Nizza-Sieger Soler weist Parallelen zu Indurain auf

Ist “Big Marc“ der neue “Big Mig“?

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Ist “Big Marc“ der neue “Big Mig“?"
Paris-Nizza-Sieger Marc Soler (Movistar) | Foto: Cor Vos

13.03.2018  |  (rsn) - Seit mehr als zwei Jahrzehnten sucht die Radsport-Nation Spanien einen Nachfolger für Miguel Indurain. Der einstige Patron und fünfmalige Tour-Sieger thront noch immer über all seinen iberischen Berufskollegen. Kann Paris-Nizza-Sieger Marc Soler neben ihn treten?

Spanien hat viele große Radsportler hervorgebracht, aber einer überstrahlt bis heute alle: Miguel Indurain. Selbst ein Ausnahmekönner wie der jüngst zurückgetretene Alberto Contador konnte dem stillen Star aus Navarra nicht ganz das Wasser reichen. Mehrere Rennfahrer – von Santiago Blanco über Abraham Olano bis hin zu Angel-Luis Casero – wurden als "der neue Indurain“ gepriesen, konnten den Vorschusslorbeer aber nicht rechtfertigen. Jetzt wächst einer heran, der verblüffende Parallelen zu "Big Mig“ aufweist: Marc Soler.

Der 24-Jährige fährt nicht nur für das Nachfolge-Team des Banesto-Rennstalls, das mit Indurain fünfmal in Folge die Tour de France gewann. Anders als Contador, der auch zwei reguläre und einen aberkannten Tour-Sieg auf dem Konto hat, ist Soler vom Fahrertyp ähnlich veranlagt wie die spanische Lichtgestalt: Indurain misst 1,88 Meter, Soler zwei Zentimeter weniger. Zwar ist der Movistar-Profi mit 68 Kilogramm Renngewicht deutlich leichter, doch wie der fünfmalige Tour-Sieger hat er Stärken im Kampf gegen die Uhr: Sein Paris-Nizza-Sieg fußte auf einem zweiten Platz im Einzelzeitfahren, bei der spanischen Zeitfahrmeisterschaft 2017 wurde Soler Vierter.

Vom Fahrstil ähnelt er dem früheren Champion ebenfalls eher als Contador – Soler fährt meist im Sitzen, bevorzugt einen gleichbleibenden Rhythmus und tritt einen recht dicken Gang, während der "Pistolero“ Contador für seinen unruhigen Stil und seine ständigen, leichtfüßigen Attacken bekannt war.

Indurain stieg verhältnismäßig spät in die Riege der Top-Stars im Radsport auf. Seine Profikarriere startete er im Herbst 1984 beim damaligen Reynolds-Team, dem Vorgänger von Banesto beziehungsweise Movistar. Es dauerte also fast sieben Jahre, bis er seinen ersten von sieben Grand-Tour-Erfolgen einfuhr: Den bei der Tour de France im Juli 1991. Zuvor gewann er allerdings in seiner ersten kompletten Profisaison 1985 die Tour de l‘Avenir. Und 1989 ließ er in seiner fünften Saison den ersten von zwei Paris-Nizza-Siegen folgen.

Und Soler? Der wurde 2015 Profi und gewann in seiner ersten Saison die Tour de l‘Avenir. Seinen ersten Sieg bei Paris-Nizza landete er im Vergleich zu Indurain ein Jahr früher, nämlich in seiner vierten Saison als Radprofi. Aber: Beide waren zu jenem Zeitpunkt 24 Jahre alt. Die Parallelen sind unübersehbar. Der eine oder andere mag jetzt einwerfen: Indurain hat viel mehr als Soler auf seine Stärke im Zeitfahren gebaut, während der Jüngere der beiden vor wenigen Tagen mit einer gewagten Attacke die Wende beim Rennen zur Sonne schaffte. Das stimmt zwar, trifft den Kern aber nur bedingt.

Im Rückblick wird Indurains Taktik meist so beschrieben: Im Zeitfahren ein Polster schaffen und in den Bergen an der Konkurrenz kleben. Das ist allerdings ein Zerrbild. Schon in seiner Zeit als Edelhelfer von Pedro Delgado gewann Indurain 1988 und 1989 zwei Tour-Bergetappen als Ausreißer. 1990 war er auf dem Weg nach Alpe d‘Huez ebenfalls vorn raus, ehe er zurückbeordert wurde, um für Delgado Tempo zu bolzen.

1994 griff "Big Mig“ am ersten schweren Berg der Tour an und distanzierte die gesamte Konkurrenz außer Etappensieger Luc Leblanc – erst da war klar, dass Indurain wieder die Hausmacht für sich beanspruchen konnte. Wenige Wochen zuvor hatte er schließlich den Giro d‘Italia gegen Evgeni Berzin verloren. 1995 dann ein ganz ungewöhnliches Manöver: Vor dem ersten Einzelzeitfahren griff Indurain mit Johan Bruyneel in den Ardennen an und fuhr eine Minute heraus. Von wegen warten auf den Kampf gegen die Uhr. Ein weiteres Kapitel seiner Karriere wird ebenfalls oft übersehen: 1991 verlor Indurain die Vuelta a Espana gegen Melchior Mauri in den Zeitfahren, wogegen er seinen Landsmann am Berg distanzierte.

Selbstverständlich ist es bei allen Ähnlichkeiten gewagt, Marc Soler nun gleich als den nächsten "neuen Indurain“ ins Spiel zu bringen, zumal die heutigen Radsport-Fans wohl eher den "neuen Contador“ suchen. Und Soler fuhr in der Tat ein wenig in dessen Tradition, griff der "Pistolero“ doch auch gern am Schlusstag von Paris-Nizza an, um die Konkurrenz unter Druck zu setzen. Dennoch könnte Spanien bald wieder einen Fahrer feiern, der eher durch Ruhe und Konstanz auffällt als durch Spektakel auf und abseits der Straße. Denn das liebten die Iberer an ihrem "Big Mig“: Fünf Jahre lang konnten sie die Uhr danach stellen, dass der große Mann aus Navarra im Juli scheinbar seelenruhig sein Gelbes Trikot gegen jede Attacke verteidigte.

Kann Soler das irgendwann auch? Er hat mit Eusebio Unzue immerhin einen Teammanager, der weiß, wie man junge Fahrer behutsam aufbaut – Unzue war Entdecker und Ziehvater Indurains. Anders als beispielsweise der überragende Zeitfahrer Abraham Olano in den späten Neunzigern scheint Soler zudem am Berg zu Großem imstande zu sein – bei gleichzeitig vorhandenen Qualitäten im Kampf gegen die Uhr, Nervenstärke und taktischem Kalkül, was einst Santiago Blanco komplett vermissen ließ. Keine schlechten Vorzeichen.

In Spanien ist dies den Beobachtern natürlich nicht verborgen geblieben. Unzue musste unmittelbar nach Solers Triumph in Nizza Fragen nach seinem Schützling beantworten. Gegenüber El Pais bescheinigte er Soler eine große Zukunft und charakterisierte ihn als "kühl und ruhig“. Genau wie einst Miguel Indurain. Vielleicht tritt "Big Marc“ also wirklich in die Fußstapfen von "Big Mig“.

Mehr Informationen zu diesem Thema

12.03.2018Großschartner: Ein Glas Rotwein und ein Tag Golf als Belohnung

(rsn) - Viel besser hätte der Einstand auf höchstem Niveau nicht ausfallen können. Bora-hansgrohe-Neuzugang Felix Großschartner hat nach Rang neun bei der Algarve-Rundfahrt nun auch bei Paris - Ni

12.03.2018Zwei Österreicher bescheren Bora-hansgrohe historisches Ergebnis

(rsn) - Mit Marc Soler (Movistar) hat die 76. Auflage von Paris - Nizza einen Gesamtsieger, mit dem vor dem Rennen kaum jemand gerechnet hätte. Dank seines überragenden Auftritts am letzten Tag des

11.03.2018Highlight-Video der 8. Etappe von Paris - Nizza

(rsn) - Marc Soler (Movistar) hat am letzten Tag von Paris - Nizza Simon Yates (Mitchelton-Scott) noch das Gelbe Trikot entrissen und die 76. Auflage der Fernfahrt für sich entschieden. Der 24-jähri

11.03.2018Wieder ein Sekunden-Krimi - Soler dreht am letzten Tag das Blatt

(rsn) - Zum dritten Mal in Folge haben nur wenige Sekunden über den Gesamtsieg bei Paris - Nizza entschieden. Nachdem sich 2017 Sergio Henao mit ganzen zwei Sekunden gegenüber Alberto Contador durch

11.03.2018De la Cruz holt letzte Etappe, Soler nimmt Simon Yates Gelb noch ab

(rsn) - Marc Soler (Movistar) hat am letzten Tag von Paris - Nizza Simon Yates (Mitchelton-Scott) noch das Gelbe Trikot abgenommen und die 76. Auflage der Fernfahrt für sich entschieden. Der 24-jähr

11.03.2018Auch das Finale des 76. Paris - Nizza wird zum Sekunden-Krimi

(rsn) - Auch die 76. Auflage von Paris - Nizza ist an Spannung kaum zu überbieten. Nachdem im vergangenen Jahr Sergio Henao (Sky) sich den Gesamtsieg des "Rennens zur Sonne“ mit ganzen zwei Sekunde

11.03.2018Vorschau auf die Rennen des Tages / 11. März

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? Ab sofort gibt Ihnen radsport-news.com kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf

10.03.2018Lotto Soudal in Frankreich und Italien auf erfolgreicher Trikotjagd

(rsn) - Gleich drei Wertungstrikots eroberten die Fahrer des Lotto Soudal-Teams auf den heutigen Königsetappen von Paris - Nizza und Tirreno - Adriatico. Zunächst fuhrt Thomas De Gendt auf dem vorle

