Analyse des 76. Omloop Het Nieuwsblad

Alaphilippes enthusiastischer Vorstoß ebnete Ballerini den Weg

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "Alaphilippes enthusiastischer Vorstoß ebnete Ballerini den Weg"
Das Podium des 76. Omloop Het Nieuwsblad | Foto: Cor Vos

27.02.2021  |  (rsn) – Erstmals seit 1992, als der Belgier Johan Capiot jubelte, haben beim Omloop Het Nieuwsblad (1.UWT) wieder mehr als 40 Fahrer um den Sieg gesprintet. Mit deutlichem Abstand die Nase vorn hatte dabei der Italiener Davide Ballerini (Deceuninck - Quick-Step), der seinen bereits dritten Saisonsieg feierte.

Dass es beim 76. Omloop nach schweren 200,5 Kilometern über 13 Anstiege dazu kam, hatte mehrere Gründe. Zunächst fehlten mit Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix), Wout Van Aert (Jumbo – Visma) und Peter Sagan (Bora – hansgrohe) gleich drei Fahrer, die an den Hellingen die Konkurrenz entscheidend ins Hintertreffen hätten bringen könnten. Zudem ging Weltmeister Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) früh in die Offensive, hatte aber nach seiner längeren Verletzungspause bei Gegenwind noch nicht den nötigen Punch, um bis ins Ziel durchzuziehen.

Alaphilippe zu früh zu forsch

"Ich denke, Julian hat sich da, weil er sich so stark gefühlt hat und voller Enthusiasmus war, mit seiner Soloattacke selbst ein bisschen gekillt", urteilte der Tagesdritte Sep Vanmarcke (Israel Start-Up Nation). "Hätte er mit seiner Attacke bis zur Mauer von Geraardsbergen gewartet, dann hätte ihn niemand mehr gesehen", analysierte der routinierte Belgier den frühen Antritt des Franzosen, der bereits 32 Kilometer vor dem Ziel attackierte.

Ähnlich drastisch urteilte Michael Gogl (Qhubeka Assos) gegenüber radsport-news.com: "Alaphilippes Beine waren echt abartig und darum hat er wohl schon so früh attackiert. Schade, hätte er bis zur Muur gewartet, dann wäre er wohl zum Mond abgehoben und wir wären durchgekommen", meinte der Österreicher, der ebenfalls in der Gruppe um Alaphilippe dabei war.

Der taktische Fehler des Franzosen fiel am Ende aber nicht ins Gewicht, da Teamkollege Ballerini in die Bresche sprang und in Ninove überlegen siegte. So sah es auch Vanmarcke. "Deceuninck hat gewonnen und wer gewinnt, hat immer Recht." Alaphilippe selbst gab zu, dass er sich der Schwere seiner Aufgabe bewusst war. "Aber es war gut für Davide, da er so Kraft sparen konnte", so der 28-Jährige, der sich in bestechender Frühform präsentierte. "Wunderbar, dass Davide dann gewonnen hat, der Sieg hier war unser Ziel", fügte Alaphilippe an.

Frühlings- statt Klassikerwetter machte den Sprint möglich

Zudem fiel auf, dass viele Fahrer sich auf ähnlichem Leistungsniveau präsentierten, was auch erklärte, dass niemand sich entscheiden absetzen konnte. Letztlich spielte aber auch das angenehme Wetter mit Sonnenschein und nur leichtem Gegenwind vielen Fahrern in die Karten. Bei Regen, Seitenwind und Kälte - also typischem Klassikerwetter - wäre es kaum zum Sprint einer solch großen Gruppe gekommen.

“Ich habe schon im Vorfeld gesagt, dass es bei Nordwind einen Massensprint geben könnte. Und heute gab es praktisch keinen Wind und wenn, dann von vorne. Und voila: Massensprint“, sagte Oliver Naesen (AG2R Citroen), der Rang 19 belegte. Auch Landsmann Philippe Gilbert (Lotto Soudal), der in Ninove auf Rang fünf sprintete und ebenfalls ein Ausreufezeichen setzte, hatte mit einem solchen Szenario gerechnet. "Entsprechend habe ich versucht, unterwegs möglichst keine Energie zu verschwenden“, erklärte der Belgier.

Ballerini spielte auch noch Kristoffs Defektpech in die Karten

Dass im Sprint Ballerini gewinnen würde, konnte kaum überraschen. Als mit Alexander Kristoff (UAE Team Emirates) wegen eines Defekts und Andrea Pasqualon (Intermarché – Wanty-Gobert) nach Sturz auf den letzten 1500 Metern die beiden wohl größten Kontrahenten aus dem Rennen waren, hatte Ballerini freie Bahn.

