfahrt konnte O‘Connor den beiden Kolumbianern nicht folgen, kam aber im Flachstück wieder heran. 22 Kilometer vor dem Ziel verlor dafür dann Quintana zu Beginn des Schlussanstiegs nach Tignes den Anschluss an seine Weggefährten.
17,2 Kilometer vor dem Ziel attackierte O’Connor dann Higuita, ließ seinen letzten Konkurrenten mühelos hinter sich und jagte als Solist dem Ziel entgegen. Hinter ihm zog Cattaneo mit einem starken Finish an den beiden Kolumbianern vorbei und kam gut fünf Minuten hinter O’Connor als Zweiter ins Ziel. Der Australier kämpfte bis zum Ziel und siegte mit mehr als fünf Minuten Vorsprung vor Cattaneo, der sich noch an den Kolumbianern vorbeigekämpft hatte, sowie dessen Landsmann Colbrelli, der eine für einen Sprinter herausragende Vorstellung mit Rang drei krönte
In der auf rund 20 Fahrer geschrumpften Favoritengruppe, in der sich lange auch noch die beiden Deutschen Rutsch und Nils Politt (Bora - hansgrohe) als Helfer ihrer Kapitäne Uran und Kelderman halten konnten, übernahm im Schlussanstieg Ineos Grenadiers das Kommando und konnte Pogacar tatsächlich mit hohem Tempo von seinen Helfern isolieren. Rund vier Kilometer vor dem Ziel attackierte dann Carapaz, doch der Träger des Gelben Trikots konnte problemlos folgen, um seinerseits den Konter zu setzen, dem niemand etwas gegenzusetzen hatte.
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