RSNplusZwischen Geschwisterliebe und Brüderkampf

Duell der Yates-Zwillinge um Gelb: “Simon wird mich jagen“

Von Tom Mustroph aus Bilbao

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Simon Yates (Jayco - AlUla, rechts) gratuliert seinem fünf Minuten jüngeren Bruder Adam Yates (UAE Team Emirates, links) zum Etappensieg und Gelben Trikot in Bilbao. | Foto: Cor Vos

02.07.2023  |  (rsn) - Getrennt und für ein paar Kilometer wieder vereint, das war die Geschichte des ersten Tages der Tour de France. Über viele Jahre teilten Adam und Simon Yates Pedaltritt um Pedaltritt. Sie fuhren auf der Bahn zusammen, waren ein gefürchtetes Paar im Madison und holten dort 2010 den nationalen Juniorentitel. Auch auf der Straße zeigten sie zusammen ihre Kräfte, holten etwa die Plätze 1 und 2 auf einer Bergetappe in den Alpen beim Nachwuchsrennen Tour de l’Avenir. Damals, 2013 in Morzine, war Simon besser.

Sieben Jahre waren sie gemeinsam im gleichen Team, beim australischen Rennstall Orica, bestritten dabei unter anderem zwei Frankreich-Rundfahrten miteinander. Anfangs waren sie sich dort so ähnlich, dass das Team unterschiedlich gefärbte Gläser für ihre Sonnenbrillen benutzte, um sie auseinanderhalten zu können. Simon Yates machte sich eine Zeitlang einen Scherz daraus, nur dann für Selfies zur Verfügung zu stehen, wenn die Fans ihn auch richtig identifizierten.

Ab 2021 wurde das Auseinanderhalten einfacher. Denn beruflich, und damit auch in der Wahl der Kleidung, trennten sich ihre Wege. Adam ging erst zu Ineos Grenadiers, schließlich zu UAE. Simon blieb bei den Australiern. Nahe sind sie sich immer noch. "Wir wohnen beide in Andorra, nur fünf Minuten voneinander entfernt", erzählte Adam Yates auf der Pressekonferenz nach seinem Sieg in Bilbao am Samstag.

___STEADY_PAYWALL___ Den hatte er ausgerechnet im Sprint zweier Ausreißer gegen seinen Bruder erzielt. Freude und Melancholie wechselten sich später bei ihm ab. Freude natürlich über den Sieg. "Es ist nicht so oft, dass du ein 1, 2 fährst bei einer Grand Tour mit deinem Bruder, und dann gleich hier auf der 1. Etappe", sagte er strahlend. Ganz offenherzig gestand er ein, dass Bruder Simon im Flachen die meiste Arbeit geleistet hatte.

Simon Yates (Jayco – AlUla) trug anfangs mehr zur Flucht des Duos bei, am Ende durfte aber auch Adam Yates (UAE Team Emirates, hinten) mithelfen. | Foto: Cor Vos

"Ich hatte ja noch Tadej hinter mir. Er wusste das, ich wusste das, wir sind beide Profis und es war klar, dass ich nicht mitarbeiten würde. Vier, fünf Kilometer vor dem Ziel gab mir Tadej aber das Go, dass ich auf Etappensieg fahren konnte. Wir fuhren dann beide für uns. Und ich bin superglücklich, dass ich gewinnen konnte", erzählte er.

Simon Yates: "Ich werde ihm richtig zusetzen"

Für ihn war es der erste Tour de France-Etappensieg. Bruder Simon holte 2019 schon deren zwei. Er hat mit dem Vuelta-Gesamtsieg 2018 auch die wertvolleren Palmares. Den Etappensieg schenkte er aber trotzdem nicht her. "Natürlich freue ich mich für ihn, aber ich wollte auch gewinnen. Es herrscht schon echter Wettstreit zwischen uns. Ich hatte dann leider Krämpfe im Finale", sagte Simon Yates. Und er versprach: "Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, ihm richtig zuzusetzen."

Vielleicht fällt ihm durch eine Attacke sogar am Sonntag Gelb zu. Denn Bruder Adam war sich gar nicht sicher, ob sein Team UAE viel Kraft in die Verteidigung des Führungstrikots stecken wird und nicht viel lieber auf Sparmodus umschaltet. Und der Gelbe erwartet den Angriff seines Bruders – schließlich kenne er ihn gut genug: "Er wird mich jagen, davon bin ich überzeugt", meinte Adam Yates. Und sein Grinsen verriet, dass er sich darauf schon freut.

Adam Yates ist bei der Tour de France der wichtigste Edelhelfer von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). | Foto: Cor Vos

Ob er sich dann aber mit aller Kraft verteidigen dürfe, ist noch nicht geklärt. In erster Linie ist er eben Helfer für Pogacar und muss im Zweifelsfall auch an dessen Seite bleiben. "Wir sind hergekommen, um mit Tadej die Tour zu gewinnen. Für mich ist er zu 100% der weltbeste Fahrer. Und dass sich bei der Arbeit für ihn die Gelegenheit für den Etappensieg für mich ergeben hat, ist einfach toll", sagte Adam Yates.

Der dritte Doppelsieg von Brüdern bei der Tour

Tatsächlich war Yates in seiner Rolle als Vorarbeiter und Attackenvorbereiter an der Cote de Pike für Kapitän Pogacar ganz vorn im Peloton. So kam dann auch die Lücke zustande, die sein Bruder entschlossen zufuhr. "Es war meine Chance. Im Spurt kann ich gegen Pogacar oder Vingegaard auf einer solchen Etappe nichts ausrichten. Die Gelegenheit, mit Adam vorn zu sein, wollte ich einfach nutzen", erklärte er.

Speziell war diese Etappenankunft auch deshalb, weil die Eltern der Zwillinge vor Ort im Baskenland waren. "Sie standen mit ihrem Camper hier irgendwo an der Strecke. Und für sie war es natürlich auch besonders", sagte Adam Yates im Ziel, wo ihn vor der Podiumszeremonie auch seine Partnerin bereits empfangen hatte.

Andy Schleck triumphiert 2011 am Col du Galibier vor seinem Bruder Frank Schleck. | Foto: Cor Vos

Den Yates-Brüdern gelang der dritte Geschwister-Doppelsieg in der Geschichte der Tour de France. Andy Schleck gewann 2011 die 18. Etappe der Tour von Pinerolo zum Galibier vor Bruder Frank. Die beiden Pelissier-Brüder Francis und Henri brachten 1919 sogar das Kunststück fertig, ganz schiedlich-friedlich jeweils eine Tour-Etappe vor dem anderen zu gewinnen. Die Yates-Brüder haben da also noch aufzuholen.

Ein gutes Omen für die Beiden ist, dass jeweils einer von den historischen Brüderpaaren auch mal die Tour de France gewann, Henri Pelissier vor genau 100 Jahren, Andy Schleck vor zwölf. Die Schlecks wie die Pelissiers waren aber keine Zwillinge. Ein weiteres Brüderpaar bei der aktuellen Tour de France ist Ion und Gorka Izagirre. Ion, bei Cofidis angestellt, gewann schon einmal eine Tour-Etappe und Gorka (Movistar) wurde Zweiter. Das war aber nicht im selben Jahr. Es können also noch weitere Brüdergeschichten bei dieser Tour de France geschrieben werden.

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