Außerdem konnte er auf die mustergültige Vorarbeit der Deceuninck-Quick-Step-Equipe bauen. Zunächst stellte sich Weltmeister Alaphilippe höchstpersönlich nach seinem vereitelten Vorstoß in den Dienst seines Teamkollegen, ehe sich schließlich Florian Senechal und Kasper Asgreen an die Spitze setzten und  ihrem Sprintkapitän den Weg zu dessen bisher größtem Erfolg ebneten.

Stewart, Rutsch & Co: Die junge Garde imponierte

Beeindruckend war auch der zweite Platz des Neo-Profis Jake Stewart (Groupama – FDJ). Der 21-Jährige, der im Finale lange abwartete und dann die richtigen Lücken fand, bestätigte seinen starken Saisonauftakt, nachdem er beim Etoile de Besseges schon Gesamtvierter geworden war. "Wenn man mit Selbstvertrauen und guten Beinen anreist, dann kommt am Ende meistens ein gutes Ergebnis dabei heraus", befand der Brite.

Nicht nur die ersten beiden Plätze zeigten, dass der Omloop von den jungen Profis dominiert wurde. Zwischenzeitlich war auch Jonas Rutsch (EF Education – Nippo) als Solist in die Offensive gegangen, wenn auch ohne Erfolg. Dennoch erreichte der 23-Jährige mit der ersten Gruppe das Ziel, wo er durch einen Sturz direkt hinter ihm ausgebremst wurde. Ansonsten wäre vielleicht sogar eine Top-Ten-Platzierung möglich gewesen.

Auch im Finale zeigten sich zwei Nachwuchsfahrer, nämlich der erst kürzlich zu den Profis aufgerückte Niederländer Olav Kooij (Jumbo – Visma) und der Schweizer Johan Jacobs, der seine zweite Saison bei Movistar fährt.. Die Youngster griffen auf den letzten 50 Kilometern an und hielten sich an der Spitze, bis Alaphilippe am Berendries attackierte.

Aber auch die Oldies um Vanmarcke, Haussler und Gilbert sind noch da

Aber auch die Abteilung Routine wusste zu gefallen. So landeten die beiden ehemaligen Sieger Vanmarcke (32) und Gilbert (38) in den Top 5, dazwischen gesellte sich noch Heinrich Haussler (Bahrain Victorious), der zwei Tage nach seinem 37. Geburtstag Vierter wurde. Vor allem Haussler wirkte spritzig wie lange nicht mehr. Dafür sorgte womöglich auch sein Cross-Auflug im Winter, als er unter anderem an der WM teilnahm.

Mit Platz drei - seinem dritten beim Omloop nach 2017 und 2018 - überraschte Vanmarcke sich angesichts der Umstände selbst ein wenig. "Natürlich wollte ich wieder gut sein, hatte aber nicht damit gerechnet, dass es im Sprint passieren würde. Ich wusste, dass ich gegen Ballerini keine Chance haben würde, also habe ich versucht, meinen Sprint früh zu eröffnen, um ihn so zu locken. Das reichte am Ende gerade noch für Rang drei", sagte der Neuzugang der Israel Start-Up Nation und fügte an: "Mission erfüllt."

Aus deutscher Sicht erfreulich war der zehnte Platz von Nils Politt (Bora – hansgrohe). Der Hürther sprang für den fehlenden Sagan in die Bresche und fuhr beim Omloop erstmals in die Top Ten, nachdem er sich zuvor noch zurückhaltend geäußert hatte. Mit einer etwas besseren Positionierung wäre vielleicht sogar ein Platz unter den besten Fünf möglich gewesen.

Trek-Segafredo mit Titelverteidiger Stuyven die großen Verlierer

Zu den großen Verlierern zählte diesmal das Team Trek - Segafredo, das im Vorjahr mit Jasper Stuyven noch den Sieger gestellt hatte. Aber der Belgier, der ohne Rennkilometer in Gent am Start stand, sowie der ebenfalls stark eingeschätzte Ex-Weltmeister Mads Pedersen waren auf den letzten 50 Kilometern nicht mehr zu sehen. Dabei wäre das sprintstarke Duo eine sichere Bank für das Podium gewesen.

"Wir wollten unauffällig fahren, uns zurückhalten. Leider war es dann nicht der Tag, den wir uns erhofft hatten. Ab dem Molenberg habe ich irgendwie den Schwung verloren", meinte Stuyven, der abgeschlagen auf Rang 83 das Ziel erreichte. "Wir sollten schauen, was schiefgelaufen ist, uns aber nicht zu viele Sorgen machen. Dass es mein erstes Saisonrennen war, sollte keine Entschuldigung sein. Wir müssen woanders nach den Gründen suchen", zeigte sich der Belgier selbstkritisch.

