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04.05.2017 | (rsn) - Wer kennt sie nicht, die sportlichen Heldentaten von Fausto Coppi und Gino Bartali, von Alfredo Binda, Felice Gimondi und Eddy Merckx? Sie alle prägten die 100-Jährige Geschichte des Giro d’Italia maßgeblich. Doch auch in der jüngeren Historie der Italien-Rundfahrt findet sich jede Menge Stoff für weitere Kapitel. radsport-news.com lässt anlässlich des Giro-Jubiläums einige dieser geschichtsträchtigen Momente wieder aufleben.
Der 5. Juni des Jahres 1988 gilt als der kälteste Tag in der Geschichte des Giro d’Italia. Die Gazetten tauften ihn später den "Tag, an dem die großen Männer weinten“. Und das war nicht übertrieben. An jenem Sonntag nämlich begab sich der Giro-Tross in Chiesa Valmalenco auf die 120 Kilometer lange 14. Etappe nach Bormio. Schon beim Start regnete es wie aus Eimern – und zu allem Überfluss ging es zunächst zehn Kilometer lang bergab, so dass die Fahrer schon dort zu frieren begannen. Dann mussten sie den Passo del Aprica hinauf, eine mäßig schwere Steigung – doch es regnete noch immer.
Als der Pass hinter ihnen lag, gingen die ersten Meldungen bei den Sportlichen Leitern ein, dass es am Gavia-Pass, der zweiten und mit Abstand schwersten Steigung des Tages, schneite. Wohlgemerkt: in 2621 Metern Höhe. Dort sollen -4 Grad Celsius geherrscht haben an jenem Nachmittag. Doch als sich das Feld dem Berg näherte, hieß es, dass die Passhöhe befahrbar sei. Möglicherweise hatten die Veranstalter Manschetten, zumal bereits die 11. Etappe wegen schlechten Wetters annulliert worden war. Anders ist es kaum zu erklären, dass sie die Fahrer in ein Inferno aus Schnee und Kälte schickten.
Als Erster wuchtete Johan van der Velde sein Rennrad den Gavia hinauf – der Niederländer trug ein kurzärmeliges Trikot und keine Handschuhe. Nicht einmal eine Mütze schützte seinen Kopf. Livebilder davon gab es nicht zu sehen, die Rai behalf sich mit Aufzeichnungen, Expertenschaltungen und gelegentlichen Helikopteraufnahmen der damals noch nicht asphaltierten Straße am Gavia, ohne dabei jedoch Radprofis einzufangen. Erst im Nachgang wurden Bilder einer Motorradkamera von Van der Velde gezeigt – zu sehen war ein Mann nah am Wahn, auf dessen Stirn und Schultern sich Schneeschichten gebildet hatten.
Oben angekommen, flüchtete sich der Niederländer ins Mannschaftsauto, wechselte das Trikot, zog eine Regenjacke an. Dann wollte er weiterfahren, kehrte jedoch kurze Zeit später zurück, um sich erneut im Teamwagen zu verschanzen. Auf seinem Gesicht soll sich Panik abgezeichnet haben. Schließlich standen ihm 26 Kilometer Abfahrt bevor – und die Kälte musste sich bereits bis in seine Knochen gefressen haben. Vielleicht spekulierte er auch darauf, dass das Rennen abgebrochen und er zum Sieger erklärt würde. Das Ziel erreichte van der Velde, der in jenem Jahr die Punktwertung gewann, schließlich eine Dreiviertelstunde nach dem Tagessieger.
Hinter dem Niederländer erreichten Andrew Hampsten und Erik Breukink die Passhöhe. Hampsten hatte sich aus der Favoritengruppe mit dem Mann in Rosa, Franco Chioccioli, gelöst, Breukink war sein erster Verfolger gewesen, als der US-Amerikaner auf dem letzten Kilometer Probleme mit seiner Schaltung bekam und nur unter größten Schwierigkeiten seine Regenjacke überziehen konnte. So gingen Hampsten und Breukink gemeinsam in die Abfahrt.
Der spätere Gesamtsieger Hampsten rekapitulierte mit etwas Abstand, dass es wohl die bessere Vorbereitung seines 7-Eleven-Teams und der Panasonic-Mannschaft von Breukink war, die diese Etappe und letztlich den ganzen Giro entschied. 7-Eleven hatte beispielsweise warmen Tee für die Fahrer an Bord, außerdem reichlich Kleidung zum Wechseln. Hampsten trug zudem Neopren-Handschuhe. „Ich wusste, dass es entscheidend sein würde, meine Finger funktionstüchtig zu halten“, erklärte der US-Profi Jahre danach.
In der Abfahrt schüttelte Breukink seinen Begleiter aber ab, und trotz verzweifelter Bemühungen konnte Hampsten das Loch nicht wieder ganz schließen. Der Niederländer – im Jahr zuvor bereits Dritter des Giro – gewann die Etappe im Regen von Bormio mit sieben Sekunden Vorsprung. Doch der zweite Platz mit diesem Abstand genügte Hampsten zur Übernahme des Rosa Trikots. Denn Chioccioli erreichte das Ziel mit gut fünf Minuten Rückstand, wenige Sekunden vor ihm war die erste Verfolgergruppe mit Marco Giovanetti, Urs Zimmermann und Flavio Giupponi angekommen.
Pedro Delgado büßte gar 7 Minuten ein und somit alle Chancen, die Italienrundfahrt bei seiner bis dahin einzigen Teilnahme zu gewinnen. Sogar fast 10 Minuten bekam Jean-Francois Bernard aufgebrummt. In den folgenden Tagen baute Hampsten seinen Vorsprung sukzessive aus, sodass ihm der stärkere Zeitfahrer Breukink auch im letzten Kampf gegen die Uhr den Gesamtsieg nicht mehr streitig machen konnte und Zweiter wurde. /p>
Den Grundstein dafür hatten beide mit ihrer Leidensfähigkeit am Gavia und noch mehr in dessen Abfahrt gelegt. Selbst bei den Interviews nach der Siegerehrung war ein Zittern in beider Stimmen unüberhörbar. Auch wenn sich Hampsten ein Lächeln abrang über das Rosa Trikot - das berühmte Funkeln in seinen Augen war noch längst nicht zurückgekehrt. Als er ein paar Worte mit Breukink wechselte, war dieser Satz von seinen Lippen abzulesen: "What a day.“
Doch die Gewinner des Tages kamen wohl noch am glimpflichsten davon. Im Zielbereich schaffte es kaum einer der durchtrainierten Profis, ohne Hilfe vom Rad zu steigen. Die meisten von ihnen humpelten davon, gestützt von Soigneuren und Mechanikern, viele hatten Tränen im Gesicht – von schockartigen Zuständen war die Rede. Ein Gewiss-Profi drohte zu kollabieren und musste von einem Betreuer ins Warme gezogen werden. Noch schlimmer ging es Bob Roll. Ein Betreuer seines 7-Eleven-Teams nahm den in die Ohnmacht weggleitenden US-Amerikaner von hinten in den Klammergriff und rubbelte mit aller Gewalt dessen Oberkörper, um den Kreislaufzusammenbruch abzuwenden. Dann wurde Roll in eine Ambulanz getragen.
Ob Hampsten den Giro auch ohne dieses Inferno gewonnen hätte, ist Spekulation. Immerhin hatte er bereits vor der Etappe auf Rang fünf gelegen, nur 1:18 Minuten hinter Chioccoli. Außerdem hatte Hampsten die Bergankunft in Selvino (12. Etappe) gewonnen. Im Nachgang wird der kluge US-Amerikaner aber auch einordnen können, dass dieser Rennverlauf seinen Ruf nachhaltig geprägt und ihn zur Radsport-Legende gemacht hat. Kurioserweise sind heute noch die ersten Namen, die genannt werden, wenn es um den Tag geht, „an dem die großen Männer weinten“: Andy Hampsten und Johan van der Velde. Erst dann folgt Erik Breukink, der Etappensieger.
Dieser 5. Juni 1988 hatte aber auch ganz konkrete und sogar positive Folgen. Seither sind die Organisatoren deutlich schneller bereit, ein Rennen wegen drohender Wettereskapaden abzusagen oder zu verkürzen.
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