Team-Präsentation der 105. Tour de France

Nibali streichelt den weißen Hai, Froome stürmt wortlos davon

Von David Geisbüsch aus La Roche sur Yon

Foto zu dem Text "Nibali streichelt den weißen Hai, Froome stürmt wortlos davon"
Bestens gelaunt bei der Team-Präsentation war Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida). | Foto: David Geisbüsch

06.07.2018  |  LA ROCHE SUR YON (rsn) - Die 105. Austragung der Tour de France hat noch nicht einmal begonnen, da hat der Brite Chris Froome (Team Sky) bereits für den ersten Eklat gesorgt. Wortlos hatte der Titelverteidiger die Bühne auf dem Place Napoléon im Stadtkern von La Roche sur Yon nach der Präsentation der 22 Teams verlassen und war mit gesenktem Blick an der Hundertschaft der Journalisten vorbei gestürmt.

Der eigentliche Spießroutenlauf stand ihm da aber noch bevor. Denn die 5000 Zuschauer im Herzen der Vendée hatten durchaus ein feines Gespür für die Lage, in der der Brite sich befindet. Schmährufe begleiteten den 33-Jährigen auf der abgesperrten Runde auf dem Rückweg zum Mannschaftsbus. Ein Zehnjähriger hatte Froome sogar ein Plakat mit der Aufschrift "Cheater Go Home“ direkt vors Gesicht gehalten. Andere ließen ihrem Ärger über den Start des erst am Montag vom Dopingverdacht frei gesprochenen viermaligen Tour-Siegers verbal freien Lauf – und das nicht immer jugendfrei.

Immerhin: Die sieben Teamkollegen des amtierenden Vuelta-, Giro- und Tour-Siegers stellten sich den unangenehmen und bohrenden Fragen der Weltpresse und zeigten auch im Anschluss Fan-Nähe. Ob das allerdings für einen Stimmungswechsel am Straßenrand sorgen wird, darf nach den gestrigen Eindrücken zumindest stark bezweifelt werden.

Der Blick des Polnischen Meisters Michal Kwiatkowski ging ins Leere. Eines wurde schnell deutlich: Es arbeitete in den Köpfen der Sky-Armada. Denn 21 der 22 Teams wurden mit tosendem Applaus in das dreiwöchige Rennen und den Höhepunkt des Jahres verabschiedet, das Pfeifkonzert der Westfranzosen gegen Sky aber machte deutlich, was auf Froome, Geraint Thomas und Co. in den kommenden Tagen und Wochen zukommen wird. "Das ist natürlich nicht schön, aber solange es bei verbalen Attacken bleibt, ist es zu ertragen“, meinte Thomas.

Ein Kontrastprogramm erlebten am Donnerstagabend natürlich die französischen Publikumslieblinge Romain Bardet (AG2R) und Warren Barguil (Fortuneo-Samsic). Letzterer, Bergkönig und zweifacher Etappensieger des Vorjahres, genoss die ihm entgegengebrachten Sympathien sichtlich, Bardet hingegen war sowohl bei den Journalisten als auch bei den Fans des jüngeren Jahrgangs der gefragteste Mann des Tages.

Endlich zurück bei der Tour de France ist auch Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida). Der "Hai aus Messina“ wurde auch gleich von einem jungen Fan mit einem überdimensional großen aufblasbaren Hai empfangen. Während Froome vor einer direkten Konfrontation mit der Masse flüchtete, als ob es bereits um die ersten Bonussekunden ginge, hielt der Tour-Sieger des Jahres 2014 umgehend an, streichelte den Hai und unterschrieb sogleich auf der Flosse. Sympathien und die Liebe der Fans können eben nicht erkauft werden, man muss sie sich erarbeiten…

Das weiß vor allem in der Vendée niemand besser als Thomas Voeckler. Der zweifache Familienvater schob den Kinderwagen entlang der Strecke und ließ sich geduldig fotografieren. Zuvor hatte Voeckler jedoch einmal die Seiten gewechselt, zückte sein Smartphone und ließ den eigenen Nachwuchs mit dem Weltmeister Peter Sagan (Bora-hansgrohe) posieren.

Bereits Stunden vor dem Beginn der Team-Präsentation waren Christian Prudhomme, der Direktor der Tour de France, und Bernard Thévenet (Tour-Sieger 1975, 1977) zusammen mit einer Schar von geladenen Gästen im Fan-Park unterwegs und inspizierten die Lage. Ein Kaffee beim Sponsor hier, ein kleiner Plausch nebenan am Stand der französischen Tageszeitung L’Equipe – Prudhomme war zufrieden mit dem, was sie in der Vendée auf die Beine gestellt hatten. Er weiß aber auch: Sportlich liegt reichlich Konfliktpotenzial in der Luft, und der gestrige Abend machte deutlich, dass die Stimmung gegen Sky und Froome jederzeit kippen und die Situation eskalieren kann. Es ist nun an Froome selbst, ein Zeichen zu setzen, die Wogen zu glätten und endlich Profil erkennen zu lassen.

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