Mehr Informationen zu diesem Thema

01.03.2021Haussler lag mit allen seinen Prognosen goldrichtig

(rsn) - Nach seinem WM-Debüt in Oostende erklärte Heinrich Haussler (Bahrain Victorious), welche Vorteile er sich von seinen Cross-Einsätzen im Winter für das Frühjahr verspreche. “Cross ist di

28.02.2021Kann Groupama - FDJ den erfolgreichen Samstag noch toppen?

(rsn) - David Gaudu gewann die schwere Faun-Ardeche Classic (1.Pro), dazu kam der überraschende zweite Platz durch Newcomer Jake Stewart beim Omloop Het Nieuwsblad: Groupama - FDJ kann auf einen fas

27.02.2021Politt holte in Ninove das Optimum heraus

(rsn) - Omloop Het Nieuwsblad zählte bisher nicht zu den Lieblingsklassikern von Nils Politt. Bei bisher fünf Teilnehmern sprang für den langen Hürther als bisher bestes Ergebnis ein 19. Platz im

27.02.2021Deceunicks Plan B geht auf: Ballerini gewinnt den Omloop

(rsn) - Davide Ballerini (Deceunick - Quick Step) gewann den Auftakt der Klassikersaison souverän im Sprint einer knapp 50 Mann starken Gruppe. Der Italiener ließ nach 201 Kilometern den jungen Bri

27.02.2021Omloop: Rutschs Attacke wollte niemand folgen

(rsn) - Der 35. Platz von Jonas Rutsch (EF Education - Nippo) beim Omloop Het Nieuwsblad (1.UWT) liest sich nicht besonders aufregend. Doch der Erbacher gehörte am Samstag beim Openingsweekend in Bel

27.02.2021Finale des 76. Omloop Het Nieuwsblad im Video

(rsn) - Davide Ballerini (Deceuninck - Quick Step) hat den 76. Omloop Het Nieuwsblad gewonnen und seinen bereits dritten Saisonsieg bejubelt. Der 26-jährige Italiener vollendete über 200,5 Kilometer

27.02.2021Ballerini jubelt in Ninove, Politt Zehnter

(rsn) - Davide Ballerini (Deceuninck - Quick Step) hat den 76. Omloop Het Nieuwsblad gewonnen und seinen bereits dritten Saisonsieg bejubelt. Der 26-jährige Italiener vollendete über 200,5 Kilomete

27.02.2021Spannung auch ohne Sagan, Van Aert und van der Poel

(rsn) – Mit dem Omloop Het Nieuwsblad (1.UWT) steht das erste Highlight der noch jungen Radsportsaison bevor. Beim ersten Stelldichein der Kopfsteinpflasterspezialisten geht es zwischen Gent und Nin

27.02.2021Alaphilippe: “Ich sehe mich nicht als Favoriten“

(rsn) - Am heutigen Samstag steht mit dem 76. Omloop Het Nieuwsblad (1.UWT) der erste große Pflasterklassiker des Jahres auf dem Programm. Auch in Abwesenheit von Peter Sagan (Bora - hansgrohe), Wou

27.02.2021Vorschau auf die Rennen des Tages / 27. Februar

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

26.02.2021Pogacar erhält nach 6. UAE-Etappe zehn Sekunden Zeitstrafe

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nach der 6. Etappe der UAE Tour eine Zeitstrafe von zehn Sekunden erhalten. Wie es im täglichen Kommuniqué der Rundfahrt hieß, habe der Slowene "einen

26.02.2021Jumbo - Visma ohne seine Kapitäne zum Omloop

(rsn) - Ohne den verletzten Mike Teunissen und den noch auf Teneriffa trainierenden Wout Van Aert wird Jumbo - Visma beim Eröffnungswochenende zur belgischen Klassikersaison sowohl beim Omloop Het N

Weitere Radsportnachrichten

15.11.2024Cataldo und Kennaugh werden Sportdirektoren bei Astana

(rsn) - Nachdem Astana Qazaqstan vor einigen Tagen bereits vier Neuzugänge für die “Performance Group“ bekanntgegeben hatte, meldete der kasachische Rennstall nun auch die Verpflichtung von drei

15.11.2024Fährt Cavalli künftig für dsm-firmenich – PostNL?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

15.11.2024Im Schatten von Behrens und Teutenberg voll überzeugt

(rsn) – Auch wenn er in seiner ersten U23-Saison im Schatten seiner Teamkollegen Niklas Behrens und Tim-Torn Teutenberg stand, die beide den Sprung zu den Profis schafften, kann Louis Leidert (Lidl

15.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte, Ã

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine