Vuelta-Kolumne - Das Graue Trikot

Rebellin, der Revoluzer

Foto zu dem Text "Rebellin, der Revoluzer"

Davide Rebellin (Gerolsteiner)

Foto: ROTH

07.09.2008  |  Welch ein Debakel. Der bisherige Graue Leitwolf ist gleich bei der ersten Nagelprobe der diesjährigen Vuelta richtiggehend durchgereicht worden. Ete Zabel ist vom ersten Platz in der Ü35-Wertung auf den Sechsten abgerutscht. Neuer Mann in Grau ist - wen wundert's? - Tintin Rebellin.

Zugegeben, der Beleg für Etes späten tatsächlichen Wandel zum Allrounder hat ein wenig an Schlagkraft verloren. So stark wie erwartet war der alte Mann bei der ersten Bergprüfung dann doch nicht. Ohne den Finger in die Wunde legen zu wollen: Er war sogar erschreckend schwach. Fast eine halbe Stunde auf Alessandro Ballan zu verlieren - also bei der Flandern-Rundfahrt braucht sich Ete dann ab sofort nicht mehr blicken zu lassen. Da dürfte auch jede Bordsteinkante bei Paris-Roubaix zu steil für ihn sein.

Nun hat der Alessandro ja etwas Vorsprung mit in den Berg genommen. Aber trotzdem: Auch auf den grauen Tagessieger, Tintin Rebellin, hat Zabel 26 Minuten und eine Sekunde verloren. Hoffentlich lädt der BDR ihn wieder von der WM aus. Dort könnte er nämlich von den Italienern überrundet werden.

Spaß beiseite. Ich glaube, dass Tintins heutige Leistungsexplosion von Wehmut erzeugt war. Ganz am Anfang seiner Karriere ließ Rebellin mal aufblitzen, dass er ein künftiger Rundfahrt-Star werden könnte. Platz sechs und sieben bei Giro und Vuelta des Jahres 96 ließen Podestplatzierungen bei weiteren Austragungen erwarten. Dazu kam es dann nie. Gut, Siege bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, Flêche Wallone, Amstel Gold Race, Paris-Nizza, Clasica San Sebastian undundund sind ja nun kein Grund zum Schämen.

Aber irgendwie scheint der Davide auf seine alten Tage mit Magengrimmen daran zu denken, dass auch er die Möglichkeiten hatte, mal einen Giro zu gewinnen. Selbst Danilo di Luca hat das ja geschafft. Oder früher der (am Berg) eher behäbige Francesco Moser. Nur Leichtgewicht Tintin kam nie auch nur in die Nähe der obersten Stufe des Giro-Podests. Und nun, zum Ende seiner Karriere hin, will Tintin noch mal zeigen, was auch im Hochgebirge in ihm steckt. Oder gesteckt hätte. Da er für den Vuelta-Sieg womöglich dann doch zu alt ist, will das Gerolsteiner Vulkan-Gestein nun zumindest das Graue Trikot mit nach Hause nehmen.

Ich habe mich ein bisschen schlau gemacht, um nachvollziehen zu können, wie Rebellin diese Revolution in der Ü35-Wertung bewerkstelligt hat. Denn eines sticht ins Auge: Früher hieß es immer, Tintin sei zu dürre, um bei kalter Witterung schnell fahren zu können. Heute war ein Hundewetter, Rebellin kletterte dennoch ganz vorn 'rum. Die Lösung liegt auf der Hand. Tintin ist in die Jahre gekommen. Wie jeden Senior zwickt es ihn hier und da an Kreuz, Nacken, Knie, Schulter und sonst wo. Irgendwann kam er auf die Idee, Rheumasalbe auszuprobieren. Und da er der Meinung ist, viel helfe viel, trug er richtig dick auf. Beim nächsten Regenrennen wurde ihm dann warm ums Kreuz.

Was lag also näher, als die Creme flächendeckend einzusetzen? Und schon klappte es auch bei Eiseskälte mit dem Schnellfahren. Einziger Nachteil: Tintin schleppt die Rheumasalbe jetzt gleich kistenweise mit sich 'rum. Und kritische Beobachter sollen Ete Zabel ab und zu in der Nähe der Gerolsteiner-Mannschaftswagen beobachtet haben. Prompt kam es zum Eklat. Angeblich soll Ete versucht haben, einen Karton mit schwarzer Schuhcreme unterzuschummeln. Tja, was tut man nicht alles für ein Graues Trikot ...

SN-Wertung Gra

Graues Trikot:

1. Tintin Rebellin 2. Inigo Cuesta + 1:46 3. Chechu Rubiera + 6:27 4. Jose-Luis Arrieta + 25:49 5. Michi Blaudzun + 26:03 6. Ete Zabel + 26:36 7. Bingen Fernandez + 37:09 8. Txente Garcia Acosta + 46:47 9. Gorazd Stangelj + 54:05 Etappensiege "Grau": Tintin (3), Ete (2), Blaudzun (1)

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