Lange Flucht zum ersten Sieg nach 461 Tagen

Sagan triumphiert spektakulär als Solist: “Endlich in meinem Stil“

Von Felix Schönbach

Foto zu dem Text "Sagan triumphiert spektakulär als Solist: “Endlich in meinem Stil“"
Peter Sagan (Bora - hansgrohe) auf dem Weg zum Etappensieg beim Giro d´Italia. | Foto: Cor Vos

13.10.2020  |  (rsn) - Mit einer Machtdemonstration hat sich Peter Sagan (Bora-Hansgrohe) auf der turbulenten 10. Etappe des Giro d’Italia in den Siegerlisten der Radsport-Welt zurückgemeldet. Der Slowake gewann an der Adria 461 Tage nach seinem letzten Profi-Sieg als Solist vor Brandon McNulty (UAE-Emirates) und Joao Alemeida (Deceunick-Quickstep), der die Favoritengruppe ins Ziel führte und das Rosa Trikot souverän verteidigte. Verlierer des Tages war Jakob Fuglsang (Astana), der nach einem Defekt im Finale 1:15 Minuten auf die restlichen Favoriten verlor.

"Endlich habe ich in meinem Stil gewonnen. Ich habe das Rennen gemacht, habe ein bisschen Show gemacht. So zu gewinnen, ist etwas Besonderes", erklärte Sagan im Ziel nach einem Parforceritt, der wirklich für Spektakel gesorgt hatte.

Für den Slowaken war es ein Befreiungsschlag, nachdem er über ein Jahr kein Rennen mehr gewinnen konnte. "Ich bin endlich sehr glücklich. Seit die Saison neu begann, habe ich versucht Strade Bianche, San Remo und bei der Tour zu gewinnen. Oft war ich auf dem Podium oder in den Top 5, aber mein letzter Sieg war bei der Tour im letzten Jahr. Das ist schon eine lange Zeit her", beschrieb der Slowake seine Erleichterung, dass die Saison 2020 nicht zum ersten Profijahr in seiner Karriere werden wird, in der er kein Rennen gewonnen hat.

Mit seinem ersten Erfolg bei der Italien-Rundfahrt steigt Sagan als insgesamt 100. Mitglied in den Club der Fahrer auf, die bei jeder Grand Tour mindestens eine Etappe gewinnen konnten. Und das in durchaus spektakulärer Manier. Die Solo-Fahrt auf hügeligem Terrain geriet zu einer Machtdemonstration, mit der der Ex-Weltmeister selbst am allerwenigsten gerechnet hatte: "Natürlich habe ich das nicht so geplant. Ich hatte bereits losgelassen, den zweiten, dritten oder vierten Platz akzeptiert und es nicht mehr versucht. Und jetzt kommt der Sieg, darüber bin ich sehr glücklich", gab er zu.

Offensives Finale in Tortoreto

Die Dynamik der Etappe war unter anderem von den schlechten Nachricht bezüglich der Verbreitung des Coronavirus innerhalb der sogenannten 'Renn-Blase' geprägt. Neben dem positiv getesteten Australier Michael Matthews (Sunweb) zogen sich die Teams Jumbo-Visma - dessen Kapitän Steven Kruijswijk positiv getestet wurde - und Mitchelton-Scott komplett vom Giro zurück.

Im Rennen übertrug sich die Unsicherheit über den weiteren Verlauf dieser Rundfahrt in eine sehr offensive Fahrweise. Die Favoriten lieferten sich auf den schwierigen Schlusskilometern einen kleinen Schlagabtausch. Almeida verteidigte dabei die Gesamtführung selbstbewusst und attackierte sogar selbst einmal. "Wir hatten einen Ruhetag gestern und ich fühle mich wirklich erholt. Ich wusste, dass ich gute Beine habe, so dass ich zumindest den anderen Jungs folgen konnte. Am Ende ist es gut ausgegangen", gab der Portugiese zu Protokoll.

In der Favoritengruppe, die wenige Sekunden hinter Sagan geschlossen über den Zielstrich rollte, fehlte jedoch Jakob Fuglsang (Astana). Der Däne wurde auf der letzten Abfahrt durch einen Defekt ausgebremst, musste lange auf einen Teamkollegen warten und vermisste auf den letzten Kilometern Helfer und Verbündete. Er verlor mehr als eine Minute auf die Mitfavoriten.

Auch für Arnaud Démare (Groupama-FDJ) hätte der Tag besser verlaufen können. Der Franzose verteidigte zwar das Maglia Ciclamino, sein Vorsprung auf Sagan reduzierte sich jedoch auf 20 Punkte. Ruben Guerreiro (Education First) verteidigte sein Bergtrikot, während Almeida auch weiterhin die Nachwuchswertung anführt.

So lief das Rennen:

Verunsichert durch die Neuigkeiten und angespornt vom Profil, welches eine erfolgreiche Flucht versprach, versuchten am Mittag eine Menge Fahrer den Sprung in die Gruppe des Tages. Über einen Zeitraum von knapp 60 Kilometern kristallisierte sich eine zunächst zehn und dann sieben Fahrer starke Spitze heraus. 

Neben Sagan waren auch Jhonatan Restrepo (Androni Giocattoli-Sidermec), Simon Clarke (Education First), Dario Cataldo und Davide Villella (beide Movistar), Filippo Ganna und Ben Swift (beide Ineos Grenadiers) beteiligt. Démares Groupama-FDJ-Mannschaft wollte Sagan jedoch nicht ziehen lassen und ließ den Abstand auf den ersten 90 Kilometern selten über 40 Sekunden anwachsen.

Als Démare nach dem ersten Zwischensprint, an dem Sagan Punkte im Kampf ums Maglia Ciclamino gutmachte, aber noch immer keine Unterstützung erhielt gab sein Team das Vorhaben auf und der Vorsprung der Gruppe wuchs schnell auf 4:30 Minuten an. Sagan schnappte sich die erste Bergwertung und die erste Sprintwertung, während Clarke den zweiten Anstieg des Tages als Erster überquerte.

UAE und NTT verkleinern den Vorsprung

Am anschließenden Hügel nach Colonnella hängte Cataldo gut 40 Kilometer vor dem Ziel mit zwei Attacken sowohl Ganna als auch Clarke ab. Während Clarke zurückfiel kämpfte sich Zeitfahr-Weltmeister Ganna aber nochmals zurück, um seinen Teamkollegen Swift zu unterstützen. Sagan ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und gewann auch den anschließenden Bonussprint in Controguerra.

Unterdessen hatte im Feld zunächst UAE Team Emirates dafür gesorgt, dass der Abstand wieder kleiner wurde, und in der letzten Rennstunde schraubte dann NTT im Feld das Tempo so hoch, dass der Vorsprung der Spitze 30 Kilometer vor dem Ziel nur noch eine Minute betrug.

Verregneter Kampf der Klassementfahrer

Bei einsetzendem Regen attackierte Pello Bilbao (Bahrain-Merida) 22 Kilometer vor dem Ziel aus dem Feld, während sich NTT-Kapitän Domenico Pozzovivo zur gleichen Zeit nach einem Defekt mühsam ins Feld zurückarbeiten musste.

An einer weiteren Welle sprengte Sagan die Spitzengruppe. Nur noch Swift konnte sein Hinterrad halten, während sich Bilbao nun durch die abgehängten Mitglieder der Spitzengruppe nach vorne kämpfte, bis er kurz vor dem Fuße der letzten Steigung nur noch wenige Meter Rückstand auf Swift und Sagan hatte. Im Feld versuchten Astana und Deceunick-Quickstep den Spanier einzufangen.

Am letzten Anstieg fuhr Sagan schließlich zwölf Kilometer vor dem Ziel auch Swift von seinem Hinterrad und hielt Bilbao knapp zehn Sekunden und das Feld knapp 25 Sekunden hinter sich auf Abstand. Dort attackierten sowohl Almeida als auch Wilco Kelderman (Sunweb) und Pozzovivo. Der Italiener wirkte zwar am stärksten, konnte, wohl auch wegen seiner kräftezehrenden Aufholjagd nach dem Defekt, die restlichen Favoriten aber nicht abschütteln. 

Fuglsang der Verlierer des Tages

In der abschließenden Abfahrt hatte zehn Kilometer vor Schluss dann Jakob Fuglsang (Astana) einen Hinterraddefekt und verlor viel Zeit. Das dabei entstandene Defizit konnte er, auch in Ermangelung an Unterstützung von Teamkollegen, bis zum Ziel nicht mehr aufholen.

Die Favoritengruppe kooperierte größtenteils und konnte Bilbao fünf Kilometer vor dem Ziel einholen. Kurz darauf setzte McNulty eine Konterattacke, mit der er wenige Sekunden auf die restlichen Favoriten aufholen konnte. Sagan war zu diesem Zeitpunkt jedoch ungefährdet und fuhr den Etappensieg souverän ein. Im Sprint des Feldes konnte sich Almeida noch vier Bonussekunden sichern. Neben Fuglsang, der erst 1:38 Minuten nach Sagan ins Ziel kam, gehört Harm Vanhoucke (LTS) zu den Verlierern des Tages. Der Belgier, der bislang das Weiße Trikot in Vertretung von Almeida getragen hatte, verlor mehrere Minuten und fiel aus den Top 10 des Gesamtklassements.

Mehr Informationen zu diesem Thema

04.01.2021Die Highlights des Giro d´Italia 2020

(rsn) - Der Giro d’Italia 2020 stand ganz im Zeichen der Youngster: Tao Geoghegan Hart (Ineos) sicherte sich den Gesamtsieg vor Jai Hindley (Sunweb), der Portugiese Joao Almeida (Deceuninck - Quick-

02.01.2021Spekenbrink verteidigt Giro-Taktik mit Kelderman und Hindley

(rsn) - Im Oktober 2020 musste Sunweb beim Giro d’Italia eine Entscheidung treffen, vor der sich jede Teamleitung fürchtet: Als der nominelle Kapitän Wilco Kelderman auf der 16. Etappe am berücht

18.12.2020Kelderman: “Bei Bora – hansgrohe spüre ich Vertrauen“

(rsn) - Wilco Kelderman (Sunweb) hat eine bewegte Saison hinter sich. Der Niederländer stand kurz vor dem Gesamtsieg beim Giro d’ Italia, ehe er am vorletzten Tag in Sestriere das Rosa Trikot an se

26.11.2020Sagan würde gerne zum Giro zurückkehren

(rsn) - Nach seinem erfolgreichen Giro-Debüt, bei dem er einen Etappensieg feiern und vier weiteren zweiten Plätzen würde Peter Sagan (Bora - hansgrohe) im kommenden Jahr gerne zur Italien-Rundfahr

30.10.2020Sagan: “Ich bin immer noch da und definitiv noch nicht fertig“

(rsn) - Peter Sagan (Bora - hansgrohe) hat an seinen 64 Renntagen dieser Saison nur einmal als Erster die Ziellinie überquert. Den Spaß am Radsport hat der dreimalige Weltmeister, der im Januar sein

28.10.2020Vegni fordert Bestrafung von EF und Jumbo - Visma

(rsn) - Giro-Renndirektor Mauro Vegni fordert Sanktionen gegen die Teams EF und Jumbo - Visma wegen deren Verhalten im Zusammenhang mit der Corona-Politik der Italien-Rundfahrt. Jumbo - Visma hatte da

27.10.2020Giro-Sieger Geoghegan Hart erhält 314.781 Euro Preisgeld

(rsn) - Tao Geoghegan Hart und sein Team Ineos Grenadiers haben beim 103. Giro d’Italia mit sieben Etappenerfolgen und dem Gesamtsieg nicht nur in sportlicher Hinsicht groß abgeräumt, sondern füh

27.10.2020Brailsford begeistert die neue Ineos-Fahrweise

(rsn) - Die bisherigen Grand-Tour-Siege von Ineos Grenadiers kamen alle nach dem gleichen Schema zustande. Zunächst hiel die Mannschaft das Feld zusammen, erhöhte dann im Schlussanstieg das Tempo, e

27.10.2020Trek-Segafredo-Chef Guercilena zweifelt nicht an Nibali

(rsn) - Vincenzo Nibali (Trek - Segafredo) war beim 103. Giro d’Italia erwartungsgemäß bester Italiener. Das kann den zweimaligen Gesamtsieger aber kaum darüber hinwegtrösten, dass er im Kampf u

26.10.2020Campenaerts: “Vielleicht war Giro-Zeitfahren mein letztes Rennen“

(rsn) - Mit seinem zweiten Platz im Zeitfahren von Mailand beendete Victor Campenaerts (NTT) den Giro d’Italia zwar mit einem Erfolgserlebnis. Doch der Stundenweltrekordler weiß immer noch nicht, w

26.10.2020Sunweb-Duo Hindley und Kelderman beim Giro 2021 Gegner?

(rsn) - Am Ende kam es für Team Sunweb so, wie es sich bereits nach der letzten Giro-Bergetappe angedeutet hatte: Jai Hindley konnte sein in Sestriere erobertes Rosa Trikot nicht verteidigen und wurd

26.10.2020Geoghegan Hart: Schulschwänzer, Kanalschwimmer, Giro-Sieger

(rsn) - Vor eineinhalb Jahren sorgte Tao Geoghegan Hart (Ineos – Grenadiers) mit seinem Teamkollegen Pavel Sivakov bei der Tour of the Alps für Furore, als die beiden ihre jeweils ersten Siege im P

Weitere Radsportnachrichten

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Quintana beendet Spekulationen, Bonnamour gibt Kampf gegen Dopingsperre auf

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte, Ã

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

13.11.2024Auch ein kurioser erster UCI-Sieg reichte nicht zum Profivertrag

(rsn) – Auch wenn er in dieser Saison seinen ersten UCI-Sieg einfahren konnte, so gelang Roman Duckert (Storck – Metropol) am Ende seiner U23-Zeit nicht der Sprung in ein Profiteam. Deshalb wird e

13.11.2024Ein Jahr geprägt von Stürzen und viel Unglück

(rsn) – Eigentlich wollte Mikà Heming (Tudor Pro Cycling) 2024 so richtig durchstarten. Die Klassikerkampagne in Belgien hatte er sich als erstes Saisonhighlight gesetzt, doch diese endete für den

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine