Giro: Sagan und Ballerini knapp geschlagen

3, 2, 1? Am Ende jubelt Démare in Villafranco Tirrena

Von Felix Schönbach

Foto zu dem Text "3, 2, 1? Am Ende jubelt Démare in Villafranco Tirrena"
Zielsprint der 4. Giro-Etappe | Foto: Cor Vos

06.10.2020  |  (rsn) - Am Ende einer ungewöhnlichen und unterhaltsamen 4. Etappe des Giro d’Italia feierte Arnaud Démare (Groupama-FDJ) einen knappen Sprintsieg gegen Peter Sagan (Bora - hansgrohe) und Davide Ballerini (Deceunick - Quick - Step). Zuvor hatte Sagans Mannschaft das Feld auf der einzigen Bergwertung des Tages auseinandergerissen. Auf den letzten Kilometern entwickelte sich eine Jagd zwischen der großen Gruppe und den abgehängten Sprintern. Joao Almeida (Deceunick-Quick-Step) konnte seine Führung im Gesamtklassement ausbauen.

Am Ende waren es nach 140 Kilometern zwischen Catania und Villafranco Tirrena nur wenige Millimeter, die den Ausschlag zu Gunsten von Démare gaben. “Das ist unglaublich, ich wusste nicht, dass ich gewonnen habe“, beschrieb der Französische Meister die lange Wartezeit, in der das Foto-Finish ausgewertet werden musste. “Ich hatte den Eindruck, dass ich Zweiter oder Dritter war, und dann war ich doch Erster. Da hatte ich Glück. Mit meinem Vater habe ich hinter dem Scooter für den letzten Sprung trainiert“, füget der 29-Jährige an.

Für Démare ist es der zweite Etappensieg bei der Italien-Rundfahrt, und es wird wohl nicht der letzte bleiben. Der Franzose trägt seine teilweise überragende Form aus diesem Sommer, in dem er Mailand-Turin, die Wallonie-Rundfahrt und die nationalen Meisterschaften gewann, problemlos in den Herbst hinein. “Es ist gut für die Mannschaft, dass wir so schnell gewonnen haben. Es gibt noch andere Möglichkeiten. Als ich den Berg mit Bora und Sagan passiert hatte und wusste, dass Viviani und Gaviria hinten waren, da war mir klar, dass die Beine gut waren“, erklärte Démare.

Bora - hansgrohe erntet wieder nicht den Lohn für die Arbeit

Auch Bora - hansgrohe knüpfte an seine Vorstellungen von der Tour de France an: Das Team betrieb am einzigen Anstieg des Tages einen hohen Aufwand, um die Konkurrenz abzuhängen. Während das im Fall von Fernando Gaviria (UAE - Team Emirates) und Álvaro Hodeg (Deceunick -Q uick-Step) gelang, zeigten sich die meisten anderen Sprinter der Herausforderung gewachsen.

Im Finale verpasste Sagan es dann jedoch abermals, das Team für seine Mühen zu belohnen. “Wir waren alle auf einer Linie und ich wusste nicht, wer gewonnen hat, ob ich vorne oder Zweiter oder Dritter war. Ich habe mein Bestes im Sprint gegeben, manchmal gewinnt man und manchmal nicht. Ich bin sehr zufrieden mit dem Job, den das Team abgeliefert hat“, gab sich der Slowake aber gewohnt lakonisch und optimistisch. Als Trostpflaster darf erstmals das Maglia Ciclamino anziehen, welches er auch in Mailand tragen möchte.

Auch der Kampf um das Rosa Trikot wurde überraschend pikant. “Ich habe versucht, die Bonifikationssekunden am Zwischensprint zu holen. In einer kleinen Gruppe kann ich ziemlich schnell sein”, beschrieb Almeida die Situation, als er mit dem gestrigen Etappensieger Jonathan Caicedo (EF) um zwei Sekunden sprintete.

Der Portugiese hatte das bessere Ende für sich und hat die Gesamtführung nun etwas sicherer als am Start, an dem er noch zeitgleich mit Caicedo war. “Ich bin glücklich das Maglia Rosa für einen weiteren Tag tragen zu dürfen“, sagte Almeida, der auch die Führung in der Nachwuchswertung behauptete. Caicedo bleibt im Bergtrikot.

So lief das Rennen:

Direkt nach dem Start, zu dem der gestern schwer gestürzte Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) nicht mehr antreten konnte, setzten sich Simon Pellaud (Androni Giocattoli-Sidermec), Kamil Gradek (CCC) und Marco Frapporti (Vini Zabù-KTM) ab und bauten sich einen Vorsprung von maximal 4:10 Minuten auf. Die erste Sprintwertung holte sich Frapporti, im Feld sicherten sich Fernando Gaviria (UAE - Team Emirates), Michael Matthews (Sunweb), Sagan und Diego Ulissi (UAE - Team Emirates) die verbleibenden Punkte. Vor allem Sagan untermauerte damit seinen Anspruch auf das Sprinttrikot, das im vergangenen Jahr sein Teamkollege Pascal Ackermann gewonnen hatte.

Im anschließenden einzigen Anstieg des Tages ließ er Slowake seine Mannschaft das Tempo verschärfen und brachte so einige Sprinter in Schwierigkeiten. Erst fielen Álvaro Hodeg (Deceunick - Quick - Step) und Gaviria zurück, dann erwischte es Elia Viviani (Cofidis). Gleichzeitig schmolz der Vorsprung der Ausreißer auf 1:30 Minuten. Kurz vor der Bergwertung setzte sich Pellaud aus der Spitzengruppe ab, um sich die Punkte zu sichern. Die lange Abfahrt wurde wegen widrigen Bedingungen mit Nebel und nassen Straßen, die vor allem die gepflasterten Passagen von Ortsdurchfahrten gefährlich machten, von den Profis sehr vorsichtig absolviert, weshalb der Abstand lange gleichblieb.

Auf den flachen letzten 35 Kilometern zum Ziel entwickelte sich dann eine große Verfolgungsjagd. Bora - hansgrohe hielt das Tempo hoch, um die abgehängten Sprinter aus dem Rennen zu nehmen und Pellaud einzufangen. Die Gruppe um Viviani schaffte es zwar noch zurück ins Feld. Als danach jedoch Groupama - FDJ in die Nachführarbeit einstieg, waren das Schicksal von Gaviria und Hodeg besiegelt. An der letzten Sprintwertung duellierten sich der Gesamtführende Almeida und der gestrige Etappensieger Caicedo um die Sekunden, da sie zeitgleich in die Etappe gegangen waren. Mit Hilfe seines Teamkollegen Ballerini konnte Almeida seine Führung auf zwei Sekunden ausbauen.

Chaotischer Sprint in Villafranca Tirrena

Die letzten drei Kilometer ging es besonders hektisch zu, da verschiedene Sprintzüge um die Kontrolle kämpften. Immer wieder kam es zu Remplern zwischen den Anfahrern und Sprintern. Der einsetzende Regen, der starke Seitenwind am Meer und die frisch geteerte Straße vergrößerten die Unsicherheit auf den letzten Metern. Kurz vor der letzten Kurve setzte sich Groupama - FDJ an die Spitze. Anfahrer Miles Scotson nahm den Geschwindigkeitsüberschuss mit und attackierte 700 Meter vor dem Ziel. Dies zwang Vivianis Anfahrer Simone Consonni (Cofidis) die Lücke zu schließen.

Doch es war dann Sagan, der den Sprint auf der windanfälligen rechten Seite eröffnete, nachdem er ein Duell mit Rudy Barbier (Israel Start-Up Nation) um Démares Hinterrad gewonnen hatte. Auf der windgeschützten linken Seite kam dann der Französische Meister auf, während Martinelli auf der äußersten rechten Seite zwar die höchste Endgeschwindigkeit, aber den längsten Weg besaß und den meisten Wind abbekam. In einer Reihe jagten die drei Sprinter über die Ziellinie, so dass die Entscheidung im Foto-Finish fallen musste, in welchem Démare um wenige Millimeter den Reigen vorn hatte.

Mehr Informationen zu diesem Thema

04.01.2021Die Highlights des Giro d´Italia 2020

(rsn) - Der Giro d’Italia 2020 stand ganz im Zeichen der Youngster: Tao Geoghegan Hart (Ineos) sicherte sich den Gesamtsieg vor Jai Hindley (Sunweb), der Portugiese Joao Almeida (Deceuninck - Quick-

02.01.2021Spekenbrink verteidigt Giro-Taktik mit Kelderman und Hindley

(rsn) - Im Oktober 2020 musste Sunweb beim Giro d’Italia eine Entscheidung treffen, vor der sich jede Teamleitung fürchtet: Als der nominelle Kapitän Wilco Kelderman auf der 16. Etappe am berücht

18.12.2020Kelderman: “Bei Bora – hansgrohe spüre ich Vertrauen“

(rsn) - Wilco Kelderman (Sunweb) hat eine bewegte Saison hinter sich. Der Niederländer stand kurz vor dem Gesamtsieg beim Giro d’ Italia, ehe er am vorletzten Tag in Sestriere das Rosa Trikot an se

26.11.2020Sagan würde gerne zum Giro zurückkehren

(rsn) - Nach seinem erfolgreichen Giro-Debüt, bei dem er einen Etappensieg feiern und vier weiteren zweiten Plätzen würde Peter Sagan (Bora - hansgrohe) im kommenden Jahr gerne zur Italien-Rundfahr

30.10.2020Sagan: “Ich bin immer noch da und definitiv noch nicht fertig“

(rsn) - Peter Sagan (Bora - hansgrohe) hat an seinen 64 Renntagen dieser Saison nur einmal als Erster die Ziellinie überquert. Den Spaß am Radsport hat der dreimalige Weltmeister, der im Januar sein

28.10.2020Vegni fordert Bestrafung von EF und Jumbo - Visma

(rsn) - Giro-Renndirektor Mauro Vegni fordert Sanktionen gegen die Teams EF und Jumbo - Visma wegen deren Verhalten im Zusammenhang mit der Corona-Politik der Italien-Rundfahrt. Jumbo - Visma hatte da

27.10.2020Giro-Sieger Geoghegan Hart erhält 314.781 Euro Preisgeld

(rsn) - Tao Geoghegan Hart und sein Team Ineos Grenadiers haben beim 103. Giro d’Italia mit sieben Etappenerfolgen und dem Gesamtsieg nicht nur in sportlicher Hinsicht groß abgeräumt, sondern füh

27.10.2020Brailsford begeistert die neue Ineos-Fahrweise

(rsn) - Die bisherigen Grand-Tour-Siege von Ineos Grenadiers kamen alle nach dem gleichen Schema zustande. Zunächst hiel die Mannschaft das Feld zusammen, erhöhte dann im Schlussanstieg das Tempo, e

27.10.2020Trek-Segafredo-Chef Guercilena zweifelt nicht an Nibali

(rsn) - Vincenzo Nibali (Trek - Segafredo) war beim 103. Giro d’Italia erwartungsgemäß bester Italiener. Das kann den zweimaligen Gesamtsieger aber kaum darüber hinwegtrösten, dass er im Kampf u

26.10.2020Campenaerts: “Vielleicht war Giro-Zeitfahren mein letztes Rennen“

(rsn) - Mit seinem zweiten Platz im Zeitfahren von Mailand beendete Victor Campenaerts (NTT) den Giro d’Italia zwar mit einem Erfolgserlebnis. Doch der Stundenweltrekordler weiß immer noch nicht, w

26.10.2020Sunweb-Duo Hindley und Kelderman beim Giro 2021 Gegner?

(rsn) - Am Ende kam es für Team Sunweb so, wie es sich bereits nach der letzten Giro-Bergetappe angedeutet hatte: Jai Hindley konnte sein in Sestriere erobertes Rosa Trikot nicht verteidigen und wurd

26.10.2020Geoghegan Hart: Schulschwänzer, Kanalschwimmer, Giro-Sieger

(rsn) - Vor eineinhalb Jahren sorgte Tao Geoghegan Hart (Ineos – Grenadiers) mit seinem Teamkollegen Pavel Sivakov bei der Tour of the Alps für Furore, als die beiden ihre jeweils ersten Siege im P

Weitere Radsportnachrichten

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Quintana beendet Spekulationen, Bonnamour gibt Kampf gegen Dopingsperre auf

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte,

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

13.11.2024Auch ein kurioser erster UCI-Sieg reichte nicht zum Profivertrag

(rsn) – Auch wenn er in dieser Saison seinen ersten UCI-Sieg einfahren konnte, so gelang Roman Duckert (Storck – Metropol) am Ende seiner U23-Zeit nicht der Sprung in ein Profiteam. Deshalb wird e

13.11.2024Ein Jahr geprägt von Stürzen und viel Unglück

(rsn) – Eigentlich wollte Mikà Heming (Tudor Pro Cycling) 2024 so richtig durchstarten. Die Klassikerkampagne in Belgien hatte er sich als erstes Saisonhighlight gesetzt, doch diese endete für den

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine