Kein Internet und viel Regen als goldene Vorbereitung

Ganna: Angetrieben von “Il tedesco“ ins Regenbogentrikot

Von Peter Maurer aus Imola

Foto zu dem Text "Ganna: Angetrieben von “Il tedesco“ ins Regenbogentrikot"
Filippo Ganna (links) ist der erste Zeitfahr-Weltmeister aus Italien. | Foto: Cor Vos

25.09.2020  |  (rsn) - In den letzten Jahren war er der Mann der 16 Runden im Velodrom. Viermal wurde er seit 2016 Weltmeister über die 4.000 Meter Einerverfolgung auf der Bahn. Zuletzt stellte er in Berlin im Februar einen Fabelweltrekord auf. Gut möglich, dass er bald als erster Fahrer die 4-Minuten-Barriere knackt - eine Marke, die vor nicht allzu langer Zeit noch für ganze Vierermannschaften schwer zu erreichen war. 

In Imola krönte sich Ganna nun erstmals zum Zeitfahrweltmeister auf der Straße und bewies, dass er auch über 32 Kilometer überragend ist.  

"Ich bin sicher nicht der einzige, den sie zurzeit als besonders bezeichnen. Am Podium neben mir stand Wout Van Aert und aus meiner Sicht ist er auch ein besonderer Fahrer. Solche Gegner zu haben, motiviert mich", grinste der 24-Jährige. Erstmals sorgte 'Pippo', so sein Spitzname, für eine Goldmedaille für Italien im Einzelzeitfahren der Elitemänner seit der Einführung der Spezialdisziplin 1994.

"Auf dem Podium zu stehen und die Italienische Hymne zu hören, war etwas Besonderes für mich. Und auch, dass ich Italiens Erster bin. Überhaupt haben nur wenige Italiener Medaillen in dieser Disziplin geholt", wusste der neue Träger des Regenbogentrikots mit den historischen Fakten seines Erfolges umzugehen. Er selbst durfte sich schon zu diesem kleinen Kreis zählen, nachdem er vor einem Jahr in Yorkshire Bronze gewann. Davor war es Adriano Malori 2015 als Zweiter, der eine Silbermedaille für Italien gewann und 1994 bei der Einführung der Disziplin wurde Andrea Chiurato Vizeweltmeister hinter Chris Boardman.

Zuletzt fuhr er, im Gegensatz zu den anderen beiden Medaillengewinnern, nicht die Tour de France, sondern stand im Aufgebot seines Teams Ineos Grenadiers bei Tirreno-Adriatico. Dort gewann er überlegen mit neuem Streckenrekord das seit sechs Jahren unveränderte Schlusszeitfahren und galt spätestens mit diesem Sieg als Mitfavorit auf die Goldmedaille in Imola. Zur Vorbereitung dafür ging er in das Höhentrainingslager und versuchte sich als Eremit.

"Dort oben gab es kein Internet und damit keine Ablenkung. Das Netz reichte nicht aus, um die Zeit auf Social Media zu verschwenden, gerade einmal ein paar Mails kamen an", erzählte der Italiener von seiner sehr zurückgezogenen Vorbereitung. Der Fokus dort lag rein auf der WM. "Es war eine intensive Woche, vor allem wegen des Wetters, denn es hat fast durchgehend geregnet", schilderte Ganna. Doch das schlechte Wetter war kein Problem für seine Ambitionen.

Nach Trainingslager Anruf bei Nationaltrainer Cassani

"Ich habe jeden Tag das Training durchgezogen, und das verdanke ich meinem Vater. Er ist so überhaupt nicht italienisch und als er Athlet war, haben sie ihn immer als Il Tedesco, den Deutschen, bezeichnet. Er war immer fokussiert, hat hart gearbeitet an sich und auch bei schlechtem Wetter war er immer trainieren", berichtete der neue Weltmeister. Sein Vater Marco war selbst Olympiateilnehmer, saß 1984 im Viererkajak bei den Spielen von Los Angeles.

"Als ich vom Trainingslager zurückkam habe ich Cassani angerufen und ihm mitgeteilt, dass ich gewinnen will. Das Nationalteam hat dann alles gemacht, um mich zu unterstützen", erzählte der 24-Jährige weiter. Selbst das windige Wetter auf dem 31,7 Kilometer langen Rundkurs um die Motorsportstrecke von Imola konnte Ganna nicht beeindrucken: "Ich versuchte mich so gut wie möglich anzupassen und das Pedal so fest es ging zu kurbeln. Wir hatten einen guten Vorsprung bei der Wende und als wir in das Autodrom einfuhren fühlte ich mich wie ein Rennwagen."

Schon bei den Weltmeisterschaften in Berlin im Februar schien der junge Italiener in neue Sphären auf der Bahn vorzustoßen. Nicht wenige attestieren ihm auch auf der Straße eine große Zukunft, oder etwa beim Versuch dem Belgier Victor Campenaerts, der in Imola Achter wurde, den Stundenweltrekord abzuknöpfen. Das nächste große Ziel beginnt für Ganna in schon einer Woche. Denn der 24-Jährige steht im Giro-Aufgebot seiner britischen Mannschaft, die dort mit Geraint Thomas, der im Zeitfahren der WM starker Vierter wurde, um den Gesamtsieg zu kämpfen.

Maglia Rosa im Fokus

Am Samstag der nächsten Woche wartet dort der Auftakt auf Sizilien - mit einem 15,1 Kilometer langen Zeitfahren, wo er erstmals sein Regenbogentrikot präsentieren kann. Dieses will er, wenn möglich, aber schon auf dem Podium wieder eintauschen. Denn mit der aktuellen Form kann Ganna beim Giro-Auftakt in das Maglia Rosa, das Trikot des Spitzenreiters, schlüpfen: "Es gibt nicht viel Zeit zum Feiern jetzt. Denn wir haben beim Giro einiges vor"; kündigte er an.

Für seine eigenen Ambitionen hat Ganna nur das Auftaktzeitfahren dort. "Dort kann ich um Rosa kämpfen, danach gilt meine Unterstützung Geraint für die Gesamtwertung. Deshalb erwarte ich 21 harte Etappen", blickte der Piemontese voraus.

Mehr Informationen zu diesem Thema

27.12.2020Alaphilippe will die Zeit im Regenbogentrikot genießen

(rsn) - Zwei Monate nach seinem WM-Sieg von Imola präsentierte Julian Alaphilippe das Regenbogentrikot, in dem er die Saison 2021 bestreiten wird - die achte in Diensten des belgischen Teams Deceunin

23.12.2020Schweizer Bundesregierung will Geld für abgesagte WM zurück

(rsn) - Fast elf Millionen Euro Steuergeld haben die Schweizer Bundesregierung, die Kantone Waadt und Wallis sowie die Gemeinden für die Austragung der Straßen-WM 2020 zur Verfügung gestellt. Ein G

28.09.2020Titelverteidiger Alaphilippe verzichtet auf den Flèche Wallonne

(rsn) - Nach seinem WM-Triumph von Imola deutete Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) bereits am Sonntagabend gegenüber dem französischen Radiosender RMC an, dass er auf seinen Start beim F

28.09.2020Albasini brachte beim WM-Abschied Hirschi gut durchs Rennen

(rsn) – Michael Albasinis Karriere wäre schon beendet gewesen. Nach den Ardennenklassikern und der Tour de Suisse wollte der 39-Jährige seine Radschuhe an den Nagel hängen. Doch die Folgen der de

28.09.2020Highlight-Video des WM-Straßenrennens der Männer

(rsn) - Julian Alaphilippe ist neuer Straßenweltmeister. Der 28 Jahrealte Franzose setzte sich nach schweren 258 Kilometern mit Start und Ziel in Imola als Solist durch, nachdem er sich am letzten A

28.09.2020Pogacar ging in Imola für Roglic in die Offensive

(rsn) - Bei der Tour de France waren Tadej Pogacar und Primoz Roglic die großen Dominatoren. Deshalb wurden die beiden Slowenen auch als Mitfavoriten für den hügeligen WM-Kurs von Imola genannt. D

27.09.2020Van Aert schmerzt der zweite Platz von Imola

(rsn) – Nach der Corona-Zwangspause war Wout Van Aert der bestimmende Fahrer der Saison. Bei Strade Bianche und Mailand-Sanremo erzielte er gleich im August zwei prestigeträchtige Erfolge. Trotz e

27.09.2020Alaphilippe: “Dieser Sieg war das größte Ziel meiner Karriere“

(rsn) - Auf einem der schwersten Straßenkurse bei Weltmeisterschaften seit langem setzte sich einer der besten Fahrer der letzten drei Saisons durch. 23 Jahre nach Laurent Brochard gewann Julian Alap

27.09.2020Hirschi: “Der Bauch sagte Bronze“

(rsn) - Nach schweren 258 Kilometern auf dem Rundkurs von Imola entschieden einige Zentimeter im Kampf um die Bronzemedaille. Die sicherte sich der Schweizer Marc Hirschi auf dem Autodromo Enzo e Dino

27.09.2020Schachmann fehlten nur wenige Meter zur Medaillenchance

(rsn) – Mit Rang neun in Imola sorgte Maximilian Schachmann für das beste Ergebnis eines deutschen Fahrers in einem WM-Straßenrennen seit 2014, als John Degenkolb in Ponferrada ebenfalls Neunter g

27.09.2020Alaphilippe beschert sich in Imola einen Traumtag

(rsn) - In den vergangenen Jahren gehörte Julian Alaphilippe immer wieder zu den Favoriten in WM-Straßenrennen. Als bestes Ergebnis sprang für den Franzosen bisher aber nur ein achter Platz bei den

27.09.2020Für Schönberger lief es nur bis zur vorletzten Runde nach Wunsch

(rsn) - Es war das erwartet schwere WM-Finale in der Emilia-Romagna. Im Straßenrennen der Männer über 258,2 Kilometer ging der Titel ging nach neun Runden an den Franzosen Julian Alaphilippe. Der T

Weitere Radsportnachrichten

22.02.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum RSN-Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über d

22.02.2025Fretin schlägt Meeus im Sprint und feiert zweiten Saisonsieg

(rsn) – Milan Fretin (Cofidis) hat die 4. Etappe der 51. Volta ao Algarve (2.Pro) für sich entschieden und damit seinen zweiten Saisonsieg nach der Clásica de Almería gefeiert. Der Belgier gewan

22.02.2025Vieles neu und doch alles beim Alten

Das Team um Lars Wackernagel hat einen schwierigen Winter hinter sich. Nachdem Ende letzten Jahres die Firma P&S Metalltechnik ihren Rückzug als Sponsor verkündete, stand das Team kurzzeitig ohne Ha

22.02.2025Scaroni feiert Sieg-Doppelpack in Frankreich

(rsn) – Christian Scaroni (XDS – Astana) hat die 1. Etappe der Tour des Alpes-Maritimes (2.1) gewonnen und damit den zweiten Sieg in zwei Tagen eingefahren. Die 162 Kilometer von Contes nach Gour

22.02.2025Gelangweilter Pogacar “bewundert die Stadt“

(rsn) – “Ein ruhiger Tag im Büro“ ist die Übersetzung einer im englischen Sprachraum gängigen Phrase, wenn es darum, bemüht zu versuchen, Langeweile ein wenig positiver zu umschreiben. Abges

22.02.2025Thomas ins Management von Ineos Grenadiers?

(rsn) – Vor wenigen Tagen hat Geraint Thomas sein Karriereende offiziell gemacht. Nach der laufenden Saison ist Schluss. 19 Jahre Profitum sind dann vorbei. In dieser Zeit hat sich der Waliser als Ã

22.02.2025Verfolger verzocken sich: Uriarte feiert in Andalusien ersten Profisieg

(rsn) – Viel Unlust und wenig Ordnung sorgten auf der 4. Etappe der Andalusien-Rundfahrt (2.Pro) für einen Ausreißersieg. Diego Uriarte (Kern – Pharma) war der große Profiteur. Der 23-Jährige

22.02.2025Merlier lässt eingebautem Milan keine Chance

(rsn) – Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) hat die 6. Etappe der UAE Tour (2. UWT) über 165 Kilometer vom Abu Dhabi Cycling Club nach Breakwater im Massensprint gewonnen. Der Belgier holte seinen

22.02.2025Groenewegen und Gaviria treten nicht mehr an

(rsn) - Dylan Groenewegen (Jayco - AlUla) tritt nicht mehr zum Start der 6. Etappe der UAE Tour (2. UWT) an. Der Niederländer, der am Vortag in einen der Stürze im Finale verwickelt war, muss darauf

21.02.2025Meeus feiert nach starkem Finale seinen ersten Saisonsieg

(rsn) – Jordi Meeus hat mit einem perfekten Auftritt im Sprintfinale die 3. Etappe der 51. Volta ao Algarve (2.Pro) für sich entschieden und seinem Team Red Bull – Bora – hansgrohe den sechsten

21.02.2025Bardet muss Algarve-Rundfahrt nach Sturz aufgeben

(rsn) – Romain Bardet (Picnic – PostNL) hat die Volta ao Algarve (2.Pro) auf der 3. Etappe vorzeitig verlassen müssen. Der französische Kletterer kam gut 23 Kilometer vor dem Ziel in Tavira zu F

21.02.2025Scaroni krönt starken Saisonstart und stiehlt Franzosen die Show

(rsn) – Christian Scaroni hat dem Team XDS – Astana den ersten Saisonsieg beschert und auch seinen furiosen eigenen Saisonauftakt endlich gekrönt. Der 27-jährige Italiener mit dem markanten Ober

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • UAE Tour (2.UWT, UAE)
  • Radrennen Männer

  • Tour du Rwanda (2.1, RWA)
  • Tour des Alpes-Maritimes (2.1, FRA)
  • Volta ao Algarve em Bicicleta (2.Pro, POR)
  • Vuelta a Andalucia Ruta (2.Pro, ESP)