10.03.2018Highlight-Video der 7. Etappe von Paris - Nizza

(rsn) - Simon Yates (Mitchelton-Scott) hat auf der Königsetappe des 76. Paris - Nizza seinen ersten Saisonsieg eingefahren und das Gelbe Trikot erobert. Der 25-jährige Brite setzte sich am Samstag n

10.03.2018Simon Yates katapultiert sich auf der Königsetappe ins Gelbe

(rsn) - Die Königsetappe von Paris - Nizza hat das Gesamtklassement der Fernfahrt kräftig durchgeschüttelt. Nach schweren 175 Kilometern von Nizza nach Valdeblore La Colmiane an der dortigen Bergan

10.03.2018Simon Yates gewinnt Königsetappe, Konrad wird Sechster

(rsn) - Simon Yates (Mitchelton-Scott) hat auf der Königsetappe des 76. Paris - Nizza seinen ersten Saisonsieg eingefahren und das Gelbe Trikot erobert. Der 25-jährige Brite setzte sich am Samstag n

10.03.2018Tirreno: Dumoulin nach Sturz raus, Démare gibt in Nizza auf

(rsn) - Nachdem am Freitag bereits Simon Geschke mit einem Schlüsselbeinbruch bei Tirreno - Adriatico ausgeschieden ist, musste auf der heutigen 4. Etappe der Fernfahrt auch Kapitän Tom Dumoulin das

Weitere Radsportnachrichten

16.11.2025Riman schnappt Oertzen den ersten UCI-Sieg weg

(rsn) – Nachdem er 2022 in Hittnau (C2) in der Schweiz zum erstmals erfolgreich war, hat Jakub Riman in Owocowy Przelaj zum zweiten Mal in seiner Karriere zugeschlagen. Der Tscheche stand in Polen z

15.11.2025Osborne wird in Abu Dhabi zum dritten Mal Esports-Weltmeister

(rsn) - Jason Osborne ist zum dritten Mal Esports-Weltmeister geworden. Der 31-Jährige Titelverteidiger holte sich in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) nach einem packenden Kampf letztlich sou

15.11.2025Klassikerqualitäten in den Dienst des Kollektivs gestellt

(rsn) – Vor seinem sechsten Jahr als Berufsradfahrer wechselte Johan Jacobs erstmals die Teamfarben: Vom spanischen Rennstall Movistar ging der Schweizer zur französischen Equipe Groupama – FDJ.

15.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

15.11.2025Nieuwenhuis auch durch Stürze und defekten Schuh nicht zu stoppen

(rsn) – Nach Siegen beim Exact Cross in Heerde und bei der X2O Badkamers Trofee in Lokeren hat Joris Nieuwenhuis (Ridley) auch in der Superprestige zugeschlagen. In Merksplas war der Niederländer b

15.11.2025Brand gewinnt auch zweites Superprestige-Rennen der Woche

(rsn) – Vier Tage nach ihrem Sieg bei der Superprestige in Niel hat Lucinda Brand (Baloise – Glowy Lions) in der Crossserie erneut zugeschlagen. In Merksplas reichte ihr eine Attacke zur Rennmitte

15.11.2025Diabetiker-Team Novo Nordisk kann langfristig planen

(rsn) – Das US-Team Novo Nordisk wird auch in den kommenden Jahren im Peloton vertreten sein. Wie der Zweitdivisionär meldete, sei der Vertrag mit dem Sponsor Novo Nordisk, der ursprünglich Ende 2

15.11.2025Brand peilt am Wochenende denkwürdiges Cross-Jubiläum an

(rsn) – Lucinda Brand (Baloise Glowi Lions) geht an diesem Wochenende auf Rekordjagd. Die 36-jährige Niederländerin will ihre imponierende Serie von 48 Podiumsplätzen in Serie ausbauen. Sollte si

15.11.2025Pogacar entscheidet sich im Training fürs EM-Trikot

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Team Emirates – XRG) ist aktueller Welt- und Europameister. Da das Regenbogentrikot höherwertiger als das des kontinentalen Titelträgers, wird es Pogacar in den Re

15.11.2025Kein neuer Vertrag mehr: Froome vor dem Karriereende?

(rsn) – Für den viermaligen Tour-de-France-Sieger Chris Froome deutet sich das Karriereende an. Wie sein Team Israel - Premier Tech auf Instagram bekanntgab, wird der 40-jährige Brite wie auch die

15.11.2025Schreiber gibt beim X2O-Cross in Hamme ihr Saisondebüt

(rsn) – Aufgrund mehrere Erkrankungen geriet Marie Schreibers Vorbereitung auf die Cross-Saison 2025/26 durcheinander. Die U23-Vizeweltmeisterin zog sich bei der Tour de l´Avenir Femmes eine Corona

15.11.2025Mit internationalen Erfolgen im Gepäck zum neuen Team

(rsn) - Für Dominik Röber (Benotti - Berthold) brachte die Saison 2025 seine erfolgreichsten internationalen Ergebnisse. Mit Platz zwei im Gesamtklassement und dem dritten Rang auf der letzten Etap

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)