Giro: Luxemburger schlägt Quintana und Pinot

Jungels krönt Highspeed-Etappe mit perfektem Sprint in Bergamo

Foto zu dem Text "Jungels krönt Highspeed-Etappe mit perfektem Sprint in Bergamo"
Bob Jungels (Quick-Step Floors) hat die 15. Giro-Etappe gewonnen. | Foto: Cor Vos

21.05.2017  |  (rsn) - Am Samstag noch hatte Bob Jungels (Quick-Step Floors) bei der Bergankunft in Oropa nicht mit den Besten mithalten können und im Gesamtklassement des Giro d’Italia an Boden eingebüßt. Nur 24 Stunden später meldete sich der junge Luxemburger in Bergamo mit einem Paukenschlag zurück. Jungels gewann die 15. Etappe nach 199 Kilometern von Valdengo nach Bergamo im Sprint der Favoritengruppe vor dem Kolumbianer Nairo Quintana (Movistar) und dem Franzosen Thibaut Pinot (FDJ) für sich und feierte erstmals in seiner Karriere einen Tagessieg bei einer Grand Tour.

"Es ist derzeit nicht so einfach, das zu realisieren, aber ich bin super glücklich mit diesem Sieg. Ich wusste, dass ich heute gute Beine hatte; ich war in den Anstiegen gut“, sagte Jungels nach dem Teilstück, dessen Finale mit den letzten Kilometern der Lombardei-Rundfahrt identisch war und nach zwei Anstiegen der 2. und 3. Kategorie in der Radsport-Hochburg Bergamo endete. In der norditalienischen Stadt präsentierte sich Jungels von seiner besten Seite, als er mit einer Attacke vier Kilometer vor dem Ziel die entscheidende Phase einläutete.

"Auch im finalen Anstieg habe ich es versucht, aber er war etwas länger, als ich erwartet hatte. In der Abfahrt war ich dann jedoch in einer guten Position. Der Sprint war perfekt. Ich war am Hinterrad von Pozzovivo und konnte aus einer perfekten Position heraus antreten“, schilderte er die letzten Meter einer spektakulären Etappe, die mit einem Stundenschnitt von mehr als 46 Kilometern ausgetragen wurde und bei der es auch zu einigen schweren Stürzen kam.

Während etwa Quintana, der in der Kurve einer Abfahrt wegrutschte, nach einem zweimaligen Radtausch glimpflich davonkam, erwischte es den bisherigen Gesamtsiebten Tanel Kangert (Astana) schwer. Der Este knallte gegen eine Verkehrsinsel und zog sich dabei eine Ellenbogenfraktur zu, die ihn zur Aufgabe zwang.

Dagegen machte der Kolumbianer als Überraschungszweiter in Bergamo sogar sechs Sekunden auf Tom Dumoulin (Sunweb) gut, der als Etappensiebter eine souveräne Vorstellung bot und im Rosa Trikot in den Ruhetag geht. "Heute war ein guter Tag. Aber ehrlich, gestern war noch besser. Ich werde mich immer daran erinnern. Jetzt gehe ich erst einmal guter Dinge in den Ruhetag. Die letzte Woche wird sehr, sehr hart. Dienstag wird wohl der härteste Tag. Aber ich habe keine Angst davor. Ich bin die Berge schon abgefahren. Ich weiß, was ich zu tun habe“, sagte der Niederländer in der mixed zone den Reportern.

Vor Dumoulin landeten noch Pinot, der Brite Adam Yates (Orica-Scott), Domenico Pozzovivo (Ag2R), auf Rang fünf der beste der nach wie vor auf einen Sieg wartenden Italiener, sowie der starke Österreicher Patrick Konrad vom deutschen Bora-hansgrohe-Team. Platz sieben ging an Nibali, der Jungels Attacke gekontert und in der folgenden Abfahrt vergeblich versucht hatte, sich abzusetzen. "Das war eine superschwere, aber auch eine superschöne Etappe. Wir wollten da etwas riskieren, ein bisschen ist das uns ja auch geglückt. Vincenzo hat gezeigt, dass er weiter vorn dabei ist. Das stimmt uns optimistisch für die letzte Woche“, sagte Nibalis Helfer Giovanni Visconti im Ziel.

Dumoulin führt nicht nur die Gesamtwertung - nunmehr 2:41 Minuten vor Quintana -, sondern auch weiterhin die Bergwertung an. Fernando Gaviria (Quick-Step Floors) baute seine Führung in der Punktewertung aus, sein luxemburgischer Teamkollege Jungels bleibt im Weißen Trikot des besten Jungprofis.

Bei extrem schnellem Beginn mit Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h zogen nach rund zehn Kilometern der Belgier Dries Devenyns (Quick-Step Floors), der Niederländer Moreno Hofland (LottoNL-Jumbo), der Tscheche Jan Barta (Bora-hansgrohe), der Franzose Jeremy Roy (FDJ) sowie der Albaner Eugert Zhupa (Wilier Triestina) davon, mussten aber bis zum ersten Zwischensprint bei Kilometer 60 kämpfen, ehe das nur gut 30 Sekunden hinter dem Quintett herjagende Feld die Zügel etwas lockerer ließ.

Doch dann folgte weiter Attacke auf Attacke und selbst, als nach gut 90 Kilometern die Verpflegungszone erreicht war, wurden im Feld die Beine nicht hochgenommen. Vor allem Cannondale-Drapac setzte alles daran, die Ausreißer wieder zurückzuholen. Folge war, dass kurz darauf tatsächlich bis auf Devenyns, der sich angesichts von nur noch zehn Sekunden Vorsprung mit einer Verzweiflungsattacke von seinen Begleitern löste, diese vom Feld geschluckt wurden. Doch es dauerte nicht mehr lange, ehe auch der Teamkollege von Jungels und Gaviria seine Bemühungen einstellen musste, so dass nach rund zwei Rennstunden bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 52,1 km/h die Karten wieder neu gemischt wurden.

Erst als sich nach gut 110 gefahrenen Kilometern eine größere Gruppe um Gaviria und Silvan Dillier (BMC) bildete, wurde im Feld das Tempo etwas herausgenommen. Der Kolumbianer und der Schweizer erarbeiteten sich in der Folge gemeinsam mit Enrico Battaglin (LottoNL-Jumbo), Phillip Deignan (Sky), Julen Amazequeta (Wilier Triestina), Jacques Janse von Rensburg (Dimension Data), Enrico Barbin (Bardiani-CSF), Rudy Molard (FDJ), Evgeny Shalunov (Gazprom-Rusvelo) und Simone Petilli (UAE-Emirates) einen Vorsprung von gut zwei Minuten.

Gaviria sicherte sich aus der Gruppe heraus nach rund 136 Kilometern den zweiten Zwischensprint des Tages, doch bereits zehn Kilometer vor dem Miragolo San Salvatore, dem ersten der zwei kategorisierten Berge des Tages, war der Vorsprung der Ausreißer auf bereits 1:20 Minuten zurückgegangen, was vor allem auf die Arbeit zurückzuführen war, die Orica-Scott im Feld verrichtete.

Am Fuß des knapp zehn Kilometer langen und im oberen Teil bis zu elf Prozent steilen Anstiegs halbierte sich zunächst die Spitzengruppe. Deignan, Janse van Rensburg, Amezqueta, Molard und Barbin ließen ihre Begleiter stehen. Die Bergwertung in 931 Metern Höhe überquerte die hier nur noch aus Deignan, Janse van Rensburg und Molard bestehende Spitze rund eine Minute vor dem Feld, in dem nun Sunweb ein kontrolliertes Tempo einschlug.

Das nutzte Pierre Rolland (Cannondale-Drapac), um zu attackieren und nach vorne zu fahren. Kurz darauf erhielt der Franzose Verstärkung durch Luis Leon Sanchez (Astana) und mit vereinten Kräften gelang es beiden, 31 Kilometer vor dem Ziel in Anstieg nach Selvino zur Spitze aufzuschließen.

Im Feld erlebte dagegen Quintana einen Schreckmoment. Der Movistar-Kapitän stürzte in der Abfahrt vom Miragolo San Salvatore, konnte nach zwei Radwechseln aber unbeschadet das Rennen fortsetzen. Wesentlich schlimmer erwischte es dagegen Tanel Kangert einige Kilometer später in der Anfahrt nach Bergamo hinein. Der Gesamtsiebte prallte bei hohem Tempo frontal gegen ein auf einer Verkehrsinsel stehendes Schild, überschlug sich und musste mit gebrochenem Ellenbogen aufgeben.

Zu diesem Zeitpunkt betrug der Vorsprung der Spitzengruppe nur noch wenige Sekunden auf das noch rund 50 Mann starke Feld, in dem weiter Orica-Scott für Tempo sorgte. Endgültig geschehen um das Quintett war es, als Nibali seine Helfer im letzten, nicht kategorisierten und über Kopfsteinpflaster führenden Anstieg des Tages nach vorne schickte - knapp vier Kilometer vor dem Ziel wurde mit Rolland der letzte der Ausreißer gestellt.

Sofort ging Jungels in den engen Altstadtstraßen von Bergamo in die Offensive, doch der Luxemburger musste schnell Nibali an sich vorbeiziehen lassen. Der Gewinner der Lombardei-Rundfahrt 2015 jagte als erster die letzte Abfahrt des Tages hinab, konnte sich aber nicht lösen, sondern initiierte unbeabsichtigt die Gruppe, die schließlich den Sieg unter sich ausmachen sollte.

Den holte sich Jungels, indem er sich auf der Zielgeraden clever an Pozzovivos Hinterrad setzte, von wo aus er souverän zum bisher größten Einzelerfolg seiner Karriere sprintete. Dahinter sicherte sich Quintana überraschend Rang zwei - auch wohl für Dumoulin, der seinen großen Konkurrenten im Kampf um das Rosa Trikot auf den letzten Metern aus den Augen gelassen hatte. Bis auf Andrej Amador (Movistar) und den gestürzten Kangert befanden sich alle Fahrer aus den Top Ten der Gesamtwertung in der letztlich zwölfköpfigen Gruppe, die zeitgleich gestoppt wurde.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

02.12.2017Dumoulin will ein zweites “shit-gate“ vermeiden

(rsn) - Noch steht nicht fest, ob Tom Dumoulin im kommenden Jahr beim Giro d’Italia zur Titelverteidigung antreten wird. Sollte es dazu kommen, möchte der Niederländer auf jeden Fall Szenen wie be

01.06.2017Giro-Sieger Dumoulin in seiner Heimatstadt Maastricht geehrt

(rsn) - Tom Dumoulin ist am Mittwoch in Maastricht von Tausenden von Radsportfans gefeiert worden. Der Gewinner des diesjährigen Giro d’Italia präsentierte sein Rosa Trikot und die Trofeo Senza Fi

30.05.2017Gazetta: Nibali verzichtet zugunsten der Vuelta auf die Tour

(rsn) - Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) wird auf die Tour de France verzichten und stattdessen die Vuelta a España zu seinem nächsten große Ziel in diesem Jahr machen. Das meldete die Gazzetta de

30.05.2017Lastet auf dem Giro ein Triple-Fluch?

(rsn) - Nachdem Vincenzo Nibali am vergangenen Wochenende dabei gescheitert ist, seinen dritten Gesamtsieg beim Giro d’Italia einzufahren, drängt sich der Eindruck auf, dass ein Triple-Fluch auf de

29.05.2017Giro-Sieger Dumoulin rückt auf Rang drei der WorldTour-Rangliste vor

(rsn) - Mit seinem Gesamtsieg beim Giro d’Italia, wo er zudem noch zwei Etappenerfolge feiern konnte, hat sich Tom Dumoulin (Sunweb) vom 27. auf den dritten Platz der WorldTour-Einzelwertung verbess

29.05.2017Quintana bekam nicht das, was er wollte

(rsn) - "You can’t always get what you want“ lautet der Titel einer der berühmtesten Songs der Rockgeschichte. Das Stück von den Rolling Stones könnte Nairo Quintana - so er die "Stones" überh

29.05.2017Dumoulin: “Irgendwann will ich die Tour gewinnen“

Mailand (dpa) - Kaum war Tom Dumoulin in Mailand als erster niederländischer Sieger beim Giro d`Italia gekrönt, folgten auch schon die Fragen zur Tour de France. "Das Nächste sind ein Bier und Barb

29.05.2017Gaviria: "Diese Erfolge waren außerhalb meiner Fantasie"

(rsn) - Bereits beim letztjährigen Giro d´Italia lieferte die Quick-Step Floors-Mannschaft eine beeindruckende Vorstellung ab. Durch Marcel Kittel, Gianluca Brambilla und Matteo Trentin gewann das b

29.05.2017Van Emden brachte auch Dumoulins Übersetzung an ihre Grenze

(rsn) - Natürlich stand Tom Dumoulin (Sunweb) nach dem Giro-Abschlusszeitfahren in Mailand im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit. Schließlich hatte der 26-Jährige gerade seine erste Grand Tour

29.05.2017Nibali: "Ich habe mehr von mir selbst erwartet"

(rsn) - Zum großen Giro-Finale in Mailand konnte Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) die Hoffnungen der italienischen Fans auf seinen dritten Giro-Triumph nach 2013 und 2016 nicht erfüllen. Der 32-jäh

29.05.2017Viva il Giro d´Italia - so spannend war die Tour seit Jahren nicht

(rsn) - Vive le Tour de France - die Frankreich-Rundfahrt ist im Radsport das Maß der Dinge. Doch der Giro d´Italia hat mächtig aufgeholt und in Punkto Spannung der Frankreich-Rundfahrt wenigstens

28.05.2017Platz 16 beim Giro - Pömer sagt Konrad eine große Zukunft voraus

(rsn) - Mit einem weiteren Top-Ten-Ergebnis hat das deutsche Bora-hansgrohe-Team den 100. Giro d’Italia beendet. Jan Barta landete im abschließenden Zeitfahren von Monza nach Mailand auf dem sechst

Weitere Radsportnachrichten

24.07.2025Wird am Col de la Loze schon der Toursieger gekrönt?

(rsn) – Die 18. gilt als die Königsetappe der 112. Tour de France. Auf den 171 Kilometern von Vif nach Courchevel müssen mehr als 5.400 Höhenmeter bewältigt werden, gleich drei Anstiege der Eh

24.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

24.07.2025Vollering-Team FDJ - Suez mit neuem Trikot zur Tour de France

(rsn) – Das französische Team FDJ – Suez um Top-Favoritin Demi Vollering tritt bei der Tour de France Femmes avec Zwift 2025 im neuen Look an – und zwar überwiegend schwarz. Der Rennstall werd

24.07.2025Provozierter Pogacar, All-In-Vingegaard und Red Bull im Höhenflug

(rsn) - Es wird heiß bei der Tour de France. Nicht unbedingt vom Wetter her. 8 Grad und Regenschauer sind für den Col de la Loze angesagt, dem finalen Anstieg der Königsetappe dieser Tour mit insge

23.07.2025Merlier ärgert sich nach Sturzchaos über Bruchpiloten der Tour

(rsn) - Wieder löste ein Sturz, der wohl vermeidbar gewesen wäre, bei der Tour de France ein Chaos aus. So sieht es jedenfalls Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), dem nach der Ziel-Durchfahrt der 1

23.07.2025Lidl - Trek hat den Giro-Spirit nun auch bei der Tour

(rsn) – Jonathan Milan war längst im Ziel und hatte seinen zweiten Sieg bei der diesjährigen Tour de France und einen Riesenschritt im Kampf um das Grüne Trikot bejubeln können, als sich kurz vo

23.07.2025Rabiat durchgegriffen: Polizist holt in Valence Flitzer vom Fahrrad

(rsn) – Um ein Haar hätte die 17. Etappe der Tour de France in Valence mit einem noch größeren Unfall enden können, als es durch den Sturz unter dem Teufelslappen ohnehin der Fall war. Denn wie

23.07.2025Ist für Girmay die Tour nach der 17. Etappe beendet?

(rsn) – Bei der 112. Tour de France läuft bei Intermarché – Wanty um Sprinter Biniam Girmay nichts zusammen. Der Eritreer wartet noch auf seinen ersten Etappenerfolg und lag vor dem Start des Te

23.07.2025Meeus: Perfektes Finale, aber am Ende enttäuscht

(rsn) – Ein achter Platz am Ende der 8. Etappe in Châteauroux war das bisher beste Ergebnis, das Jordi Meeus (Red Bull – Bora – hansgrohe) bei der 112. Tour de France bisher hatte einfahren kö

23.07.2025Nolde gewinnt in Polen Auftakt der Dookola Mazowsza

(rsn) - Tobias Nolde (Benotti - Berthold) hat die 1. Etappe der Dookola Mazowsza (UCI 2.2) für sich entschieden und damit den ersten Saisonsieg für sein Team eingefahren. Der 26-Jährige setzte sich

23.07.2025Verbalattacken gegen Gegner: Politt weist Vorwürfe zurück

(rsn) - Nils Politt (UAE – Emirates – XRG) hat Vorwürfe zurückgewiesen, er habe auf der 16. Etappe der Tour de France 2025 Profis, die versuchten, sich der Ausreißergruppe anzuschließen, verba

23.07.2025Abrahamsen: “Ich habe im Moment Superbeine“

(rsn) – Nachdem mit Jonas Abrahamsen (Uno-X Mobility) gut vier Kilometer vor dem Ziel der letzte Ausreißer eingeholt wurde, kam es auf der 17. Etappe der Tour de France 2025 zum erwarteten Massensp

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Dookola Mazowsza (2.2, POL)