RSNplusGeschichte wiederholt sich (fast)

Pogacar auf den Spuren Pantanis

Von Tom Mustroph aus Santuario di Oropa

Foto zu dem Text "Pogacar auf den Spuren Pantanis"
Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) übernahm erstmals das Rosa Trikot. | Foto: Cor Vos

05.05.2024  |  (rsn) - 1999 hatte Marco Pantani am Fuße des Anstiegs zur Kapelle nach Oropa einen Defekt. Die Kette fiel ihm herunter. Es dauerte, bis ein Materialwagen bei ihm war. Fahrer um Fahrer zog derweil an ihm vorbei. Es war dann, so notierten es die Chronisten, der Mechaniker des neutralen Materialwagens, der Il Pirata half. Und den packte dann der Ehrgeiz. Er fuhr zu seinem Mercatone Uno Team, das etwas weiter vorn auf ihn wartete. Gemeinsam rückten sie dem Peloton immer näher. Vorn allerdings ging die Post ab.

Als Pantanis Rivalen das Fehlen des Italieners bemerkt hatten, machten sie Tempo. Pantani schien das nur noch mehr zu beflügeln. Als alle Zylinder seines Mercatone Uno-Bergzugs vor Überhitzung glühten, ging er auf eigene Faust nach vorn. Etwa sechs Kilometer waren noch zu bewältigen. Fahrer für Fahrer sammelte er ein. Exakt 49 waren es, unter ihnen Paolo Savoldelli und Gilberto Simoni – beide selbst zweifache Girosieger – sowie Laurent Jalabert, immerhin Sieger der Vuelta. Es war einer der größten Soloritte der Radsportgeschichte. Am Ende gewann Pantani tatsächlich noch die Etappe. Ein wenig zweifelte er allerdings an seinem Sieg. “Ich hätte nicht gedacht, dass ich alle eingeholt habe“, gestand er später ein.

___STEADY_PAYWALL___

Ebenfalls am Fuße des Anstiegs hatte am Sonntag Tadej Pogacar einen Plattfuß. Der Slowene signalisierte sein Malheur. Seine Teamkollegen schienen davon nichts mitbekommen zu haben, denn Pogacar geisterte ganz allein am Ende des Felds herum. In einer Kurve stürzte er sogar, der von Luft befreite Vorderreifen rutschte über das Pflaster. Beinahe wäre noch sein Begleitauto über ihn gerollt. “Das kann passieren, es war nicht tragisch“, sagte Matxin Fernandez, Sportdirektor von UAE zu radsport-news.com (RSN). Der Baske saß selbst nicht im betreffenden Fahrzeug. Er gab aber Abstimmungsprobleme beim Defekt zu.

Auch 2024 wehte die Flagge Pantanis noch am Santuario di Oropa. | Foto: Cor Vos

“Normalerweise macht man den Radwechsel vor der Kurve. Tadej fuhr dann aber weiter“, erklärte er. Der Radwechsel erfolgte schnell. Und kurz darauf waren auch die Teamkollegen da. Sie brachten Pogacar zurück ins Feld und hatten auch noch genug Kraft, wieder das Tempo anzuziehen. Im Block fuhren sie an der Stelle vorbei, an der vor 25 Jahren Pantanis Mannschaftsgefährten die Luft ausgegangen war. Etwa zwei Kilometer später machte dann Pogacar den Pantani.

Allerdings fuhr er von vorn, er musste keine 49 Rivalen einfangen. Er war auch noch nicht im Rosa Trikot. Das konnte er sich erst oben überstreifen, nach seinem Sieg. Pantani hatte 1999 tags vor seinem Parforceritt schon rosa erobert, schon da als Solist Salvodelli von der Spitze verdrängt. Pantani hatte vor 25 Jahren auch schon erreicht, was Pogacar sich in diesem Jahr als Ziel gesetzt hat: Er war schon Double-Sieger, hatte im Vorjahr Giro und Tour gewonnen.

Der slowenische Goldjunge hat dem Piraten von der Adriaküste allerdings auch etwas voraus. Der Etappensieg in Oropa schloss den Kreis von Etappensiegen bei allen drei Grand Tours. “Darauf bin ich stolz, das haben nicht so viele Fahrer erreicht“, sagte er. Pantani zum Beispiel hat es nicht erreicht, trotz zweier Starts bei der Vuelta. Er beendete allerdings niemals die Spanien-Rundfahrt. Pogacar wurde hier immerhin Dritter. Auch einmal das Rote Trikot der Vuelta nach Hause zu tragen, dürfte ein kleineres Spätziel des Slowenen sein.

Marco Pantani im Rosa Trikot | Foto: Cor Vos

Jetzt hat er erstmal das Double vor Augen. Nach dem kleinen Malheur am ersten Tag, als er trotz gewaltigen Antritts seine Meister im Ecuadorianer Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) und im Berliner Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) fand, hält er jetzt wieder Kurs.

Als Rache für die kleine Schlappe am Vortag wollte UAE-Manager Fernandez den kleinen Gewaltritt vom Sonntag nicht werten. “Der Giro hat 21 Etappen, da denkt man nicht in Kategorien wie Rache. Der Parcours hatte einfach eine andere Charakteristik. Die Auftaktetappe war für Puncheure geeignet. Beim Anstieg nach Oropa war für uns wichtig, die Fahrer, die in den fünf-bis-8-Minuten-Intervallen gut sind, durch hohes Tempo aus dem Verkehr zu ziehen“, erklärte er. Das gelang UAE dann auch prächtig.

Für die Fahrer, die in den 30 Minuten-Belastungen ihre Stärken haben, sorgte dann der Chef selbst. Ob sie nun Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) heißen, Daniel Felipe Martinez (Bora – hansgrohe) oder Ben O’Connor (Decathlon – AG2R La Mondiale) – sie alle konnten Pogacar nicht mehr folgen. Da ging es ihnen wie einem Vierteljahrhundert zuvor Männern wie Savoldelli, Simoni oder Jalabert. Die Fähigkeit des Glaskugelguckens müsste man allerdings haben, um Analogien zum Ende des Giro 1999 und dem aktuellen zu finden. Pantani brachte, trotz gewaltiger Überlegenheit, den Gesamtsieg nicht nach Hause. Eine positive Dopingprobe, umstritten auch in ihrem Zustandekommen, leitete den Anfang vom traurigen Ende seiner Karriere ein.

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.06.2024Kanter “super motiviert“, Fragezeichen hinter der Form

(rsn) – Sein Giro-Debüt musste Max Kanter bereits nach der 9. Etappe beenden. Der Sprinter von Astana Qazaqstan musste wie zahlreiche weitere Profis auch wegen eines grippalen Infekts das Rennen au

28.05.2024Gianetti: “Jetzt sind wir bereit für die Tour de France“

(rsn) – Den ersten Teil seines großen Plans, als erster Fahrer nach Marco Pantani 1998 im Lauf einer Saison das Double aus dem Giro d’Italia und der Tour de France zu gewinnen und damit ein weite

28.05.2024Grande Partenza 2026 in Albanien?

(rsn) – Kurz nach dem Finale des 107. Giro d’Italia, der am Sonntag in Rom mit dem überlegenen Gesamtsieg von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) endete, kursieren bereits zahlreiche Berichte über

27.05.2024Martinez macht beim Giro einen Kindheitstraum wahr

(rsn) - Trotz eines fünften Platzes beim Giro d’Italia 2021 galt Daniel Martinez bisher eher als Mann für einwöchige Rundfahrten. Mit seinem zweiten Rang bei der 107. Italien-Rundfahrt hat der Ne

27.05.2024O´Connor zeigte beim Giro große Grand-Tour-Klasse

(rsn) – Viele Jahre galt Ben O´Connor (Decathlon AG2R La Mondiale) als Rohdiamant im Hinblick auf dreiwöchige Landesrundfahrten. Nach vielversprechenden Leistungen aber gelang es ihm bislang nur s

27.05.2024Bora-Teamchef Denk bestätigt Abschied von Buchmann

(rsn) – Nach den Verwerfungen im Zusammenhang mit der Giro-Ausbootung von Bora – hansgrohe war bereits über einen bevorstehenden Abschied von Emanuel Buchmann berichtet worden. Nun bestätigte Te

27.05.2024Giro-Debütant Steinhauser: “Grand Tours sind was für mich“

(rsn) – Mit einem Etappensieg und zwei dritten Plätzen kehrt Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) von seinem Grand-Tour-Debüt zurück. Der 22-jährige Allgäuer gehörte zu den großen Ü

27.05.2024Giro-Entdeckung Pellizzari auf dem Weg zu Bora - hansgrohe

(rsn) – Neben Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) war er die Entdeckung dieses Giro d´Italia: Giulio Pellizzari (VF Group – Bardiani CSF). Der 20-jährige Italiener aus den Marken fuhr

26.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 21. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

26.05.2024Highlight-Video der 21. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Mit einem spektakulären Sprintfinale ist der 107. Giro d’Italia in Rom zu Ende gegangen. Nach 125 Kilometern durch die italienische Hauptstadt holte sich Tim Merlier (Soudal - Quick Step)

26.05.2024Pogacar: “Das Rosa Trikot ist eine verrückte Erfahrung“

(rsn) – Mit einem spektakulären Sprintfinale ist der 107. Giro d’Italia in Rom zu Ende gegangen. Nach 125 Kilometern durch die italienische Hauptstadt holte sich Tim Merlier (Soudal - Quick Step)

26.05.2024Merlier holt sich in Rom vor Milan seinen dritten Etappensieg

(rsn) – Der schnellste Sprint-Gladiator auf der Schlussetappe des 107. Giro d´Italia war Tim Merlier (Soudal – Quick Step). Der Belgier verwies nach 125 Kilometern in Rom auf der Zielgeraden am K

Weitere Radsportnachrichten

31.03.2025Jakobsen muss unters Messer und steht vor langer Zwangspause

(rsn) – Spätestens nach der Saison 2022 schien der Horror-Sturz von Fabio Jakobsen (Picnic - PoostNL) aus der Polen-Rundfahrt aus dem Jahr 2020 endgültig vergessen, der heute 28-Jährige fuhr mit

31.03.2025Tudor, TotalEnergies und Uno-X bekommen die Tour-Wildcards 2025

(rsn) – Kaum hat die UCI die Bestätigung einer möglichen dritten Wildcard für die Grand Tours im Jahr 2025 bekanntgegeben, ist auch die ASO als Veranstalterin der Tour de France nun bereits vorge

31.03.2025Wiebes‘ unglaubliche Statistiken: Die Zahlen hinter der “100“

(rsn) – Ihren ersten UCI-Sieg feierte Lorena Wiebes im Jahr 2018. Das war damals im Mai beim Dorpenomloop in Aalburg, einem Rennen, das heute nicht mehr ausgetragen wird. Damals war sie 19 Jahre alt

31.03.2025UCI bestätigt Erweiterung der Grand-Tour-Pelotons auf 23 Teams

(rsn) – Nachdem sich das Professional Cycling Council (PCC) bereits für ein zusätzliches 23. Team bei den Grand Tours ausgesprochen hatte, hat nun auch das UCI Management Komitee die Entscheidung

31.03.2025Kool schafft bei Gent-Wevelgem den Befreiungsschlag

(rsn) – Auch wenn die Weltklasse-Sprinterin Charlotte Kool (Picnic – PostNL) beim überlegenen Sieg von Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) bei Gent-Wevelgem (1.UWT) chancenlos aussah, war die 25-

31.03.2025Keßler holt dritten Platz auf Schlussetappe der Olympia´s Tour

(rsn) - Für die Teams Lotto – Kern Haus – PSD Bank und Rembe – rad-net ist mit unterschiedlichen Gefühlen eine insgesamt erfolgreiche Olympia´s Tour zu Ende gegangen und Run & Race - Wibatech

31.03.2025Kooij erleidet Schlüsselbeinbruch bei Gent-Wevelgem

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat sich bei seinem Sturz 72 Kilometer vor dem Ziel bei Gent-Wevelgem (1.UWT) das Schlüsselbein gebrochen. Das bestätigte das niederländische Team vi

31.03.2025Haller fehlte ein halbes PS bei Pedersens Attacke

(rsn) – Durch die immer früheren Attacken der Favoriten bei den belgischen Frühjahresklassikern hat sich die Taktik, über die frühe Ausreißergruppe vor das Rennen zu kommen, in den letzten Jah

31.03.2025Dwars door Vlaanderen im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Dwars door Vlaanderen (1.UWT) ist eines der kürzesten flämischen Eintagesrennen des Frühjahrs. Im vergangenen Jahr etwa betrug die Distanz "nur" 183,7 Kilometer. Für die Fahrer ist das

30.03.2025Pedersen: “Erwartet das nicht immer von mir“

(rsn) – Es war schon eine sehr eindrucksvolle Show, die Mads Pedersen (Lidl – Trek) mit seiner 56 Kilometer langen Soloflucht beim 87. Gent-Wevelgem in Flanders Fields bot. Als wäre nichts weiter

30.03.2025Degenkolb: “Als Mads losfuhr, hatte keiner die Beine“

(rsn) – John Degenkolb (Picnic – PostNL) hat beim 87. Gent-Wevelgem (1.UWT) eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er trotz seiner 36 Jahrebei harten, langen Eintagesrennen immer noch mit der

30.03.2025Clever und stark: Roglic nach Katalonien bereit für den Giro

(rsn) - Primoz Roglic (Red Bull - Bora - hansgrohe) hat mit seinem Gesamtsieg bei der Katalonien-Rundfahrt eindrucksvoll bewiesen, dass er in bestechender Form ist. Der 35-jährige Slowene zeigte nic

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine