RSNplusRSN-Rangliste, Platz 66: John Degenkolb

Lange Reha statt einem weiteren Roubaix-Highlight

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "Lange Reha statt einem weiteren Roubaix-Highlight"
John Degenkolb (Picnic - PostNL) | Foto: Cor Vos

13.11.2025  |  (rsn) – John Degenkolbs Saison war durch den schweren Sturz bei der Flandern-Rundfahrt gezeichnet. Die komplette rechte Stützseite von der Hand bis hoch zur Schulter war mehrfach gebrochen. Trotz einer viereinhalbmonatigen Wettkampfpause kam der Routinier von Picnic - PostNL noch auf 47 Renntage. Und er arbeitet im Winter weiter daran, Hand und Arm für die Pflastersteinerschütterungen bei Paris-Roubaix 2026 wieder wettkampfresistent zu bekommen.

Gleich nach dem wohlverdienten Urlaub nach Saisonabschluss fand Degenkolb Zeit für ein Interview mit RSN. "Soweit ist alles gut. Es war auch eine schöne Pause. Am Ende habe ich doch noch viele Renntage eingesammelt und war deswegen froh, dass die Saison Mitte Oktober endlich vorbei war", meinte der 36-Jährige. Die Unterbrechung nutzte er auch zu einem Reset des Körpers. Der war durch den Sturz bei der Flandern-Rundfahrt im April schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. "Der Sturz war schon enorm krass", sagte Degenkolb selbst. 

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In seiner langen Karriere sei er noch nie so hart zu Boden gegangen, betonte er. "Schon im ersten Moment war klar, okay, da geht wirklich nicht mehr viel", erinnerte er sich an den unmittelbaren Moment. Die ganze Tragweite der Verletzungen war da aber noch gar nicht zu überblicken, ihm selbst nicht, und auch nicht den Ärzten. "Auch die haben das am Anfang ein bisschen optimistischer eingeschätzt, bis dann deutlich wurde, was alles kaputt ist und wie lange das braucht, um zu heilen", bilanzierte Degenkolb.

Noch immer Probleme am verletzten Arm

Auch neun Monate nach dem Sturz beschäftigten ihn die Folgen noch immer: "Ich habe nach wie vor ein paar Probleme, was das Handgelenk und den rechten Arm anbelangt und bin da nach wie vor am Arbeiten, um wieder auf ein normales Niveau zu kommen. Das ist aktuell noch nicht der Fall und dementsprechend hoffe ich, dass es im Winter noch besser wird."

Auf der anderen Seite hat Degenkolb auch Glück gehabt. Denn wenn er mit den Ärzten im Krankenhaus spreche, die sonst seltener Leistungssportler behandeln, dann grenze es deren Meinung nach an ein Wunder, dass er nach so einer kurzen Zeit schon wieder Fahrrad fahren konnte. Bei Patienten mit einer konventionellen Reha hätte all das wohl viel länger gedauert.

Allerdings steckte Degenkolb auch viel Zeit und Energie in die Reha. Muße, sich neue Hobbys zuzulegen, hatte er in diesen viereinhalb Monaten nicht, versicherte er: "Wenn man sich den Tagesablauf in der Reha anschaut, dann ist das rein von den Stunden und vom Aufwand her sogar mehr als das, was ich normalerweise machen würde." Zu Reha und Therapie kamen recht schnell bis zu vier Stunden täglich auf der Rolle.

Unterstützung des Sohnes statt eigene Rennen

Ein bisschen Luft blieb aber doch noch. Weil der ganze Logistikstress mit Reisen zu Rennen wegfiel, blieb mehr Zeit für die Familie, was der Radprofi auch genoss. "Mein Sohn hat ja jetzt mit den Rennen begonnen, und ich hatte die Möglichkeit, ihn bei dem einen oder anderen Rennen zu begleiten und zu unterstützen. Das waren dann in dieser schweren Zeit eben auch die tollen Momente, die man mit der Familie und den Kindern verbringen konnte."

John Degenkolb stürzte bei der Flandernrundfahrt - eine Woche vor dem Saisonhöhepunkt Paris-Roubaix - schwer. | Foto: Cor Vos

Dass Degenkolb dann ausgerechnet bei der Deutschland Tour selbst in den Wettkampfbetrieb zurückkehren konnte, war rückblickend eine glückliche Fügung. "Das war vom Timing her die Traumvorstellung", meinte er. Die Balance aus sich Zeit nehmen, um die Verletzungen auszuheilen, aber eben auch nicht zu lange zu warten, sei geglückt, bilanzierte er. "Ich habe nicht zu viel Zeit verloren. So blieb dann auch noch ein anständiger Teil Restsaison übrig."

Die fuhr er dann in seiner mittlerweile angestammten Rolle als Road Captain beim niederländischen Team Picnic - PostNL. Juckte es ihn vielleicht noch bei Paris-Tours, dem Herbstklassiker, den er vor mittlerweile zwölf Jahren schon mal gewinnen konnte? Jucken vielleicht, aber die Umstände sprachen gegen Siegambitionen. "Ich war da nicht hundertprozentig fit, war ein bisschen gesundheitlich angeschlagen in der in der Woche vorher. Es ging nicht darum, dort auf Sieg zu fahren", sagte er. 

Wichtiger wäre ohnehin, "überhaupt wieder auf ein stabiles Formniveau zu kommen und mit diesem Niveau in die Winterpause zu gehen, um dann einen neuen Aufbau für das nächste Jahr hinzubekommen."

Erstmals ohne Top 10-Ergebnis in der Saison

Degenkolb störte es dabei auch nicht, dass er erstmals in seiner langen Karriere in dieser Saison nicht ein einziges Mal unter die Top 10 kam. Seit er 2006 bei der Juniorenausgabe der traditionsreichen Friedensfahrt Vierter und Achter auf den Etappen und Zweiter der Nachwuchswertung – vor einem gewissen Rafal Majka übrigens – wurde, gab es ziemlich regelmäßig Siege und stets auch Top 10-Ergebnisse.

In der abgelaufenen Saison war allerdings ein elfter Rang bei Gent – Wevelgem das Beste. "Ich mache mich nicht heiß mit diesen Zahlen. Natürlich wäre es schön, wenn da auch wieder ein Top-Ten-Ergebnis herumgekommen wäre. Aber dieser Vorfall bei der Flandern-Rundfahrt war so gravierend, dass es andere Sachen gibt, auf die man sich fokussieren sollte. Es ist ohnehin so, dass sich meine Rolle innerhalb der Mannschaft in den vergangenen Jahren enorm verändert hat und deshalb die Ergebnisse nicht mehr das Gleiche widerspiegeln wie in den Anfangsjahren", erklärte Degenkolb.

Die Rolle als Road Captain nimmt er gerne an und kann daraus "genauso viel Freude und Motivation schöpfen" wie früher aus den Siegen und Podiumsplätzen.

Ganz auf dem Kampf um Siege und Platzierungen will er aber nicht verzichten. Schon in diesem Frühjahr, vor seinem Sturz auf Flanderns Straßen, war er heiß auf sein Lieblingsrennen Paris-Roubaix. "Da war ich definitiv auf einem superstabilen Niveau. Die Werte, die ich da fahren konnte, haben eigentlich daraufhin gezeigt, dass ich bei Roubaix auf jeden Fall wettbewerbsfähig gewesen wäre und dort im Rennen auch eine Rolle hätte spielen können. Umso ärgerlicher war es, dass dieser Traum dann so geplatzt ist", sagte er.

Ziel: Konkurrenzfähig bei Paris-Roubaix 2026

Im nächsten Jahr will Degenkolb genau daran anknüpfen. "Das Ziel ist, wieder so in Form zu kommen, dass ich dann genauso leistungsfähig bin wie vor dem Sturz bei der Flandern-Rundfahrt", blickte der Roubaix-Sieger von 2015 auf das Jahr 2026. "Ich möchte glänzen bei meinem Lieblingsrennen“, sagte er klipp und klar. Ein weiteres Ziel ist eine Teilnahme bei der Tour de France als Road Captain des Teams.

Der Weg bis dahin ist weit und nicht einfach, das weiß Degenkolb auch. Noch immer stecken einige Schrauben von den Operationen in seinem Körper. "Eine haben wir jetzt rausgenommen. Nun müssen wir schauen, wie lang der der Rest noch drinbleiben soll. Das steht gerade noch ein bisschen in den Sternen." Neben dem reinen Radtraining wird es weiter Spezialtraining für die rechte Seite geben, um für die Vibrationen auf dem Kopfsteinpflaster gut gerüstet zu sein.

Umjubeltes Comeback: John Degenkolb bei der Deutschland Tour in Essen. | Foto: Cor Vos

Ein unmittelbares Karriereende sieht Degenkolb für sich noch nicht. Ein paar Gedanken an ein schönes Abschiedsrennen – vielleicht so, wie es dem ein paar Monate jüngeren Teamkollegen Romain Bardet in diesem Jahr bei der Dauphiné gelang – schwirren aber schon durch den Kopf des Frankfurters. "Das ist aber nichts, worüber ich jetzt schon sprechen kann", schränkte er ein, und betonte: "Auf jeden Fall will ich die vor uns liegende Saison komplett zu Ende fahren. Dann schauen wir weiter, was danach passiert."

Von der Tour de Muhr zur Tour de France

Dem Radsport selbst ist Degenkolb trotz aller Einschnitte und Leiden vor allem dankbar: "Ich habe in keiner Weise das Gefühl, dass der Radsport mir irgendwas genommen hat. Er hat mir unfassbar viel gegeben und ich bin nach wie vor unbeschreiblich glücklich, dass ich den Weg gehen konnte, den ich den ich gegangen bin und dass es so viele Menschen gab, die mich auf diesem Weg unterstützt haben. Ich wache ich jeden Morgen auf und merke, ich lebe im Grunde genommen meinen Traum", sagte er.

Gern denkt Degenkolb auch an sein allererstes Rennen zurück. "1997 war das, die Tour de Muhr, ein kleines Kriterium im Mittelfränkischen. Da habe ich direkt einen Sieg eingefahren und einen großen Pokal mit nach Hause genommen. In dem Moment war ich natürlich noch meilenweit davon entfernt, auch nur den Traum zu haben, das irgendwann zu meinem Beruf zu machen. Aber von da an ging es Schritt für Schritt weiter."

Nach der aktiven Karriere will Degenkolb auch wieder zurück in den Radsport für den Nachwuchs. Bis dahin will er aber noch viele Wettkampfkilometer absolvieren und gern auf dem Pavé glänzen.

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