RSNplusNach Pantani in Oropa nun auf Merckx´ Spuren

Pogacar stellt wie im kindlichen Spiel historische Episoden nach

Von Tom Mustroph aus Fossano

Foto zu dem Text "Pogacar stellt wie im kindlichen Spiel historische Episoden nach"
Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) ließ es sich nicht nehmen, auch auf dem Weg zur Sprintankunft in Fossano seine Muskeln spielen zu lassen. | Foto: Cor Vos

06.05.2024  |  (rsn) - Tadej Pogacar kopiert beim 107. Giro d'Italia große Szenen der Vergangenheit. Das qualifiziert ihn für den Radsport-Oscar. Das Rosa Trikot könnte er mit zu viel Spielerei aber auch riskieren.

Am Sonntag (fast) wie Pantani, am Montag dann im Stile von Eddy Merckx: Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) stellt bei diesem Giro d’Italia bewusst oder unbewusst historische Radsportepisoden nach. Bejahrte Radsportenthusiasten erinnern sich vielleicht an die 1. Etappe des Giro d’Italia 1968. Die endete damals in Novara, dem Startort der 3. Etappe dieses Giro. Eddy Merckx gewann sie im Kannibalenstil. Zwei Kilometer vor dem Ziel schnellte er aus dem Peloton heraus. Er riss zur Verblüffung der Konkurrenz eine Lücke. Und so sehr die anderen auch Kraft in die Pedale legten, um den erwarteten Massensprint bestreiten zu können – Merckx rettete sechs Sekunden Vorsprung ins Ziel und eroberte Rosa.

Ob Pogacar, gut drei Jahrzehnte nach diesen Ereignissen geboren, davon Kenntnis hatte, konnte radsport-news.com nicht in Erfahrung bringen. Zu schnell war der Slowene am Montag nach dem Rennen unter der Dusche. Immerhin aber war zu erfahren, dass sein Vorstoß in Fossano eher Frucht von Zufall und ein bisschen auch Ergebnis von Aufmerksamkeit war. ___STEADY_PAYWALL___

"Ich habe nicht angegriffen, sondern bin nur gefolgt"

"Ich hatte gar nicht vorgehabt, auf diese Art die Etappe zu gewinnen. Und ich habe auch nicht angegriffen, sondern bin gefolgt. Ich war einfach gut vorn positioniert. Als Honoré am letzten kleinen Anstieg attackierte, war ich genau an seinem Hinterrad. Wir hatten dann schnell eine Lücke. Und als (Geraint) Thomas aufschloss, dachte ich, gut, machen wir einfach weiter. Es ist immer besser vorn zu sein als im Feld, wo es schnell chaotisch werden kann", sagte er. Weil Thomas (Ineos Grenadiers) auch selbst eine Ablösung fuhr, fühlte sich Pogacar darin bestärkt, weiter die Dampflok zu spielen.

Tadej Pogacar auf dem Podium im Rosa Trikot. | Foto: Cor Vos

Dem Waliser Thomas war die Sache nicht ganz geheuer, als Pogacar in der Steigung knapp vier Kilometer vor dem Ziel hinter Honoré hersprang. "Ich habe Honoré gehen sehen und dann Pog. Da dachte ich, ich sollte vielleicht auch mitgehen. Aber es war hart. Ich habe ihm gesagt, dass ich ziemlich müde bin, nur eben in weniger Worten, und habe versucht, sein Rad zu halten. Einmal bin ich auch eine Ablösung gefahren. Aber es war wirklich hart. Und ich wusste auch, dass die anderen kommen würden, vor allem angesichts dessen, wie ich mich fühlte und dass ich nicht wirklich etwas beitragen konnte“, schilderte Thomas die letzten Kilometer aus seiner Sicht.

"Habe nie wirklich geglaubt, dass es reichen könnte"

Auch Pogacar war nicht sonderlich überzeugt vom Erfolg der Aktion. "Ich habe eigentlich nie wirklich geglaubt, dass es reichen könnte. Dann hat ‘G‘ aber auch mitgearbeitet. Das hat mich überrascht, Respekt dafür! Ich habe dann versucht durchzuziehen, aber 400 Meter vor dem Ziel war der Weg immer noch viel zu weit", sagte er. 300 Meter vor Schluss spurteten die Sprinter noch an Thomas und Pogacar vorbei, so dass Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) die Etappe gewann.

Im kurzen Anstieg hinauf zur 3.000-Meter-Marke am Ende der 3. Etappe folgte Pogacar (rechts) Mikkel Honoré (EF Education – EasyPost, links) und auch Geraint Thomas (Ineos Grenadiers, ganz links hinten) setzte nach. | Foto: Cor Vos

Darin unterscheidet er sich also von Merckx. Der alte Belgier initiierte derartige Attacken nicht, um etwas mehr Ruhe zu haben oder weil er gerade mal mit vorne war. Er wollte sie, ganz kannibalen-like, auch siegreich zu Ende bringen. Pogacar dagegen scheint es eher aus Lust und Laune, regelrecht zum Spaß zu tun und so auf dem Papier eher spektakelarme Etappen zu beleben. Das tut dem Radsport gut. Und selbst glaubt er auch nicht, dass er übertreibt:

"So viel extra Kraft hat das nicht gekostet“, meinte er. "Ich hatte gute Beine. Dieses Terrain ist gut für mich und dieses Spiel, das man damals als Kids schon gespielt hat, wenn man sich gegenseitig im Flachen und an kurzen Steigungen attackiert hat, das liegt mir."

"Ich bin auf bezahltem Urlaub, seit sechs Tagen schon"

Als er auf der Pressekonferenz nach der Etappe dann gefragt wurde, ob er nicht Angst habe, dass ihn allzu viel Aktionismus im Verlauf des Giro oder auch in Richtung der im Sommer noch anstehenden Tour de France teuer zu stehen kommen könnte, antwortete der 25-Jährige mit einem Scherz: "Bis jetzt habe ich keinen Euro ausgegeben. Ich bin auf bezahltem Urlaub, seit sechs Tagen schon. Ich habe kein Geld ausgegeben."

Tadej Pogacar hat bei seinem Giro-Debüt bislang offenbar viel Spaß. | Foto: Cor Vos

Gewarnt sein sollte er allerdings von den Erfahrungen der letzten Tour de France. Da schien Pogacar in der ersten Woche auch übermächtig, hielt auf den knackigen Hügeletappen im Baskenland munter in die Sprints mit rein. Am Ende zermürbte ihn Jumbo – Visma. Die sind jetzt nur in einer C-Besetzung beim Giro dabei. Aber die Schlauheit von Thomas und die Beinkraft von Team Ineos Grenadiers sollte er nicht unterschätzen.

Spielereien wie jetzt auf der 3. Etappe sind fantastisch für Fans und Fernsehen. Rundfahrten gewinnt man mit zu viel Übermut aber oft nicht. Und um Pogacar weiter mehr zu menschlichen Dimensionen zu verhelfen, sei erinnert: Merckx war bei seinem Novara-Coup noch keine 23 Jahre alt. Er trug damals aber schon das Regenbogentrikot des Weltmeisters. Bei den Vergleichen von Pogacar mit den Großen der Vergangenheit werden schon Unterschiede sichtbar. Tolle Spektakel sind es trotzdem.

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.06.2024Kanter “super motiviert“, Fragezeichen hinter der Form

(rsn) – Sein Giro-Debüt musste Max Kanter bereits nach der 9. Etappe beenden. Der Sprinter von Astana Qazaqstan musste wie zahlreiche weitere Profis auch wegen eines grippalen Infekts das Rennen au

28.05.2024Gianetti: “Jetzt sind wir bereit für die Tour de France“

(rsn) – Den ersten Teil seines großen Plans, als erster Fahrer nach Marco Pantani 1998 im Lauf einer Saison das Double aus dem Giro d’Italia und der Tour de France zu gewinnen und damit ein weite

28.05.2024Grande Partenza 2026 in Albanien?

(rsn) – Kurz nach dem Finale des 107. Giro d’Italia, der am Sonntag in Rom mit dem überlegenen Gesamtsieg von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) endete, kursieren bereits zahlreiche Berichte über

27.05.2024Martinez macht beim Giro einen Kindheitstraum wahr

(rsn) - Trotz eines fünften Platzes beim Giro d’Italia 2021 galt Daniel Martinez bisher eher als Mann für einwöchige Rundfahrten. Mit seinem zweiten Rang bei der 107. Italien-Rundfahrt hat der Ne

27.05.2024O´Connor zeigte beim Giro große Grand-Tour-Klasse

(rsn) – Viele Jahre galt Ben O´Connor (Decathlon AG2R La Mondiale) als Rohdiamant im Hinblick auf dreiwöchige Landesrundfahrten. Nach vielversprechenden Leistungen aber gelang es ihm bislang nur s

27.05.2024Bora-Teamchef Denk bestätigt Abschied von Buchmann

(rsn) – Nach den Verwerfungen im Zusammenhang mit der Giro-Ausbootung von Bora – hansgrohe war bereits über einen bevorstehenden Abschied von Emanuel Buchmann berichtet worden. Nun bestätigte Te

27.05.2024Giro-Debütant Steinhauser: “Grand Tours sind was für mich“

(rsn) – Mit einem Etappensieg und zwei dritten Plätzen kehrt Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) von seinem Grand-Tour-Debüt zurück. Der 22-jährige Allgäuer gehörte zu den großen Ü

27.05.2024Giro-Entdeckung Pellizzari auf dem Weg zu Bora - hansgrohe

(rsn) – Neben Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) war er die Entdeckung dieses Giro d´Italia: Giulio Pellizzari (VF Group – Bardiani CSF). Der 20-jährige Italiener aus den Marken fuhr

26.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 21. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

26.05.2024Highlight-Video der 21. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Mit einem spektakulären Sprintfinale ist der 107. Giro d’Italia in Rom zu Ende gegangen. Nach 125 Kilometern durch die italienische Hauptstadt holte sich Tim Merlier (Soudal - Quick Step)

26.05.2024Pogacar: “Das Rosa Trikot ist eine verrückte Erfahrung“

(rsn) – Mit einem spektakulären Sprintfinale ist der 107. Giro d’Italia in Rom zu Ende gegangen. Nach 125 Kilometern durch die italienische Hauptstadt holte sich Tim Merlier (Soudal - Quick Step)

26.05.2024Merlier holt sich in Rom vor Milan seinen dritten Etappensieg

(rsn) – Der schnellste Sprint-Gladiator auf der Schlussetappe des 107. Giro d´Italia war Tim Merlier (Soudal – Quick Step). Der Belgier verwies nach 125 Kilometern in Rom auf der Zielgeraden am K

Weitere Radsportnachrichten

30.12.2024Jetzt wieder Brand: 35-Jährige gewinnt Nacht-Cross in Diegem

(rsn) – Lucinda Brand (Baloise Trek Lions) hat den sechsten Lauf der Superprestige-Serie im Brüsseler Vorort Diegem gewonnen. Der Nachtlauf durch die City bei vier Grad und feuchter Witterung war d

30.12.2024Red Bull - Bora - hansgrohe verlässt MPCC

(rsn) – Red Bull – Bora – hansgrohe beendet seine Mitgliedschaft in der MPCC, der Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport. Das erwähnte Teamchef Ralph Denk in einem Interview auf der Homepa

30.12.2024Zum Siegen verdammt? Das Problem mit den Erwartungen nach dem Red-Bull-Einstieg

(rsn) – “Red Bull verleiht Flügel – aber die müssen auch erst wachsen.“ So hatte es Rolf Aldag Mitte Dezember gegenüber RSN ausgedrückt, als er darüber sprach, wie groß der Einfluss des

30.12.2024Die Strassacker-Trophäe zur RSN-Jahresrangliste 2024

(rsn) – Seit inzwischen 17 Jahren blicken wir von radsport-news.com in Form unserer RSN-Jahresrangliste auf die Saison der Radprofis aus Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz zurück u

30.12.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

30.12.2024Women´s Cycling Grand Prix beginnt in Filderstadt

(rsn) – Der Women’s Cycling Grand Prix Stuttgart & Region 2025 startet in Filderstadt. Auch bei seiner dritten Auflage bleibt das Rennen, das wieder der 1.Pro-Kategorie angehören wird, damit sein

30.12.2024Astana degradiert Syritsa und verlängert mit Kuzmin

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

30.12.2024Ausgerechnet bei den Highlights fehlten ein paar Prozent

(rsn) – Zwei große Highlights hatte sich Stefan Küng (Groupama – FDJ) für die Saison 2024 in seiner Spezialdisziplin, dem Einzelzeitfahren, vorgenommen. Doch sowohl bei den Olympischen Spielen

30.12.2024Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

30.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

29.12.2024Dank Höhentrainingslager in neue Sphären

(rsn) – Keiner hatte diese Entwicklung erwartet. Vor allem nicht Florian Lipowitz selbst. Der Ex-Biathlet, der 2024 seine zweite Profisaison im Radsport absolvierte, wurde Siebenter der Vuelta Espan

29.12.2024Auch van der Poels Dilemma kann in Besancon nicht für Spannung sorgen

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) hat den Weltcup in Besancon gewonnen. Auch bei seinem fünften Saisoneinsatz fuhr er problemlos zum Sieg. Toon Aerts (Deschacht – Hens – FSP

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine