Verschiedene Szenarien für WM-Männerrennen

Kletterer gegen Allrounder vor der Haustür von „Le Lance“

Von WM-Korrespondent Felix Mattis aus Florenz

Foto zu dem Text "Kletterer gegen Allrounder vor der Haustür von „Le Lance“"
Die 16-Prozent-Rampe der Via Salviati. | Foto: ROTH

29.09.2013  |  (rsn) - Dass der WM-Kurs von Florenz der schwerste seit vielen Jahren sein würde, ahnten viele schon vor Monaten. Um das auszumachen, genügte ein Blick auf das Streckenprofil der 16,6 Kilometer langen Schlussrunde zwischen Nelson Mandela Forum und den Ausgrabungsstätten von Fiesole. Doch wie hart der Parcours in der Toskana wirklich ist, das wurde vielen erst bei der Besichtigung in der WM-Woche klar - oder eben auch nicht.

„Auf den Schlussrunden haben wir insgesamt 46 Kilometer Anstieg. Das ist schon extrem schwer“, fasste Fabian Wegmann beim Pressegespräch der deutschen Nationalmannschaft zusammen. Der dreifache Deutsche Meister aber war den Kurs zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht abgefahren - und ein Rennen dort hatte er auch noch nicht beobachten können. U23-Weltmeister Matej Mohoric hingegen relativierte die Befürchtungen der meisten nach seinem Regenbogen-Coup vom Freitag etwas:

„Wenn das Rennen der Profis ein bisschen wie unseres läuft - wir sind nicht die ganze Zeit voll gefahren - dann ist es nicht so hart, wie man auf dem Papier denkt. Der Fiesole-Anstieg ist nicht sehr steil, und auch wenn es dort insgesamt 40 Kilometer bergauf führt, spielt der Wind immer noch eine Rolle“, sagte der Slowene. Tatsächlich weht auf der recht exponierten Straße in Richtung Fiesole, die kurioserweise am „Ristorante Le Lance“ vorbeiführt, gerne mal der Wind - und bei den Besichtigungsfahrten, die Radsport News am Dienstag und Donnerstag mit dem Rad unternahm, kam der meist von hinten.

Aber auch die Rennen haben uns an den vergangenen zwei Tagen noch einiges gelehrt:

Zunächst einmal gab es in der Herangehensweise an die Strecke zwischen den Rennen der Juniorinnen, Junioren, Frauen und U23 bereits Unterschiede. Während beispielsweise die Espoirs zunächst zurückhaltender agierten, ging es bei den Frauen bereits auf der ersten Runde hinauf nach Fiesole richtig zur Sache. Es entwickelte sich jeweils am langen ersten Anstieg des Rundkurses ein gnadenloses Ausscheidungsfahren, in dem am Ende lediglich noch eine Achtergruppe übrig blieb, die auf der Schlussrunde schließlich den Sieg unter sich ausmachte.

Dieses Szenario sorgte dafür, dass nur die allerbesten Bergfahrerinnen am Ende noch dabei waren, um um die Medaillen zu kämpfen. Allerdings tat den Frauen die Steigung deutlich sichtbar und naturgemäß auch mehr weh als beispielsweise der U23. Bei den Espoirs hingegen blieb sehr lange eine große Gruppe beisammen, aus der heraus Mohoric schließlich attackierte, um zum Solo-Sieg zu stürmen. Hinter ihm sowie seinem Verfolger Louis Meintjes sprinteten immerhin noch 17 Mann um Bronze.

Im ganz ähnlich verlaufenen Junioren-Rennen waren es hinter Solist Mathieu van der Poel, der in ähnlicher Manier  wie Mohoric siegte, sogar 20 Fahrer, die im Sprint um Silber kämpfen konnten. Und selbst bei den Juniorinnen erreichte eine 19-köpfige Gruppe noch in guter Position die Zielgerade - allerdings ging es hier nur noch um den fünften Platz.

Dass eine größere Gruppe zumindest noch um eine Medaille kämpft, scheint auch am Sonntag also nicht so undenkbar, wie man noch vor drei Tagen angenommen hatte. „Wenn die Profis genau wie wir nicht die ganze Zeit Vollgas fahren, dann glaube ich, dass Leute wie Peter Sagan oder Fabian Cancellara bis zum Schluss dabei sein werden“, zog auch Mohoric ein Eingreifen der sprintstarken Fahrer in Betracht.

Gerade das U23-Rennen zeigte außerdem, dass in Florenz nicht nur die schweren Anstiege, sondern vor allem auch die langen Abfahrten enorm wichtig sind. Dort setzte sich Mohoric von Meintjes ab, und dort baute er auch seinen Vorsprung gegenüber der großen Gruppe aus.

„Die Abfahrt ist technisch und nicht super-schnell. Man muss gut um die Kurven fahren, um dort schnell zu sein“, erklärte Junioren-Weltmeister van der Poel nach seinem Sieg. Marcus Burghardt hatte in diese Richtung schon am Donnerstagabend eine Vorahnung: „Abstände zu reduzieren, ist für das Feld auf diesem Kurs nicht so einfach“, sagte er. Es gibt, abgesehen von den letzten zwei Kilometern, kaum ein Flachstück, und die technischen Abfahrten kommen auch eher kleinen Gruppen als einem größeren Feld entgegen.

„Wenn hier fünf Mann gehen, dann fahren die ganz geschmeidig die Abfahrt runter und man muss sich ganz schön anstrengen, um die wieder zurückzuholen“, so Burghardt weiter. Genau deshalb konnte sowohl bei den Juniorinnen und Junioren als auch bei der U23 jemand gewinnen, der schon vor der gefürchteten 16-Prozent-Rampe in der Via Salviati ausgerissen war - egal ob als Solist oder zunächst noch mit wenigen Begleitern.

Ein Angriff oder zumindest eine schmerzhafte Tempoverschärfung kurz vor Fiesole, wie sie van der Poel bei den Junioren lanciert hat, könnte auch bei den Männern Gold wert sein, wenn man es schafft, einige wenige Kontrahenten mit in die Abfahrt zu nehmen, um sich im flacheren Teil der Abfahrt hin zur Salviati-Rampe im Wind abwechseln zu können. Die Entscheidung aber dürfte dann trotzdem dort fallen, wo auch heute Marianne Vos im Frauen-Rennen ihre Konkurrenz abhängte.

Eine wichtige Rolle wird am Sonntag neben der Strecke allerdings auch das Wetter spielen. Regen ist angekündigt, und der verschiebt die Verhältnisse möglicherweise sogar noch einmal mehr in Richtung der Abfahrten. Schließlich ist die gesamte Strecke frisch asphaltiert worden - „wenn es da regnet, das weiß jeder, wird es glatt“, warnte Bundestrainer Jan Schaffrath.

Doch egal ob die Entscheidung am Berg oder in der Abfahrt, bei gutem Wetter oder im Regen fällt - der Gewinner des Regenbogentrikots von Florenz muss harte Arbeit verrichten. Denn 272 Kilometer Renndistanz, die längste seit Madrid 2005, wären selbst ohne die Anstiege keine leichte Aufgabe. „Das wird ein echtes Männerrennen morgen“, sagte John Degenkolb daher nicht zu Unrecht.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

02.10.2013WM: Auch dänisches Team Opfer von Fahrraddieben

(rsn) - Bei der Straßen-WM in Florenz haben Fahrraddiebe erneut zugeschlagen. Wie das dänische Team meldete, wurden ihm nach Ende der Titelkämpfe insgesamt 30 Rahmen und 50 Paar Laufräder gestohle

01.10.2013Polnisches Team kehrt ernüchtert von der WM zurück

(rsn) – Aus der Traum für die polnische Nationalmannschaft von einer Medaille bei den Straßenweltmeisterschaften in Florenz. Auf den Weg in die Toskana begaben sich die Polen mit insgesamt 29 Fahr

30.09.2013Bei den Attacken der Kletterer musste Gilbert passen

(rsn) – Obwohl er seit seinem WM-Triumph von Valkenburg fast ein Jahr ohne Sieg geblieben war, hätte Philippe Gilbert das Regenbogentrikot – auf dem ja bekanntlich ein Fluch lasten soll – nur z

30.09.2013Froome, Wiggins und Co. die große Enttäuschung im Straßenrennen

(rsn) - Als sich das Fahrerfeld bei der 80. Straßen-WM in Lucca in Bewegung setzte, um die 272 Kilometer in Richtung Ziellinie am Nelson Mandela Forum in Angriff zu nehmen, regnete es sprichwörtli

30.09.2013Denifl: Büroklammer verhinderte mögliche Top-Platzierung bei WM

(rsn) - Der Auftritt der Österreicher am Sonntag im WM-Straßenrennen war von vielen Stürzen überschattet. So kamen mit Riccardo Zoidl, der sich eine Adduktorenverletzung zuzog, Bernhard Eisel, Ste

30.09.2013Rodriguez und Valverde spielten ihr Spiel (fast) perfekt

(rsn) - Vor dem Straßenrennen der Weltmeisterschaften schaute alles auf Lokal-Matador Vincenzo Nibali. Der Italiener war der meistgenannte Favorit und musste mit riesigem Druck umgehen. Für Alejandr

30.09.2013Moster: „Eine Weltmeisterschaft mit Licht und Schatten“

(rsn) – „Licht und Schatten“ – so lautet die Bilanz des Bundes Deutscher Radfahrer nach dem letzten von zwölf Wettbewerben der Straßen-WM von Florenz. Der Freiburger Simon Geschke belegte i

29.09.2013Geschkes Ergebnis der Lohn für starke Teamleistung

(rsn) - Auch wenn der WM-Titel letztlich unter den Bergfahrern ausgemacht wurde und mit Dominik Nerz der stärkste Kletterer des Teams früh ausgeschieden war, konnte die deutsche Nationalmannschaft

29.09.2013Huzarski: 240 Kilometer im Dauerregen auf der Flucht

(rsn) - Im Grunde gibt es nur zwei Sorten von Rennfahrern. Die einen hassen es, im Regen zu fahren, den anderen sind die während des Rennens herrschenden Wetterbedingungen egal. Konstant rufen sie ih

29.09.2013Cancellara: „Das Resultat ist eigentlich fast sekundär"

(rsn) – Im WM-Straßenrennen von Florenz wurde es für Fabian Cancellara nichts mit der erhofften Medaille. Nach 272,5 schweren Kilometern von Lucca nach Florenz belegte der Schweizer, der im Zeitfa

29.09.2013Rui Costa zeigt beim Pokerspiel von Florenz die besten Nerven

Florenz (rsn/dpa) - Rui Costa war der große Profiteur des Pokerspiels der Favoriten in Florenz. Der 26 Jährige holte überraschend als erster Portugiese den WM-Titel auf der Straße und stürzt

29.09.2013Rui Costa wird als erster Portugiese Straßen-Weltmeister

(rsn) – Rui Costa hat für den ersten Sieg eines Portugiesen in einem WM-Straßenrennen gesorgt. Der 27-Jährige verwies am Sonntag in einem packenden Sprintduell nach 272 Kilometern von Lucca nach

Weitere Radsportnachrichten

29.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

28.04.2024Dorn in der Türkei am Berg und beim Zwischensprint der Stärkste

(rsn) - Vor allem für die Teams Bike Aid und rad-net - Oßwald verlief die zurückliegende Woche erfolgreich. Santic - Wibatech, MYVELO und Rembe Sauerland konnten gegen WorldTour-Konkurrenz zuminde

28.04.2024Famenne Classic: De Lie feiert seinen ersten Saisonsieg

(rsn) - Arnaud De Lie (Lotto - Dstny) hat bei der Famenne Ardeche Classic (1.1) seinen ersten Saisonsieg eingefahren. Der Belgier setzte sich nach hügeligen 195 Kilometern rund um Marche-en-Famenne

28.04.2024Lidl - Trek gewinnt trotz Stürzen Auftakt der Vuelta Femenina

(rsn) – Trotz eines Sturzes in der letzten Kurve hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Obwohl Ellen van Dijk und Eleanor Bac

28.04.2024Highlight-Video der 5. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat zum Abschluss der 77. Tour de Romandie (2.UWT) seinen zweiten Tagessieg eingefahren. Der Franzose entschied bei regnerischem Wetter die 5. E

28.04.2024Zangerle verpasst für sein Team nur knapp den Heimsieg

(rsn) –Lukas Kubis (Elkov – Kasper) hat in Österreich das 62. Kirschblütenrennen gewonnen, das erstmals als UCI-Rennen der Kategorie 1.2 ausgetragen wurde und zugleich der zweite Stopp der Road

28.04.2024Carlos Rodriguez feiert Gesamtsieg vor Vlasov und Lipowitz

(rsn) – Beinahe noch eine Spur deutlicher als auf der 1. Etappe ging es im Sprint der Schlussetappe der Tour de Romandie (2.UWT) zu. Der Sieger war dabei derselbe: Dorian Godon (Decathlon – AG2R L

28.04.2024Lechner lässt in Tschechien nichts mehr anbrennen

(rsn) – Am letzten Tag der Gracia-Rundfahrt (2.2) hat Corinna Lechner (Wheel Divas) nichts mehr anbrennen lassen und sich den Gesamtsieg der tschechischen Rundfahrt gesichert. Auf der 5. Etappe, di

28.04.2024Van den Broek gewinnt als erster Niederländer Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Wegen Regen und Wind musste die Schlussetappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) abgesagt werden. Frank van den Broeck (dsm-firmenich – PostNL) verteidigte so kampflos sein Führungstrikot

28.04.2024Lipowitz mit seiner Giro-Generalprobe mehr als happy

(rsn) – Auch wenn er im Vorjahr bei der Czech Tour die Gesamtwertung gewann, so ist die diesjährige Tour de Romandie als Durchbruch in der Karriere von Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) zu bewe

27.04.2024Reusser zurück im Feld und auf dem Weg zu Olympia

(rsn) - Knapp ein Monat ist seit dem schweren Sturz bei der Flandern-Rundfahrt vergangen, der für die 32-jährige Marlen Reusser (SD Worx - Protime) schwere Folgen hatte. Ober- und Unterkiefer, die

27.04.2024Huys saust im Zeitfahren allen davon

(rsn) – So schnell wie Tabea Huys (Maxx Solar Rose Women Racing) war noch nie eine Athletin auf dem 13,5 Kilometer langen Zeitfahrparcours der Gracia-Rundfahrt in der Tschechischen Republik. Seit 20

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)