Trotz starker erster Tour-de-France-Woche

Lipowitz: “Ich würde mich als Edelhelfer bezeichnen“

Von Joachim Logisch aus Toulouse

Foto zu dem Text "Lipowitz: “Ich würde mich als Edelhelfer bezeichnen“"
Florian Lipowitz (Red Bull - Bora - hansgrohe) | Foto: Cor Vos

15.07.2025  |  (rsn) - Am ersten Ruhetag der Tour de France freut sich Florian Lipowitz nach einer kleinen, zweistündigen Ausfahrt mit kurzen Belastungen, damit der Körper im Modus bleibt, auf ein kurzes Mittagsschläfchen und den Besuch seiner Eltern. 

Vorher setzte sich der Red-Bull-Profi zu einer Gesprächsrunde mit den Medien zusammen. Dabei zeigte sich Lipowitz locker und gelöst, die Belastungen der ersten zehn Tage seiner ersten Tour de France waren ihm nicht anzumerken.

Lipowitz zu…

seinem Start in seine erste Tour de France:
"Auf den ersten Etappen habe ich mich nicht ganz so gut gefühlt und habe auch ein bisschen an mir gezweifelt. Die Vorbereitung war supergut. Ich war aber nach der Dauphiné vielleicht nicht körperlich, aber mental ein bisschen am Limit. Dann ist es schwer, wenn der Körper ein bisschen abschaltet, wieder in das Training zu finden, wieder in den Wettkampfmodus zu kommen. Ich habe einfach die ersten zwei, drei Tage gebraucht, bis der Körper wieder ein bisschen anspringt und bereit für die Rennen ist. Aber jetzt hat sich gezeigt, dass die Form gut ist. Ich bin nun mehr als happy, vorne mit dabei zu sein. Aber ich freue mich auch heute auf den Ruhetag. Zehn Tage am Stück sind schon heftig.

den Unterschieden zwischen der Tour und anderen Rennen:
"Zum einen sind natürlich sehr viele Medien da. Die Aufmerksamkeit ist superhoch, auch von den Fans. Ich habe noch nie so viele Zuschauer an der Strecke gesehen. Man fährt teilweise 200 Kilometer und es gibt fast keinen Teil, wo kein Zuschauer steht. Das ist natürlich schon was besonderes. …Man merkt, dass jeder Fahrer noch mal mehr motiviert ist, vielleicht auch mehr Risiko nimmt und ich glaube, dass überfordert einen schon am Anfang. Das gibt aber auch noch mal extra Motivation. Das spürt man auch im Feld. Ich glaube, jeder will sich hier zeigen und beweisen. Man riskiert mehr, um so stressiger und hektischer werden die Rennen. Es sind ja auch leider schon viele Stürze passiert. Ich hoffe, dass es den meisten gut geht. Sehr schade auch, dass Zimmermann aussteigen musste. Wir als Team können froh sein, dass wir bis jetzt gut durch die erste Woche gekommen sind.

… seinen eigenen Ambitionen:
"Mein Hauptziel bleibt, in Paris anzukommen. Es sind noch immer elf Tage, da kann noch viel passieren. Ich bin froh, dass die Beine gut sind. Ich hoffe, dass ich Primoz (Roglic) in den Bergen unterstützen kann, dass wir da ein gutes Zweierteam bilden. Mit Alex (Vlasov) haben wir ja noch jemanden, der richtig gut in den Bergen fahren kann. Auch Gianni (Moscon) und Laurence (Pithie) haben gestern gezeigt, dass sie lange mithalten können. Deshalb sind war auch gut aufgestellt.

… der Frage Edelhelfer oder Co-Kapitän:
"Ich würde mich als Edelhelfer bezeichnen. Die Rollenverteilung ist ganz klar. Wir müssen von Tag zu Tag schauen. Primoz hat gezeigt, dass es ihm von Tag zu Tag besser geht. Die längeren Berge liegen ihm, da werde ich versuchen, ihn so gut wie möglich zu unterstützen."

… den Chancen auf einnen Etappensieg: 
"Das muss sich erst mal zeigen. Das wird von Tag zu Tag entschieden. Ich habe mir jetzt noch keine Etappe ausgesucht. Aber mit dreieinhalb Minuten Rückstand im Gesamtklassement gibt es vielleicht schon mal die Chance, dass man was mit einer Gruppe versuchen kann. Aber das muss im Team diskutiert werden. Wir haben noch nicht darüber geredet und natürlich muss man das auch mit Primoz absprechen, was die beste Möglichkeit für unser Team wäre und für das, was wir vorhaben, nämlich Primoz am Ende auf dem Podium in Paris zu sehen. Da wollen wir nichts riskieren. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, dann versuche ich es natürlich. Bis dahin ist die Rollenverteilung so, und ich bin auch mehr als zufrieden damit. Das ist meine erste Tour. Einfach nur nach Paris kommen, ist da schon Erfolg genug.

… seinem Verhältnis zu Primoz Roglicg:
"Es ist mein sechstes Jahr überhaupt im Radsport. Zweieinhalb Jahre davon in dem Team. Wenn ich da sagen würde, ich weiß schon viel, dann wäre das, ja…. Ich kann noch viel lernen von einem Fahrer wir Roglic. Er hat schon so viel gewonnen. Da hat er natürlich den einen oder anderen Tipp. Und ja, ich glaube, wir kommen ganz gut miteinander aus. Wir kommen beide vom Wintersport. Das verbindet vielleicht auch ein bisschen. Das passt ganz gut.

… zu den bevorstehen Etappen in den Pyrenäen:
"Wir haben jetzt super harte Bergetappen vor uns. Ehrlich gesagt, habe ich die Etappen (im Roadbook) nur überflogen. Ich habe sie noch nicht so studiert, aber ich freue mich auf jeden Fall drauf. Ich hoffe, die Beine bleiben jetzt auch nach dem Ruhetag so, dann bin ich sehr optimistisch.

… der Frage, welche Anstiege er schon kennt:
"Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, bin ich mit meinem Vater mit dem Rad durch die Pyrenäen gefahren. Meine Mama hat uns mit dem Camper begleitet. Hautacam (die Zielankunft am Donnerstag, d. Red.) sind wir nicht gefahren, aber sonst die ganzen berühmten Pyrenäenpässe,

… der Frage was er bei der Tour lernt:
"Wir haben super erfahrene Fahrer mit Primoz und auch Danny (van Poppel), und Jordi (Meeus). Die geben mir Tipps, wie man sich am besten im Feld bewegt. Es sind so generelle Sachen, von denen man einfach hier und da was mitnimmt. Wir ergänzen uns als Team auch supergut. Aber ich kann jetzt nicht sagen, es gab genau den einen wichtigen Satz."

… der Schwierigkeit, sich im Peloton zu bewegen:
"Wenn ich ehrlich bin, gehört da auch ab und zu einfach Glück dazu. Wenn man Pech hat und zur falschen Zeit am falschen Ort, kann man nicht viel machen. Ich glaube, da gehört einfach auch viel Glück dazu"

… seinen Fähigkeiten im Bergzeitfahren am Freitag :
"Ich glaube, mir liegen mehr längere Etappen, die super hart gefahren werden Aber ich habe im letzten Zeitfahren gezeigt, dass ich das auch gut kann. Ich bin optimistisch, dass es ganz gut wird.

… dem Kampf um den Toursieg:
"Jeder geht davon aus, dass die Tour zwischen Pogacar und Vingegaard entschieden wird. Ich glaube, da lässt man die beiden bei ihrem Vorhaben und fokussiert sich eher auf Platz 3 am Ende. Es ist schon brutal, was die Zwei da machen. Es ist aber auch schön, im Fernsehen zu sehen, dass es da einen Kampf zwischen zwei Fahrern gibt. Aber wir als Team müssen uns einfach auf uns fokussieren, unsere Stärken dann in den langen Bergen ausspielen und einfach um den dritten Platz kämpfen."

…dem Punkt, dass Sportchef Aldag ihn etwas zügeln muss:
"Klar, unerfahren bin ich auf jeden Fall. Aber ich bin einfach vom Fahrertyp jemand, der lieber mal was probiert, auch wenn es vielleicht unnötig ist und ich mal unnötig Energie verschwende. Einfach zu warten, bis Jonas und Pogacar was machen, um dann zu versuchen, hinterherzufahren, was schließlich auf Platz 5 oder 10 im Ziel endet, liegt mir nicht. Ich bin schon jemand, der lieber mal was riskiert und dann vielleicht auch mal verliert. Lieber ist mir, man hat mal was probiert.

… zu dem Gefühl, wie es ist, wenn Pogacar und Vingegaard plötzlich beschleunigen:
"Die beiden sind einfach in einer anderen Liga. Viele Gedanken darüber zu verschwenden, was die zwei da machen, hilft keinem weiter. Wir müssen uns eher auf Fahrer wie Remco (Evenepoel), Oscar Only und die weiteren Fahrer, die um den dritten Platz kämpfen, konzentrieren.

…den Eigenschaften, die er gerne von Pogacar und Vingegaard hätte: Wahrscheinlich von Pogacar die Spritzigkeit und Schnelligkeit und von Jonas wahrscheinlich den Ehrgeiz und das Durchhaltevermögen. Spritzigkeit, kann man auf jeden Fall bis zu einem gewissen Grad trainieren. Als ich zum Team kam, war ich weit entfernt von dem, was ich jetzt in Sprints oder zwei, drei Minuten lang leisten kann. Aber ich glaube auch, dass es in einer gewissen Weise genetisch vorgegeben ist und man das Beste daraus machen muss

… der Erwartungshaltung der Fans nach seinem dritten Gesamtplatz beim Dauphinè:
"Ich spüre, dass Erwartungen da sind. Ich versuche, das so gut wie möglich auszublenden. Ich kann nicht mehr geben als mein Bestes. Es ist aber auch schön zu sehen, dass man irgendwie etwas für den deutschen Radsport machen kann. Wenn man andere begeistern kann, sich aufs Rad zu setzen, gehört das auch irgendwo zu den Aufgaben von uns Profis. Klar ist das was Schönes. Aber man macht sich natürlich dann auch selber mehr Druck und will sich beweisen, dass man da mitfahren kann.

… der Frage, was er am ersten Ruhetag unternimmt:
"Wir gehen nachher so anderthalb bis zwei Stunden Radfahren. Ganz gemütlich, aber ich denke, dass ich noch ein paar kleine Belastungen mache, nur damit der Körper nicht komplett runterfällt. Dann steht Mittagessen an. Danach gehe ich aufs Zimmer und habe Zeit für mich, mache vielleicht noch einen kleinen Powernap bis meine Eltern kommen. So geht der Tag, glaube ich, schneller vorbei als man denkt."

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