Roubaix “das große Ziel, auf das ich hinarbeite“

Degenkolb hat keine Angst vor den Youngstern

Von Felix Mattis

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John Degenkolb beim Rollentraining im Trainingslager von Lotto Soudal in Javea (Spanien). | Foto: Cor Vos

14.01.2021  |  (rsn) - John Degenkolb hat nach seinem starken Klassikerherbst wieder richtig Lust auf seine Lieblingsrennen im Frühjahr. Der Oberurseler fokussiert sich in seiner Saisonvorbereitung voll auf die Kopfsteinpflasterrennen rund um seine große Liebe: Paris-Roubaix. "Mein Lieblingsrennen ist natürlich wieder das große Ziel, auf das ich hinarbeite. Für mich ist es der größte Traum, meinen Sieg dort zu wiederholen", sagte Degenkolb am Donnerstag in einem virtuellen Pressegespräch gegenüber zahlreichen internationalen Journalisten.

Allerdings hängt auch über seinen derzeitigen Planungen das Damoklesschwert namens Corona. Weitere Rennabsagen hält der 32-Jährige für durchaus möglich. "Ich muss ehrlich zugeben, dass die Sorge da ist. Es ist kein Selbstläufer. Wir können nicht sagen: Okay, das ist unser Rennprogramm und das findet so auch statt", erklärte Degenkolb und konkretisierte, dass ihm vor allem die Vorbereitung auf die großen Klassiker Sorgen mache: "Gerade die Rennen Ende Januar und im Februar sind extrem wichtig, um in Form zu kommen. Wenn das wegfallen würde, wäre das ein herber Rückschlag."

Dementsprechend vorsichtig war Degenkolb am Donnerstag bei der Benennung seines Rennprogramms. Geplant sei, dass er mit den französischen Februar-Rennen GP Marseillaise, Etoile de Bessèges und Tour de la Provence in die Saison starte, um danach am flämischen Openingsweekend Kuurne-Brüssel-Kuurne und anschließend Paris-Nizza zu fahren. Darauf solle dann das für ihn typische Klassiker-Programm folgen: Mailand-Sanremo, E3 BinckBank Classic, Gent-Wevelgem, Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix - mit dem klaren Höhepunkt zum Abschluss.

Dass er auch sechs Jahre nach seinem Sieg im Velodrom noch Chancen auf einen zweiten Pflasterstein hat, glaubt Degenkolb fest. Der vergangene Herbst hat ihn darin bestärkt. "Ich war noch nie so nah am Podium in Flandern dran, wie 2020", betonte er und meinte damit weniger den neunten Platz an sich, sondern die Tatsache, dass er bis zum Schlusskilometer um den dritten Platz kämpfte. "Wir sind wie um den Sieg gefahren, nur halt, dass dieser Sieg der dritte Platz war, weil Mathieu und Wout vorne weg waren", so Degenkolb im Rückblick.

Keine Angst vor den jungen Überfliegern

Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix) und Wout van Aert (Jumbo - Visma), das niederländisch-belgische Cross-Duo könnte in den nächsten Jahren die Klassiker dominieren, fürchten einige. Doch Degenkolb glaubt fest an seine Chancen gegen die Youngster. Er habe keine Angst, sich mit ihnen zu messen, weil er in seinen zehn Profijahren viel Erfahrung gesammelt habe und cleverer geworden sei. "Wenn wir eins gegen eins fahren, dann sind Mathieu und auch Wout auf einem anderen Level", gab er zu, fügte dann aber an: "Es ist aber eben kein Zeitfahren. Es geht auch viel um Erfahrung und Taktik, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es einen Weg gibt, sie zu schlagen."

Dabei denkt der zweifache Vater auch an seinen Sieg 2015 zurück, als er taktisch clever agierte, Teamkollege Bert De Backer bei seinem Angriff gut zehn Kilometer vor dem Ziel als Windschatten-Sprungbrett nahm und im Finale dann im Sprint im Velodrom hellwach war. "Es gibt ein Video, in dem gezählt wurde, wie oft ich mich auf den letzten anderthalb Runden im Velodrom umgesehen habe: 20 Mal", lachte er am Donnerstag.

"Ich muss es wie 2015 machen, dann kann ich um den Sieg fahren"

Diese hohe Konzentration, dieses hellwache Aufpassen in der Sprint-Vorbereitung, das war wichtig für den damaligen Sieg und wäre es auch 2021 sicher wieder. "Die Art, wie ich Roubaix 2015 gefahren bin, ist genau die Art, wie ich es auch dieses Jahr machen muss. Und wenn ich das kann, dann kann ich auch wieder um den Sieg fahren", meinte er.

Und wie intensiv Roubaix in seinen Gedanken schon verwurzelt ist, das wurde dann auch deutlich, als er gefragt wurde, wie anders es sein würde, wenn wegen der Corona-Pandemie keine Zuschauer an den Kopfsteinpfalster-Sektoren stünden. Degenkolb musste nicht lange überlegen, um auf diese Frage mit taktischem Wissen zu antworten: "Wenn im Carrefour de l'Arbre viele Zuschauer stehen, dann schützt uns das vor dem Wind. Wir sind dort immer durch eine Art Korridor gefahren. Ohne Zuschauer ist der Sektor sehr gefährdet für Seitenwinde. Die Zuschauer können also durchaus einen Unterschied machen."

Erst nach diesem taktischen Gedanke, dachte Degenkolb über die emotionale Seite der Frage nach. "Klar: Mit den Zuschauern an der Straße und dem Biergeruch in der Luft ist es auch speziell", sagte er. "Aber auch wenn das in Flandern im Herbst fehlte, war es trotzdem ein tolles Rennen. Und meine Leidenschaft für diese Rennen ist so groß, dass ich da sowieso wie in einem Tunnel bin."

WM in Flandern ein Ziel, Gold aber wohl nicht erreichbar

In diesen Tunnel Richtung Roubaix scheint Degenkolb bereits eingetaucht zu sein, und deshalb sind auch Gedanken an weitere Saisonziele nach dem 11. April derzeit unwichtig. "Ich würde gerne die Tour fahren, aber dahingehend haben wir noch keine Entscheidung getroffen. Das ist noch ziemlich offen. Und natürlich ist die WM in Flandern fantastisch. Da will ich auf jeden Fall auch in Top-Form sein", sagte er, fügte aber auch an, dass er sich dort aufgrund der Strecke nicht zu den Favoriten zählen würde.

"Es war gut, den Kurs beim Pfeil von Brabant letztes Jahr zu sehen, denn es gibt dort einige schwere Anstiege", erklärte er, dass der WM-Parcours topographisch schwerer ist, als viele denken. "Wenn ich in absoluter Top-Form bin, kann ich dort um ein gutes Ergebnis kämpfen. Aber es ist nicht die beste Strecke für mich, um um den Sieg zu kämpfen."

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