Großes Interview mit Danilo Hondo / Teil 3

"Dem Radsport fehlt es an Fahrern mit Charisma"

Foto zu dem Text "
Danilo Hondo | Foto: Hondo

22.12.2015  |  (rsn) - Im dritten Teil des Interviews mit radsport-news.com spricht Danilo Hondo über die Themen Fahrerberater, Verstöße gegen das Mindestgehalt, Fahrergewerkschaften und über die für 2017 geplante WorldTour-Reform.

Mit welchen Problemen abseits der Dopingproblematik hat der Radsport zu kämpfen?

Hondo: Der Radsport hat grundsätzlich ein großes Problem, denn es gibt keine klare Linie und keine gemeinsame Idee. Man kann über Oleg Tinkov denken, was man will, aber in einem Punkt hat er recht: Die Teams und Fahrer müssten sich ihrer Möglichkeiten bewusst werden und zum Ausdruck bringen, wie sie sich die Zukunft des Radsports vorstellen. Im Rennen Gegner zu sein ist logisch, denn es geht um den sportlichen Vergleich, aber danach gilt es, gemeinsame Interessen zu formulieren und insbesondere am Business des Profi-Radsports beteiligt zu werden. Ich weiß nur eines: In jedem Rennen wurden prozentual vom Preisgeld Anteile für verschiede Institutionen abgezogen, unter anderem auch für die Fahrergewerkschaft. Ich niemals gefragt, ob ich überhaupt dieser Gewerkschaft beitreten und meine Interessen von vertreten lassen möchte. Davon abgesehen hat aus meiner Sicht die Gewerkschaft in dieser Form keinerlei Wirksamkeit. Es wäre sogar interessant festzustellen, ob sie überhaupt legitim ist.

Viele Fahrer haben heutzutage Berater oder Manager. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Hondo: Das Thema ist sicher auch speziell, die Frage ist: Was machen die verschiedenen Manager ganz genau? Da gibt es diejenigen, die eng mit den Fahrern arbeiten und wirklich versuchen, für jeden individuell die beste Strategie auszuarbeiten und sie in den jeweiligen Teams zu platzieren, sie aber auch langfristig zu begleiten, auch über die sportliche Laufbahn hinaus. Man muss sich aber auch die Frage stellen: Wie kann ein Manager, der bis zu 50 Fahrer betreut, jedem Einzelnen wirklich gerecht werden? Und eine Lizenz der UCI als 'Riders Agent' macht auch noch lange keinen guten Manager, insbesondere wenn man eigentlich keine wirklich Ahnung von diesem Sport hat.

Zuletzt berichtete die italienische Presse über Profiteams, die nicht einmal das  Mindestgehalt zahlen, sondern im Gegenteil ihre Fahrer sogar noch für einen Platz im Aufgebot zahlen lassen. Sie sind in ihrer Karriere auch in Italien gefahren. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Hondo: Diese Praxis ist kein rein italienisches Problem, aber dort sind sicher Fahrer und Familien eher bereit sind zu zahlen. Aber ich kenne auch Beispiele, bei denen Fahrer Teile ihrer Gehälter zurückzahlen bzw. Verträge mit dem Teammanager unterzeichnen müssen, laut denen dieser offiziell ihr Manager ist. So können die Rückzahlungen steuerlich geltend gemacht werden. Die Athleten befinden sich leider in einem Teufelskreis, denn sie haben eigentlich ja nur das eine Ziel – ein guter Sportler zu sein, alles dem einen Ziel unterzuordnen. Aber im Motorsport ist das bei vielen Fahrern, gerade beim Einstieg in die einzelnen Kategorien, auch oft gang und gäbe.

Glauben Sie, dass diese Methoden im Radsport die Ausnahme sind? 

Hondo: Ich denke, die großen Mannschaften haben ausreichend Budget und werden sich nicht auf solch dünnes Eis begeben. Lieber verpflichten sie einen Fahrer weniger, als sich solch ein Problem an Board zu holen. Aber wenn man weiter nach unten geht, ist das anscheinend öfters gängige Praxis. Insbesondere, weil man weiß, dass die Fahrer der unteren Kategorien keine andere Wahl haben. Das ist ein zweischneidiges Schwert, zum einen wird ihnen geholfen, als Profi Fuß zu fassen, andererseits stimmt die Entlohnung nicht. Denn wir sprechen hier von Berufsradsport. Die UCI hat mittlerweile immerhin einige Regeln aufgestellt und führt jährliche Prüfungen durch. Doch jeder Fahrer ist selbst dafür verantwortlich, was er unterzeichnet, und muss dann mit den Konsequenzen leben.

Sie haben Probleme immer offen angesprochen, Ihre Meinung klar geäußert. Sind Typen wie Sie im heutigen Radsport nicht mehr erwünscht? 

Hondo: Ich denke, es sollte in einer Demokratie zu den Grundwerten zählen, seine Meinung äußern zu dürfen. Dem Radsport insgesamt fehlt es an Fahrern mit Charisma, die meisten fahren nach Schema F ihre Radrennen, können nur noch mit SRM oder ähnlichen Datenmesssystemen trainieren oder Rennen fahren. Es geht fast nur noch darum, so viel wie möglich via Facebook oder Twitter zu posten. Es gibt viel zu selten noch Überraschungen, gerade die jungen Fahrer sind ohne Radio Tour selten in der Lage, die Rennen zu lesen. Wenn dazu noch die Daten auf dem SRM scheinbar nicht stimmen, ist das eine Katastrophe. Aber irgendwie scheint das ein allgemeiner Trend in der Gesellschaft zu sein: nur nicht anecken, immer schön unauffällig bleiben.

Der Radsportweltverband UCI plant die WorldTour zu reformieren. Was halten Sie davon?

Hondo: Es gibt leider immer noch keine genau Aussage, wie die Reform konkret aussehen soll, es gab mittlerweile wieder Änderungen an den ersten Ideen. Die Globalisierung des Radsports ist sicher sinnvoll und auch in den vergangenen Jahren erfolgreich umgesetzt worden, außer vielleicht zuletzt im Oktober in Abu Dhabi, da sollte man sich vielleicht noch einmal Gedanken machen. Wie gesagt, wenn es eine gemeinsame Idee von UCI, den Veranstaltern, den Teams und Fahrern wäre, dann könnte etwas Gutes dabei heraus kommen. Wir können wohl wieder nur gespannt abwarten, was uns präsentiert wird.

Sie selbst haben immer wieder Interesse bekundet, ein eigenes Team zu leiten. Ist dieses Projekt noch aktuell?

Hondo: Absolut, das Thema ist immer noch heiß, aber ich habe immer betont, wenn, dann richtig. Kein Schnellschuss und dann mit Planungssicherheit. Im Moment arbeite ich zusammen mit Andreas Klöden am Aufbau einer Agentur, diese soll aber in jedem Fall mehr als ein reines Management sein, genaue Details dann aber zu gegebener Zeit!

Weitere Radsportnachrichten

31.03.2025“Großvater“ Kristoff landete fast nochmal auf dem Podium

(rsn) – Zwei Monumente konnte Alexander Kristoff (Uno-X Mobility) in seiner Karriere schon gewinnen, aber auch bei Gent-Wevelgem in Flanders Fields war der mittlerweile 37-jährige Norweger schon e

31.03.2025Jakobsen muss unters Messer und steht vor langer Zwangspause

(rsn) – Spätestens nach der Saison 2022 schien der Horror-Sturz von Fabio Jakobsen (Picnic - PoostNL) aus der Polen-Rundfahrt aus dem Jahr 2020 endgültig vergessen, der heute 28-Jährige fuhr mit

31.03.2025Tudor, TotalEnergies und Uno-X bekommen die Tour-Wildcards 2025

(rsn) – Kaum hat die UCI die Bestätigung einer möglichen dritten Wildcard für die Grand Tours im Jahr 2025 bekanntgegeben, ist auch die ASO als Veranstalterin der Tour de France nun bereits vorge

31.03.2025Wiebes‘ unglaubliche Statistiken: Die Zahlen hinter der “100“

(rsn) – Ihren ersten UCI-Sieg feierte Lorena Wiebes im Jahr 2018. Das war damals im Mai beim Dorpenomloop in Aalburg, einem Rennen, das heute nicht mehr ausgetragen wird. Damals war sie 19 Jahre alt

31.03.2025UCI bestätigt Erweiterung der Grand-Tour-Pelotons auf 23 Teams

(rsn) – Nachdem sich das Professional Cycling Council (PCC) bereits für ein zusätzliches 23. Team bei den Grand Tours ausgesprochen hatte, hat nun auch das UCI Management Komitee die Entscheidung

31.03.2025Kool schafft bei Gent-Wevelgem den Befreiungsschlag

(rsn) – Auch wenn die Weltklasse-Sprinterin Charlotte Kool (Picnic – PostNL) beim überlegenen Sieg von Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) bei Gent-Wevelgem (1.UWT) chancenlos aussah, war die 25-

31.03.2025Keßler holt dritten Platz auf Schlussetappe der Olympia´s Tour

(rsn) - Für die Teams Lotto – Kern Haus – PSD Bank und Rembe – rad-net ist mit unterschiedlichen Gefühlen eine insgesamt erfolgreiche Olympia´s Tour zu Ende gegangen und Run & Race - Wibatech

31.03.2025Kooij erleidet Schlüsselbeinbruch bei Gent-Wevelgem

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat sich bei seinem Sturz 72 Kilometer vor dem Ziel bei Gent-Wevelgem (1.UWT) das Schlüsselbein gebrochen. Das bestätigte das niederländische Team vi

31.03.2025Haller fehlte ein halbes PS bei Pedersens Attacke

(rsn) – Durch die immer früheren Attacken der Favoriten bei den belgischen Frühjahresklassikern hat sich die Taktik, über die frühe Ausreißergruppe vor das Rennen zu kommen, in den letzten Jah

31.03.2025Dwars door Vlaanderen im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Dwars door Vlaanderen (1.UWT) ist eines der kürzesten flämischen Eintagesrennen des Frühjahrs. Im vergangenen Jahr etwa betrug die Distanz "nur" 183,7 Kilometer. Für die Fahrer ist das

30.03.2025Pedersen: “Erwartet das nicht immer von mir“

(rsn) – Es war schon eine sehr eindrucksvolle Show, die Mads Pedersen (Lidl – Trek) mit seiner 56 Kilometer langen Soloflucht beim 87. Gent-Wevelgem in Flanders Fields bot. Als wäre nichts weiter

30.03.2025Degenkolb: “Als Mads losfuhr, hatte keiner die Beine“

(rsn) – John Degenkolb (Picnic – PostNL) hat beim 87. Gent-Wevelgem (1.UWT) eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er trotz seiner 36 Jahrebei harten, langen Eintagesrennen immer noch mit der

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine