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24.10.2020 | (rsn) - Angereist waren sie als Helfer, abreisen wird einer von ihnen mit dem Rosa Trikot im Gepäck. Jai Hindley (Sunweb) und Tao Geoghegan Hart (Ineos Grenadiers) dominierten die letzten beiden Bergetappen des Giro d’Italia und liegen vor dem abschließenden Zeitfahren von Mailand fast zeitgleich auf den ersten beiden Plätzen. Mit gerade mal 86 Hundertstel Vorsprung führt Hindley das Gesamtklassement vor Geoghegan Hart an. So knapp war es noch nie vor der letzten Etappe einer Grand Tour!
Der 24-jährige Australier übernahm in Sestriere das Rosa-Trikot von seinem Teamkollegen Wilco Kelderman, der auf der 20. Etappe 1:35 Minuten verlor und somit seine Chancen auf den Gesamtsieg wohl wird begraben müssen. “Ich bin sprachlos. Seit ich ein kleiner Junge war, habe ich davon geträumt, das Trikot eines Führenden bei einer Grand Tour zu tragen. Das ist ein unglaubliches Privileg“, jubelte Hindley im Ziel.
Das war eine verständliche, dennoch etwas überraschende Reaktion, denn der Kletterspezialist aus Perth hatte zwar die Gesamtführung übernommen, die Etappe aber hatte sein Konkurrent Geoghegan Hart, der außerdem als besserer Zeitfahrer gilt, im Sprintduell in Sestriere gewonnen. Der Gesamtsieg scheint für Sunweb deshalb kaum noch möglich zu sein.
Angesichts der Minidifferenz von 86 Hundertsteln wird das Tagesresultat in Mailand den Ausschlag über den Gesamtsieg geben. “Morgen wird derjenige den Giro gewinnen, der beim Zeitfahren vorn ist, das ist eine einfache Sache“, beschrieb Ineos-Sportdirektor Matteo Tosatto die Ausgangsposition vor dem 15,7 Kilometer langen Zeitfahren.
Geoghegan Hart führt im Zeitfahrduell 7:2
Favorisiert im Duell mit Hindley ist dabei sein Gelegenheitskapitän, der nur durch den Ausfall von Geraint Thomas in die Rolle des Klassementskandidaten bei Ineos Grenadiers geschlüpft ist. Der Engländer führt den Zeitfahrvergleich gegen den Mann im Rosa Trikot mit sieben zu zwei an. Auf der 16. Etappe der Vuelta 2018 war Hindley etwas schneller, dort war für beide Athleten allerdings dabei sein wichtiger als gewinnen. Auch beim Eröffnungszeitfahren des diesjährigen Giro ließ Hindley seinen Kontrahenten hinter sich. In Palermo allerdings spielte der Wind verrückt.
Im langen Zeitfahren der 14. Etappe, als es für beide Fahrer schon um mehr ging, war Geoghegan Hart auf den 34,1 Kilometern dann aber 1:15 Minuten schneller als sein Widersacher. Dementsprechend selbstbewusst zeigte sich Geoghegan Hart mit Blick auf den finalen Tag der 103. Italien-Rundfahrt: “Ich glaube, ich habe meine starken Zeitfahrbeine beim letzten Mal schon gezeigt.“
Hindley weiß, dass er in der lombardischen Metropole eine außergewöhnliche Leistung wird abrufen müssen. Doch das war ihm in der letzten Giro-Woche bereits mehrfach gelungen. “Morgen muss ich das Zeitfahren meines Lebens hinlegen. Es ist doch auch schön, dass diese letzten 15 Kilometer alles entscheiden. Ich werde nicht so sehr schauen, was Tao macht, ich werde einfach selbst kämpfen wie noch nie in meinem Leben, um dieses Rosa Trikot zu verteidigen“, kündigte er einen großen Kampf an.
Hindleys Coach Luke Roberts schien das Ergebnis mit einem lachenden und weinenden Auge zu sehen. Schließlich büßte der nominelle Kapitän Kelderman nicht nur sein Rosa Trikot ein, sondern hat bereits mehr als eineinhalb Minuten Rückstand. Das dürfte in Mailand selbst für den besten Zeitfahrer des Spitzentrios nicht mehr aufzuholen sein. “Es ist eine sehr seltsame Situation, dass so wenige Kilometer jetzt den Giro entscheiden. Es tut mir leid für Wilco, er hat uns erst in diese Situation gebracht, dass wir um Rosa kämpfen können“, kommentierte Roberts das Ergebnis.
Dennis war zweimal der entscheidende Faktor
Sowohl am Donnerstag auf der Königsetappe als auch am Samstag hatte Rohan Dennis die Offensive des Ineos-Teams forciert und Kelderman ins Hintertreffen gebracht. Nur Geoghegan Hart und Hindley konnten dem Zeitfahrspezialisten folgen, wobei der Londoner an beiden Tagen sogar kurzzeitig Probleme mit dem Tempo seines Teamkollegen hatte. “Die Arbeit von Rohan Dennis war großartig, das hat man ja gesehen. Es macht einen auch stolz, wenn ein zweimaliger Weltmeister für einen fährt“, lobte der Tagessieger seine australische Lokomotive.
So gewann Geoghegan Hart in Sestriere seine zweite Etappe dieser Rundfahrt und zog dank der Zeitbonifikation für den ersten Platz mit Hindley gleich, nachdem der sich den zweiten Zwischensprint und damit drei Bonussekunden geholt hatte. Nach dem bereits sechsten Tagessieg für Ineos Grenadiers bei diesem Giro machte Tossatto auch das Momentum bei Geoghegan Hart aus. “Wir haben hier eine tolle Gruppe zum Giro gebracht, sie arbeiten zusammen, sie helfen sich gegenseitig. Und Tao ist bei diesem Giro gewachsen“, befand der Italiener über den 25-Jährigen, der am Sonntag in Mailand allerdings ganz auf sich allein gestellt sein wird.
Der große Showdown im Zeitfahren wird am Sonntag um 13:40 Uhr beginnen, wenn Jonathan Dibben (Lotto Soudal) das Zeitfahren in Angriff nimmt, und in Hindleys Start um 16:12 Uhr kulminieren. In Anbetracht der Corona-Situation in Mailand bat die RAI-Moderatorin ihre Zuschauer nochmals eindringlich: “Bleibt zu Hause, schaut euch den Giro im TV an."
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