Niederländer beim Giro auf Podiumskurs

Kelderman: Raus aus dem Tal der Lädierten

Von Tom Mustroph aus Matera

Foto zu dem Text "Kelderman: Raus aus dem Tal der Lädierten"
Beim Giro auf Podiumskurs: Wilco Kelderman (Sunweb) | Foto: Cor Vos

08.10.2020  |  (rsn) - Wilco Kelderman (Sunweb) konnte erstmals seit Jahren eine Vorbereitung ohne Verletzung durchziehen. Jetzt ist er beim 103. Giro d’Italia auf dem dritten Rang - und machte bisher den frischesten Eindruck unter den Favoriten. Mit ihm muss man bis Mailand rechnen.

Die Erleichterung ist dem Schlaks aus den Niederlanden anzumerken. Kelderman fühlt sich putzmunter im Kreis der Favoriten. Kein Wehwehchen plagt ihn. Und er ist so guter Dinge, dass er selbst auch Attacken probiert. Für Aufmerksamkeit sorgte sein Antritt auf dem Ätna. "Ich habe gemerkt, dass die Teams, die das Rennen eigentlich kontrollieren sollten, gar nicht mehr mit so vielen Leuten vorn waren. Ich bin erst ein paar Attacken mitgegangen und habe dann selbst attackiert", blickte er gegenüber radsport-news.com auf seine bisher wichtigste Aktion bei diesem Giro zurück. Mit der Attacke setzte er sich auch im Gesamtklassement etwas von der Gruppe der anderen Favoriten ab und rückte deshalb auf Rang drei vor.

In seinem Team verfolgt man seinen Auftritt mit Stolz. "Wir haben jetzt den Gesamtdritten des Giro in unseren Reihen. Am Ätna war er der Stärkste unter den Favoriten. Da ist es ganz klar, dass unsere Priorität ist, Wilco zu schützen", sagte Teamkollege Nico Denz zu radsport-news.com. Der Ausreißerspezialist, der in diesem Jahr zu Sunweb wechselte, wird daher in den nächsten Tagen auch sein eigenes Abenteurerblut zügeln. "Ich stelle mich ganz in den Dienst der Mannschaft und habe keine eigenen Ziele", sagte er.

Sunweb mit gegenteiliger Strategie zur Tour

Das ist die komplette Umkehr der Strategie, die Sunweb noch bei der Tour de France so erfolgreich probierte. Da hieß es noch: Alle Mann vereint für den Etappensieg. Das klappte gleich drei Mal. "Hier beim Giro haben wir aber einen Kapitän", begründete Denz den Wandel. Und der Kapitän heißt Wilco Kelderman.

Dass er diese Rolle ausfüllen kann, begründete der 29-Jährige selbst damit, dass er seit langer Zeit erstmals wieder eine Vorbereitung ohne Verletzungen absolvieren konnte. "Die letzten Jahre hatte ich immer wieder Rückschläge zu verkraften. Zwei Mal brach ich mir das Schlüsselbein, im letzten Jahr noch einen Halswirbel. Dieses Jahr konnte ich mich aber ohne Probleme vorbereiten", berichtete er.

Auch Luke Roberts, Sportlicher Leiter von Sunweb, hält das für die Hauptursache von Keldermans Leistungshoch. "Er hatte zwei Höhentrainingslager, war dann gut in Polen und auch beim Tirreno vorn mit dabei. Das Leistungsniveau stimmt einfach", sagte er. Von dieser Basis aus peilt Roberts für seinen Schützling ehrgeizige Ziele an. "Jetzt können wir das Podium in den Blick nehmen. Ich sage nicht, welche Stufe, aber das Podium ist drin", meinte er zu radsport-news.com.

Gar nicht mehr geheimer Podiumskandidat

Die wichtigsten Rivalen sieht Kelderman selbst - ganz entgegen dem aktuellen Jugendbewunderungstrend - eher in den Alten wie Nibali und Fuglsang. "Sie haben einfach die Erfahrung, sie wissen, wie man in der letzten Woche die Energien gut einteilt", schätzte er die Situation ein. Selbst gehört er zur mittleren Generation, weniger erfahren als die Ü30-Truppe, aber eben auch keine 22 mehr wie der Gesamtführende Joao Almeida (Deceuninck - Quick-Step). Eingekeilt zwischen den beiden Halbgenerationen fühlt er sich aber nicht.

Und bei diesem Giro kann er darauf hoffen, dass die Freiheiten für einen mutigen Angreifer wie ihn größer sind als gewohnt. "Viele Teams haben ihre stärksten Aufgebote zur Tour geschickt. Die Zahl der exzellenten Helfer ist jetzt beim Giro geringer als normal", beobachtete Roberts. Das Fehlen eines absoluten Dominanzteams könnte den ohnehin oft spannenden Giro noch abwechslungsreicher als gewohnt machen.

Einer wie Kelderman, der clever und stark genug ist, solche Situationen zu nutzen und der gegenüber den meisten Rivalen noch den Vorteil seiner Zeitfahrqualitäten hat, mausert sich zum gar nicht mehr so geheimen Podiumsaspiranten.

Mehr Informationen zu diesem Thema

04.01.2021Die Highlights des Giro d´Italia 2020

(rsn) - Der Giro d’Italia 2020 stand ganz im Zeichen der Youngster: Tao Geoghegan Hart (Ineos) sicherte sich den Gesamtsieg vor Jai Hindley (Sunweb), der Portugiese Joao Almeida (Deceuninck - Quick-

02.01.2021Spekenbrink verteidigt Giro-Taktik mit Kelderman und Hindley

(rsn) - Im Oktober 2020 musste Sunweb beim Giro d’Italia eine Entscheidung treffen, vor der sich jede Teamleitung fürchtet: Als der nominelle Kapitän Wilco Kelderman auf der 16. Etappe am berücht

18.12.2020Kelderman: “Bei Bora – hansgrohe spüre ich Vertrauen“

(rsn) - Wilco Kelderman (Sunweb) hat eine bewegte Saison hinter sich. Der Niederländer stand kurz vor dem Gesamtsieg beim Giro d’ Italia, ehe er am vorletzten Tag in Sestriere das Rosa Trikot an se

26.11.2020Sagan würde gerne zum Giro zurückkehren

(rsn) - Nach seinem erfolgreichen Giro-Debüt, bei dem er einen Etappensieg feiern und vier weiteren zweiten Plätzen würde Peter Sagan (Bora - hansgrohe) im kommenden Jahr gerne zur Italien-Rundfahr

30.10.2020Sagan: “Ich bin immer noch da und definitiv noch nicht fertig“

(rsn) - Peter Sagan (Bora - hansgrohe) hat an seinen 64 Renntagen dieser Saison nur einmal als Erster die Ziellinie überquert. Den Spaß am Radsport hat der dreimalige Weltmeister, der im Januar sein

28.10.2020Vegni fordert Bestrafung von EF und Jumbo - Visma

(rsn) - Giro-Renndirektor Mauro Vegni fordert Sanktionen gegen die Teams EF und Jumbo - Visma wegen deren Verhalten im Zusammenhang mit der Corona-Politik der Italien-Rundfahrt. Jumbo - Visma hatte da

27.10.2020Giro-Sieger Geoghegan Hart erhält 314.781 Euro Preisgeld

(rsn) - Tao Geoghegan Hart und sein Team Ineos Grenadiers haben beim 103. Giro d’Italia mit sieben Etappenerfolgen und dem Gesamtsieg nicht nur in sportlicher Hinsicht groß abgeräumt, sondern füh

27.10.2020Brailsford begeistert die neue Ineos-Fahrweise

(rsn) - Die bisherigen Grand-Tour-Siege von Ineos Grenadiers kamen alle nach dem gleichen Schema zustande. Zunächst hiel die Mannschaft das Feld zusammen, erhöhte dann im Schlussanstieg das Tempo, e

27.10.2020Trek-Segafredo-Chef Guercilena zweifelt nicht an Nibali

(rsn) - Vincenzo Nibali (Trek - Segafredo) war beim 103. Giro d’Italia erwartungsgemäß bester Italiener. Das kann den zweimaligen Gesamtsieger aber kaum darüber hinwegtrösten, dass er im Kampf u

26.10.2020Campenaerts: “Vielleicht war Giro-Zeitfahren mein letztes Rennen“

(rsn) - Mit seinem zweiten Platz im Zeitfahren von Mailand beendete Victor Campenaerts (NTT) den Giro d’Italia zwar mit einem Erfolgserlebnis. Doch der Stundenweltrekordler weiß immer noch nicht, w

26.10.2020Sunweb-Duo Hindley und Kelderman beim Giro 2021 Gegner?

(rsn) - Am Ende kam es für Team Sunweb so, wie es sich bereits nach der letzten Giro-Bergetappe angedeutet hatte: Jai Hindley konnte sein in Sestriere erobertes Rosa Trikot nicht verteidigen und wurd

26.10.2020Geoghegan Hart: Schulschwänzer, Kanalschwimmer, Giro-Sieger

(rsn) - Vor eineinhalb Jahren sorgte Tao Geoghegan Hart (Ineos – Grenadiers) mit seinem Teamkollegen Pavel Sivakov bei der Tour of the Alps für Furore, als die beiden ihre jeweils ersten Siege im P

Weitere Radsportnachrichten

04.06.2025Tritt Almeida bei der Tour de Suisse in die Fußstapfen von Yates?

(rsn) – Das am 8. Juni beginnende 77. Critérium du Dauphiné kann mit dem letztjährigen Tour-de-Franc-Podium Tadej PoGacar (UAE – Emirates- XRG), Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) und Re

04.06.2025Vingegaard: “Muss besser sein als vor zwei Jahren“

(rsn) – Sowohl im vergangenen Jahr als auch in dieser Saison wurde Jonas Vingegaards Vorbereitung auf die Tour de France durch Stürze kräftig aus dem Tritt gebracht. Doch konnte der Kapitän von V

04.06.2025Bauhaus kommt nicht mehr an Groenewegen vorbei

(rsn) - Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) hat zum Auftakt der 31. Slowenien-Rundfahrt (2.Pro) knapp seinen ersten Saisonsieg verpasst. Der 30-jährige Kölner musste sich auf der 1. Etappe über 168,

04.06.2025Kanter: “Das war mein bisher erfolgreichster Giro“

(rsn) – Nach seinem vierten Giro d’Italia gönnte sich Max Kanter noch einen Tag “Sightseeing“ in der “Ewigen Stadt“. Am Sonntag hatte der XDS-Astana-Sprinter in Rom auf der abschließende

03.06.2025Kudus gibt in Slowenien Comeback nach vier Monaten

(rsn) - Merhawi Kudus wird am Mittwoch bei der Tour of Slovenia (2.Pro) ins Peloton zurückkehren. Der Eritreer, der am 2. Februar beim Grand Prix La Marseillaise in einer Abfahrt schwer gestürzt war

03.06.2025Evenepoel-Coach sieht seinen Schützling stärker als vor einem Jahr

(rsn) – Remco Evenepoel ist Anfang Juni 2025 vor seinem Start beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) am kommenden Sonntag besser in Form, als Anfang Juni 2024. Das hat sein Trainer Koen Pelgrim in ein

03.06.2025Belgien schickt komplette Delegation zur WM nach Ruanda

(rsn) - Der Belgische Radsportverband wird an den Straßen-Weltmeisterschaften vom 20. bis 29. September in Ruanda in allen Kategorien - von Junioren und Juniorinnen über die U23 bis zur Elite - teil

03.06.2025Bauhaus in Slowenien Road Captain und Sprinter zugleich

(rsn) –18 Tage nach seinem krankheitsbedingten Ausscheiden bei der Ungarn-Rundfahrt (2.Pro) kehrt Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) am Mittwoch ins Renngeschehen zurück und will bei der fünftägig

03.06.2025Groenewegen und Großschartner die Favoriten für Sprint und Berg

(rsn) – Mit der Tour of Slovenia (2.Pro) beginnt am Mittwoch die erste der verschiedenen ´Vorbereitungs-Rundfahrten´ für die Tour de France. Das fünftägige Event, das bislang Mitte Juni ausgetr

03.06.2025Jakobsen hofft nur noch ganz leise auf den Tour-Start

(rsn) – Fabio Jakobsen (Picnic – PostNL) ist seit knapp zwei Wochen wieder auf dem Rad unterwegs und trainiert – zuletzt auch auf Teneriffa. Doch ob der 28-jährigen Niederländer, der Ende Mär

03.06.2025Gee: “Toll, dass es noch viel Verbesserungspotential gibt“

(rsn) – Zwei Jahre nachdem er als Ausreißerkönig mit vier zweiten Etappenplätzen zum Shootingstar des Giro d´Italia 2023 geworden ist, hat Derek Gee (Israel – Premier Tech) bei seiner zweiten

03.06.2025Groves in Philipsens Leadout zur Tour de France?

(rsn) – Ein Etappensieg sowie zwei zweite und zwei fünfte Plätze: Die Ausbeute von Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) in den Massensprints des Giro d´Italia hätte natürlich noch besser sein

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour du Cameroun (2.2, CMR)
  • Mercan Tour Classic (1.1, FRA)
  • Tour of Lithuania (2.2, LTU)
  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)
  • Tour of Slovenia (2.Pro, SLO)